Strategien
31. Juli 2024

Zwischen Mangel und regionalem Überangebot

Vielen Immobilieninvestoren macht inzwischen die Regulierung am deutschen Wohnungsmarkt Sorgen. Da lohnt der Blick über den großen Teich, nicht nur wegen dem anhaltenden Trend zum Mieten in den USA. Auch bereits erfolgte Preisrückgänge bei Wohnimmobilien machen den Einstieg aktuell attraktiv.

Go West: Life is peaceful there! – lautet ein Song der Pet Shop Boys aus dem Jahr 1993. Nicht unbedingt wegen der enthaltenen Friedensbotschaft, aber doch wegen der erzielbaren Chancen ganz im Westen der Welt gewinnt er für institutionelle Immobilienin­vestoren an Aktualität. Tatsächlich könnte es sich lohnen, das Immobilienportfolio über einen Shift nach Westen, über den ­großen Teich, zu diversifizieren. Das hat drei kurz genannte ­Gründe: Der US-Mietmarkt folgt anderen Regularien wie der hiesige Mietwohnungsmarkt (Stichwort: Mietpreisbremse). Zweitens wird die in den USA bevölkerungsmäßig große Generation der Millennials ­demnächst ­eine Familie gründen und sich oftmals ein Eigenheim nicht leisten können. Drittens: Die Bewertungen sind in Folge des Zinsanstiegs gesunken und eine Bodenbildung für den Wohnungsmarkt ­kündigt sich an.

Hinzu kommt: In den USA fehlen bundesweit über 4,5 Millionen Wohnungen und durch die hohen Finanzierungskosten am Kapitalmarkt wird künftig deutlich weniger gebaut werden. So rechnet Michel Caspary, Investment Manager Immobilien und Infrastruktur beim Multi Family Office HQ Trust, für die kommenden Jahre mit einem Einbruch bei Neubauten im Bereich Wohnen. Dem war ein Boom vorangegangen. „Durch die hohe Nachfrage nach Wohnraum wurden in den vergangenen Jahren sehr viele Neubauprojekte ­gestartet. Ein Großteil wird bis Ende des Jahres 2024 fertiggestellt werden. Danach wird der Neubau sehr, sehr stark zurückgehen.“ Caspary erwartet für 2025 einen Rückgang bei Neubauten um 50 Prozent im Vergleich zum zweiten Quartal 2022. Zu diesem Zeitpunkt lagen in den USA auch die Bewertungen von Wohnimmobilien auf einem Höchststand. Diese seien seitdem über alle Märkte betrachtet um durchschnittlich 22 Prozent gesunken. Caspary ­erwartet eine Bodenbildung, unter anderem dadurch, da sich auch in den USA allmählich eine erste Zinssenkung ankündigt.

Die Corona-Jahre galten für den US-Mietwohnungsmarkt als ­Zäsur. Die Zeit in und nach der Pandemie war geprägt durch ein überdurchschnittlich hohes Mietwachstum. „Von 2019 bis 2023 stiegen die Mieten durchschnittlich um 30 Prozent, das entspricht etwa sieben Prozent Mietwachstum pro Jahr“, rechnet Michel Caspary vor. Hauptgrund dafür ist laut dem Investment Manager neben der ­Inflationsentwicklung ein regulatorischer Unterschied zum hiesigen Mietmarkt: In den USA werden Wohnmietverträge in der Regel nur für ein Jahr geschlossen. „So konnten Investoren im ­Zuge der Corona-Pandemie die hohe Inflation im Wesentlichen an ihre Mieter weitergeben“, sagt Caspary. Mittlerweile aber wachsen die Mieten zwar laut dem Experten nicht mehr so stark, wie es die Löhne tun. Dafür sorge auch ein regional vorhandenes Überan­gebot an Wohnimmobilien, vorzugsweise im Sunbelt der USA, der die südlichen Bundesstaaten, angefangen von North Carolina im Osten über Florida, Texas, Arizona bis hinein ins südliche Kalifornien, umfasst. „In den vergangenen Jahren haben viele Unternehmen, große Namen wie Apple, Alphabet oder Tesla, zum Teil getrieben durch Steuererleichterungen, Standorte im Sunbelt, ­beispielsweise in Austin, Texas oder in Phoenix, Arizona, eröffnet. Das zog auch die Wohnungsbauunternehmen an, weshalb wir hier aktuell aufgrund eines regionalen Überangebots zurückhaltend sind“, so Caspary. Die Strategie von HQ Trust im US-Wohnungsmarkt konzentriert sich auf eine US-weite Diversifizierung mit ­Fokus auf größere Städte und Ballungszentren. „Wir investieren in Immobilien im traditionellen Mehrfamiliensegment. Das sind Immobilien, die über eine sehr gute Lage verfügen, auch die Mikrolage ist sehr gut“, so Caspary. Die Anlagen verfügten in der Regel über einen Swimmingpool auf dem Dach und ein benachbartes ­Fitnesscenter, neben einer guten Verkehrsanbindung zudem über ­eine gute Nahversorgung und Freizeitangebote. Zielgruppe seien Menschen mit mittlerem Einkommen, die zentrale Lagen in ­größeren bis großen Städten bevorzugen.“ Sogenannte ‚Gated Communities‘, also Einfamilienhaussiedlungen mit Zugangs­beschränkungen, wie zum Beispiel einem Pförtner oder Wach­personal an der Zufahrt, lägen dagegen nicht im Investmentfokus. Dass es in den amerikanischen Metropolen wie San Francisco oder New York mittlerweile auch Mietpreisbeschränkungen gebe, sei ein ­Faktum, was den Business Plan an mancher Stelle negativ beeinflusse. „Wir diversifizieren daher unser Portfolio breit über die ­gesamten Vereinigten Staaten. Meist beschließen lokale Behörden solche rent regulations. Auf Ebene der Bundestaaten sind Mietpreisbeschränkungen aber unwahrscheinlich“, so Caspary.

Der US-Immobilieninvestor CP Capital zielt dagegen auf Vororte der Metropolen ab, in denen es keine Mietpreisregulierung gibt und die in den vergangenen Jahrzehnten einen deutlichen Bevölkerungszuwachs verzeichnet hätten, zumal die Mieten im Vergleich zu den Zentrumslagen niedrig seien. Mehrfamilienhaussiedlungen mit 200 bis 350 Ein- bis Dreizimmer-Wohnungen im gehobenen, mittleren Preissegment mit bonitätsstarken Mietern sind hier der ­Investmentfokus. Mieten in diesem Segment bewegten sich ­zwischen 1.500 und 4.000 Dollar je nach Standort und Größe des Apartments. Die ­Aussichten in diesem Marktsegment seien gut: „US-Amerikaner, die ein Eigenheim erwerben, tun dies immer später, weil sie die ­hohen Kosten für eine Hypothek nicht aufbringen können. Im Schnitt sind Immobilienkäufer bei ihrem ersten Kauf heute 35 ­Jahre alt, vor einigen Jahren kauften sie im Durchschnitt mit 29 Jahren – das bedeutet zusätzliche sieben Jahre, in denen sie Miete zahlen“, resümiert Jay Remillard, Managing Director und Co-Head bei CP ­Capital. Er sieht den Eigentümer-Anteil in den USA von aktuell 65 Prozent langfristig schrumpfen. Ursprünglich 1989 durch die ­Family Offices der Familien Quandt und Burda ­gegründet, verkauften die Quandts 2021 ihren Mehrheitsanteil, ­halten aber noch eine Minderheitsbeteiligung. Heute firmiert die ehemalige HQ Capital Real Estate unter dem ­Namen CP Capital. Sie ist mehrheitlich in Händen des kanadischen Wohnentwicklers Concord Pacific und des US-Immobilieninvestmentmanagers HB Management. Gleichzeitig seien die Wohnungen in solchen Mehrfamilienanlagen erschwinglich für das Mieter­klientel. „Unsere Mieter geben im Durchschnitt 20 bis 25 Prozent ihres Ein­kommens für Miete aus“, erklärt Kristi Nootens. In Anlagen mit ­freistehenden, zu vermietenden Einfamilienhäusern investiere man noch nicht, sieht es aber für die Zukunft als interessant an.

Die stark gestiegenen Mieten werden durch die Finanzierungs­kosten für Eigenheime in den USA tatsächlich deutlich übertroffen.­ So berichtet Michel Caspary von HQ Trust von einer Differenz von 1.100 Dollar zwischen der durchschnittlichen Miete und einem durchschnittlichen Hauskredit. „Bei im Schnitt 1.800 Dollar für die Miete und einer durchschnittlichen Kreditrate von 2.900 Dollar sind das rund 40 Prozent Unterschied“, so Caspary. Er glaubt, dass daher auf mittlere Sicht auch Single-Tenant-Immobilien, also klassische Einfamilienhäuser attraktive Anlagen für Investoren sind. „Die Millennials werden bald Familien gründen und diese bevorzugen ein freistehendes Haus, auch zu Miete.“

Ein Hauptrisiko für Investoren sieht Caspary tatsächlich dort, wo gerade viel Wohnraum neu entstanden ist. Das sei vor allem in den Bundesstaaten des sogenannten Sunbelt der Fall. „Kurzfristig ­besteht hier ein gewisses Risiko, dass Mieter zum Beispiel nach ­einem Jahr wieder ausziehen, weil sie ein günstigeres oder besseres Angebot gefunden haben. Caspary erwartet jedoch, dass sich der Angebotsüberhang in den kommenden zwei bis drei Jahren normalisiert, auch wegen des bundesweiten Wohnungsmangels und dem nun lahmenden Neubau. Die historische Nettorendite seit dem Jahr 2000 habe über alle Risikoklassen hinweg durchschnittlich 7,5 Prozent pro Jahr betragen, berichtet er.

Achilles-Ferse ESG

Beim Thema Nachhaltigkeit hinkt der US-amerikanische Immobilien­markt jedoch immer noch hinterher. Laut HQ Trust-­Investment-Manager Michel Caspary sind es vor allem europäische Investoren, die das Thema treiben und für mehr Aufmerksamkeit auf ESG-Fragen bei lokalen Managern sorgten. „Das Thema kommt langsam bei lokalen Managern über die Risikoseite durch und wird wichtig, wenn es um potenzielle Verkaufschancen geht.“ In der ­Regel laufen die Fonds, in die HQ Trust investiert, über acht bis zehn Jahre. In den ersten drei Jahren wird investiert und nach Wertsteigerungen gestrebt, nach weiteren fünf Jahren stehe dann der Verkauf der Objekte an, so Caspary. Auch CP Capital sieht noch Nachholbedarf in Sachen Nachhaltigkeit. LEDs und Bewegungsmelder als Stromsparmaßnahmen seien inzwischen in allen Mehrfamilienobjekten Standard. „Aufwendigere Energieeffizienzmaßnahmen sind oftmals sehr teuer und schwer umzusetzen“, räumt Jay Remillard, Managing Director und Co Head der Gesellschaft ein. Bevorzugte Regionen für den Neubau sind aus seiner Sicht Bundestaaten wie Florida und Speckgürtel um Städte wie Boston, Charleston, Denver und Atlanta. Man pflege langfristige Beziehungen mit verschiedenen Projektentwicklern. Durch den Zinsanstieg hätten jedoch viele kleinere Probleme bekommen. „Es findet eine gewisse Konsolidierung am Markt statt“, so Managing Director Kristi Nootens.

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