Zurück in die Zukunft
Paul Stanworth von der britischen Versicherung Legal & General im Gespräch mit Sebastian Cheek
Legal & General hält in seinem Annuity-Portfolio bislang mehr Liquidität, als die Verpflichtungsseite erfordert. Das soll sich ändern. Paul Stanworth will den Anteil an illiquiden Assets ausbauen und dabei den Rückzug der Banken aus dem Kreditgeschäft nutzen. Neu ist dieser Weg nicht, sondern eine Rückkehr zu einer Tradition: Annuity Funds sind für ihn die natürliche Heimat von Illiquidität.
Wie sieht die Asset Allocation Ihres Versicherungsportfolios aus?
Wir managen drei Geldblöcke in Großbritannien: Einer ist ein Annuitätenportfolio, das rund 32 Milliarden Pfund umfasst und fast ausschließlich aus Bonds besteht. Außerdem haben wir einen 15 Milliarden Pfund schweren With-Profits-Fund (Pooling-Vehikel für Anlagen von Privatleuten, Anm. d. Red.), der als Multi-Asset-Fonds aufgesetzt ist, und einen Shareholder-Fonds mit sechs Milliarden Pfund Gesellschaftermitteln, der aus einer Kombination aus Aktien und Fixed Income besteht.
In welche Arten von Bonds ist Ihr Annuitätenportfolio investiert?
Die Verpflichtungen sind mit den Assets gematcht. Kunden geben uns ihr Geld, und wir zahlen ihnen bis zum Tod ein Einkommen. Es gibt für uns also kein Reinvestitions- oder Liquiditätsrisiko, dass die Leute das Produkt einlösen könnten. Das Portfolio besteht vorwiegend aus Corporate Bonds, die wiederum zu rund 40 Prozent aus Fremdwährung bestehen, wobei Dollar und Euro in Sterling gehedged sind. Auch alle Zins- und Inflationsrisiken sind abgesichert. Das Kreditrisiko nehmen wir. Das Portfolio ist so konstruiert, dass wir unseren Verpflichtungen auch dann noch nachkommen können, wenn wir das Geschäft einstellen.
Was befindet sich sonst noch im Portfolio?
Ergänzend haben wir Immobilien, Aktien, Loans und Private Placements einbezogen. Im Moment machen diese Assets etwa acht Prozent aus. Die Quote wollen wir aber erhöhen. Denn für uns bestehen praktisch keine Liquiditätsvorschriften für die Rückzahlung von Kundengeldern. Trotzdem haben wir die Verpflichtungen in der Vergangenheit mit einem liquiden Bondsportfolio unterlegt. Historisch gesehen hatten wir auf der Asset-Seite mehr Liquidität, als wir für unsere Kunden tatsächlich brauchten.
Im Ergebnis schauen Sie also jetzt nach illiquideren Investitionsmöglichkeiten?
Hauptsächlich schauen wir nach Infrastruktur-Debt, Property Sale and Lease-back sowie gewerblichen Immobilienkrediten. In der Natur dieser Investments liegt es, einen hochwertigen Mieter oder Kreditnehmer zu haben. Zugang erhalten wir hier durch unseren Fondsmanager Legal & General Investment Management. Manchmal arbeiten wir allerdings auch mit anderen Anbietern.
Im Bereich „Porperty Sale and Lease-back“ haben wir bereits einiges gemacht, wie zum Beispiel Build-to-Rent-Studentenwohnheime, Verteilerzentren mit renommierten Einzelhändlern und Gebäude, die an die lokale Regierung vermietet sind. Bei gewerblichen Krediten achten wir auf Kreditnehmer mit guter Qualität und konservative Konditionen. Auf dem Level, auf dem wir uns mit den Verleihungskonditionen bewegen, sind Banken nicht unterwegs.
Auch im Infrastrukturbereich haben wir schon einiges gemacht. Dabei handelte es sich um Private-Placement-Loans. Darüber hinaus haben wir uns bereits einige kleinere Transaktionen im Energiebereich sowie Krankenhäuser und Studentenwohnungen angeschaut, wobei wir in diesen Fällen das Debt für Private Equity angeboten haben. Alles basierte auf Sterling.
Versicherungen sind traditionell eher konservativ. Was hat Sie dazu veranlasst, einen Multi-Währungs-Ansatz zu fahren?
Das Multi-Currency-Portfolio wurde noch vor dem Crash aufgesetzt und war komplett in Sterling abgesichert. Wegen der Kreditkrise und aus einigen anderen Gründen brauchten wir eine neue Asset Allocation. Zum erstens: Derivate müssen jetzt zentral abgewickelt werden. Das heißt, für alle Derivate, die wir als Overlay oder zum Matchen unserer Assets gegenüber den Liabilities nutzen, müssen wir nun ein liquides Collateral zur Seite stellen, was Cash und Gilts beinhaltet. Die zweite Punkt ist: Wenn man ein Multi-Currency-Portfolio hat, das auf Sterling-Liabilities abgestimmt ist, und sich die Währungen verändern, muss man dieses in Ausgleich bringen. Weil Banken Kapital aus ihren Handelsbüchern abgezogen haben, ist die Geld- und Briefspanne bei allen Derivaten und Bonds nach oben gegangen, so dass die Kosten für das Rebalancing nach oben gegangen sind. Alles in allem kann man sagen: Ein Multi-Currency-Portfolio, das Derivate zum Absichern in Sterling nutzt, zieht signifikant höhere Friktionskosten nach sich als vor der Krise.
Hat die Einschränkung der Banken beim Kreditgeschäft Chancen kreiert?
Die Phrase, mit der wir unsere Strategie beschreiben, lautet wie folgt: zurück in die Zukunft. Schließlich handelt es sich dabei um das, was vor 20 bis 30 Jahren jeder gemacht hat, bevor die Verdrängung durch die Banken und deren Leverage-Strategien sowie Technologietransfers für den Asset-Kaufprozess kam. Jemand, der seit 40 Jahren in dem Geschäft tätig ist, würde wohl sagen: Was wir jetzt machen, war der traditionelle Weg, Dinge zu tun, nämlich Real Assets für reale Liabilities zu kaufen. Unsere Strategie wird illiquider, aber die damit erzielte Diversifikation ergibt sich durch den Zugriff auf Asset-Klassen, die in der Vergangenheit nicht im Markt waren, weil Banken sie hielten.
Wonach schauen Sie genau?
Wir suchen Assets mit langfristigen, planbaren Cashflows. Das beinhaltet Immobilien mit lang laufenden Mietverträgen und starken Mietern sowie Aktien von Unternehmen mit langfristig stabilem Charakter. Wir suchen nach einer verbesserten, langfristig risikoadjustierten Rendite. Wir wollen Planbarkeit und eine bessere Rendite. Das Motto unseres Annuitätenportfolios würden wir als institutionelles Investment mit 20- bis 30-jährigem Zeithorizont charakterisieren, das zunehmend direkte Investments tätigt statt in täglich handelbare Assets zu gehen.
Gehen Sie davon aus, dass Versicherungen insgesamt wagemutiger werden, was ihr Illiquiditäts-Exposure angeht?
Ich denke, Annuity Funds könnten für das Halten eines weniger liquiden Portfolios besser belohnt werden. Sie sind die natürliche Heimat für illiquide Portfolios, denn sie halten Assets, um über einen langen Zeitraum Erträge auszuschütten. Auf der anderen Seite haben Banken diese Assets früher gekauft, indem sie sich kurz finanzierten und langfristige Assets kauften. Das hat sich gewandelt, als die Krise aufkam und Banken mit Liquidität vollgepumpt werden mussten, um diese Assets zu halten. Jetzt haben die Banken diese Assets an Investoren verkauft, die diese in erster Linie hätten haben sollen.
Wenn wir diesen Schritt hin zu illiquiden Investments im Hinterkopf behalten, was halten Sie von dem Vorschlag des Minister of State for Pension, Steve Webb, den Leuten den Wechsel von Annuities zu erlauben?
Wenn Kunden die Möglichkeit haben, ihre Portfolien einzulösen, müssten wir eine Asset-Strategie fahren, die dafür liquide genug ist. Den Kunden, die ihr Portfolio übertragen, könnten wir entweder Cash geben, das sie dann woanders hinbringen, oder wir geben ihnen die Assets.
In der Realität wären die tatsächlichen Kosten für diese übertragbaren Annuities derart, dass wir keinerlei illiquide Assets mehr in unseren Portfolios halten können und die Kunden für die nächsten Jahre somit unter drei Prozent verdienen. Denn das Portfolio wäre in Gilts und andere Dinge, die transferierbar sind, investiert.
Was sind die Herausforderungen, wenn man in illiquide Investments geht? Bereitet die Regulierung, zum Beispiel Solvency II, Sorgen?
Solvency II entwickelt sich immer noch. Die Auslegungen seitens Eiopa, welche Assets geeignet sind und welche Kapitalanforderungen damit verbunden sind, sind der Schlüssel. Das wird wichtig sein in Bezug auf die Beurteilung, ob etwas eine gute Kapitalrendite bringt oder nicht. Wir haben immer noch kein hohes Maß an Gewissheit, wie ein Asset, das wir 30 Jahre halten, behandelt wird. Die Eignungsprüfung, was man aufnehmen kann, ist noch am Entstehen und wird einen großen Einfluss darauf haben, ob wir in der Lage sein werden, Immobilien, Aktien und andere Dinge im Portfolio zu halten.
Darüber hinaus brauchen Direktinvestments im Gegensatz zu täglich handelbaren Investments eine große Menge an Ressourcen; der Due-Diligence-Prozess kann steuerliche, rechtliche und andere Aspekte beinhalten, und man braucht eine größere Übersicht, weil man sonst keine Marktkontrolle und Balance hat. Es gibt nur wenige Versicherungen, die sich diese Ressourcen leisten können. Kleine Versicherer werden zu kämpfen haben, um ihre Kosten zu decken. Das endet damit, dass Direktinvestments das Privileg einer kleinen Anzahl an großen Playern sein wird. Die Herausforderung ist: Um kleineren Pensionsfonds und Versicherungen Zugang zu bieten, muss man ein Asset-Manager-Modell schaffen statt in erster Linie Direktinvestments anzubieten.
Wir glauben, dass das eine Gelegenheit für Legal & General ist, weil wir 300 Milliarden Pfund an britischen Pensionsgeldern halten, die langfristig einen Weg des De-risiking gehen und sich aus Aktien hinein in LDI, Bonds und Real Assets bewegen. Die meisten Unternehmen verfügen nicht wie wir über die Kombination aus einem Pensions- und einem Asset-Management-Angebot. Für uns besteht hier ein echter Synergievorteil.
Noch mal: Ist es also ein Schritt in eine Lücke, die Banken hinterlassen haben?
Wir glauben, dass Banken in Europa wegen Basel III kämpfen müssen, um ihr früheres Finanzierungslevel auch in der Zukunft anzubieten. Der Asset-Management-Branche wurde dieser Schritt bisher nicht vermittelt, es sind hauptsächlich Versicherungen wie wir, die das auf Principal-Basis machen. Wir würden nicht sagen, dass wir in etwas hineingehen, was Banken machen. Schatten-Banking wäre, wenn ein Asset Manager sich mit Dingen beschäftigt, die zu den Kernaktivitäten einer Bank zählen. Aber langfristige Ausleihungen sind nicht wirklich das Kerngeschäft von Banken. Ein Unterschied ist, dass es beim Asset Management früher um Trading ging, doch das ist teurer geworden.
Allerdings entwickeln wir ein langfristiges Buy-and-Hold-Asset-Management-Modell. Das entspricht dem Buy-and-Hold-Asset-Management-Modell, das in den USA gut etabliert ist, aber noch nicht in Europa. Zur Jahrhundertwende gehörten rund 20 bis 30 Prozent des privaten Vermietungssektors in Großbritannien Versicherungsunternehmen, jetzt sind es zwei bis drei Prozent, weil diese Versicherungsunternehmen in täglich handelbare Assets ausgegangen sind, was im US-Markt nicht wirklich geschehen ist.
Ist der Inflationshedge dieser Assets eine Grundvoraussetzung?
Nicht unbedingt, aber für viele Darlehensnehmer ist es attraktiv, weil ihre Einnahmen eng an die Inflation gekoppelt sind. Wenn sie mieten oder ihre Schulden auf einer Basis zahlen können, die eng mit ihren Cashflows abgestimmt sind, baut das ihr Risiko ab. Außerdem ist es das, was wir für unsere Pensions brauchen. In der Vergangenheit hätten Banken ein Asset wie dieses gekauft und einen Libor-RPI-Swap (Retail Prices Index) gemacht, um das Funding der Bank zu matchen. Und dann hätten sie diesen Swap an jemanden wie uns verkauft. Das ist also nicht neu, es wird nur nicht mehr über Derivate gemacht.
Wie passt die Aktienkomponente des Portfolios zu einem Investor wie Ihnen?
Mit ihrer relativen Bewertung wären Aktien, insbesondere solche mit attraktiven Dividenden, eine natürliche Heimat für langfristige Investoren, speziell Infrastrukturaktien. Wir würden gerne einen Weg finden, um unsere Kunden hieran partizipieren zu lassen. Aber das ist der Punkt, bei dem wir auf Solvency II achten müssen, das Assets langfristiger Geschäfte in eine rentenähnlichere Ausprägung drängt.
Wie stellen Sie eigentlich sicher, dass das Risiko in Ihrem Portfolio angemessen kontrolliert wird?
Wir arbeiten mit einer Kombination aus herkömmlichen Derivaten, mit denen wir das Zins-, Inflations- und Währungsrisiko hedgen. Die Kreditrisiken sichern wir hingegen nicht ab, weil die dafür anfallenden Kosten die Risikoprämie, die wir einsammeln wollen, aufzehren würde. In der Praxis hat sich über die Zeit gezeigt, dass Assets, egal ob sie als liquide oder illiquide gekennzeichnet waren, handelbar sind. Deshalb überprüfen wir regelmäßig die Zusammensetzung und die aufkommenden Risiken im Portfolio und führen jeden Monat eine Bottom-up- und eine Top-down-Analyse durch. Wir handeln gegebenenfalls über langfristige Horizonte und starten Asset-Management-Programme, die Monate oder Jahre andauern können, weil wir unsere risikoadjustierte Rendite aktiv zu verbessern versuchen.
Wie weit ist L&G in Bezug auf die bevorstehende Regulierung zum Clearing von außerbörslich gehandelten Derivaten?
Wir lassen die Liquidität außen vor und führen gerade Prozesse für das Central Clearing ein, als ob es uns sofort auferlegt worden wäre. Deshalb brauchen wir nicht irgendwelche Veränderungen in unserem Portfolio vorzunehmen, falls die Regulierung unverzüglich verhängt wird. Es gibt Gespräche von Pensionsfonds über Ausnahmeregelungen, aber wir sind auf das Schlimmste vorbereitet.
Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Liabilities gematcht sind?
Wir erstellen ein Profil der projizierten Verbindlichkeiten, in dem wir die Demografie unserer Kunden abdecken. Und wir projizieren, wie der Asset-Cashflow unseres Erachtens aussehen wird. Das vergleichen wir dann miteinander. Wir haben einen anspruchsvollen Ansatz entwickelt, um uns selbst zu bestrafen, wenn die projizierten Liabilities und Asset-Cashflows nicht aufeinander abgestimmt sind.
Je besser wir gematcht sind, desto besser ist unsere Kapitalbasis. Hier spielt unser regulatorischer Hintergrund eine Rolle. Das ist ein Unterschied zu Pensionsfonds, die keine regulatorische Kosten haben bei einem Mismatch.
portfolio institutionell, Ausgabe 6/2014
Autoren: Sebastian Cheek In Verbindung stehende Artikel:
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