Strategien
28. August 2015

Zu schön, um wahr zu sein

Investoren können regelmäßig aus neuen Anlagestrategien wählen, die in Backtests einen guten Eindruck hinterlassen haben. In Anlehnung an seine Untersuchungen stellt Professor Campbell Harvey jedoch fest, dass mehr als die Hälfte der empirischen Forschungsergebnisse ­wahrscheinlich falsch sind, wie er im Interview erklärt.

Wie hoch ist denn aus Ihrer Sicht die Qualität der zahlreichen Studien, die in den ­einschlägigen akademischen Finanz­magazinen veröffentlicht werden?
In Anlehnung an meine Untersuchungen stelle ich fest, dass mehr als die Hälfte der empirischen Forschungsergebnisse ­wahrscheinlich falsch sind! Gleichwohl werden­ sie in den von Ihnen erwähnten akademischen­ Journalen veröffentlicht. Das bedeutet, dass mehr als die Hälfte der ­Ergebnisse nicht wiederholbar sind. Und es bedeutet, dass die darauf basierenden Anlage­produkte wahrscheinlich ebenfalls falsch ­liegen. Sehen Sie, zahlreiche der heute angebotenen ­Finanzprodukte basieren auf dieser akade­mischen Forschung. Das ist ein wich­tiger ­Aspekt.

Ist das Ihre Meinung oder haben Sie auch ­Beweise für Ihre Argumentation vorzu­weisen?
Meine Aussagen basieren auf mathematischen Statistiken, wenn sie richtig ausgeführt werden. Es ist also nicht bloß eine ­Meinung.

Sollten viele der existierenden Anlage­produkte vom Markt verschwinden?
Nun, das ist ein Grund, weshalb ich nicht attackiert werde. Denn speziell in der Finanzbranche erwartet man doch, dass Anlagestrategien wiederholbar sind. Als Anbieter ­verkaufen Sie Ihrem Kunden etwas und Sie versprechen etwas. Und ist es nicht so, dass man als Anbieter nicht auch liefern möchte, was man versprochen hat. Denn wenn Sie nicht liefern, dann ist Ihr Ruf beschädigt. Das wiederum heißt, dass Sie Ihr angestrebtes Ziel beim Kapitalanlagevolumen verfehlen. Sie verdienen demnach auch nicht so viele Gebühren auf die Investments, die Sie am Markt vertrieben haben.

Mit anderen Worten ist es also im Interesse der Anbieter, wenn anhand von Standards die maximale Wiederholbarkeit vergangener ­Performance sichergestellt wird?
Ja! Das ist konsistent mit ihrem Geschäftsmodell. Und das ist auch ein weiterer Grund, weshalb sie meiner Arbeit nicht ­kritisch gegenüberstehen. Das Gegenteil ist der Fall, sie begrüßen meine Arbeit. ­Manches Unternehmen hat bereits meine Richtlinien übernommen.

Wie schätzen Sie die Erklärungskraft sogenannter Backtests ein?
Das ist genau das Zentrum meiner ­Forschungen. Wenn man historische Backtests betrachtet, dann habe ich die Erfahrung gemacht, dass sowohl Akademiker als auch ­Finanzpraktiker keine Regel anwenden, die streng genug ist, um zu bestimmen, ob eine Investmentthese valide ist oder nicht.
Meine Forschung schlägt eine alternative Methode vor, mit dem Ziel, Investment-­Performance wiederholbar zu machen. Wieder­holbarkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass auf der Basis der Ergebnisse ­historischer Backtests die höchstmögliche Chance besteht, dass sie sich in der Zukunft wiederholen.

Wenn Investoren eine neue Anlagestrategie beurteilen sollen, ist es doch sicher üblich, dass sie hinterfragen, wie sich die Strategie in der Vergangenheit geschlagen hätte. Sehe ich das richtig?
Genauso ist es. Ein Forscher hat eine Idee. Ein Investment-Management-Unternehmen prüft diese und fertigt eine histo­rische Simulation an, wie die Idee in der ­Vergangenheit abgeschnitten hätte. Häufig werden viele verschiedene dieser Ideen und ­unterschiedliche historische Simulationen berücksichtigt. Bei diesen historischen Simulationen spricht man von Backtests oder Rückvergleichen.

Wie geht es in dem von Ihnen geschilderten Fall weiter?
Das Unternehmen wählt eine der Strategien aus. Diese wird dann für gewöhnlich ­einem Investor präsentiert. Dieser schaut sich die historische Simulation an. Kommt der Anleger zu dem Schluss, dass ihn die ­Ergebnisse aus dem Backtest beeindrucken, kann es vorkommen, dass er der betreffenden Strategie einen Teil seiner Gelder ­zuweist.
Im Ergebnis heißt das, Backtests sind ­einerseits für den Research-Prozess beim Investment-Management-Unternehmen wichtig. Andererseits bilden sie eine wichtige ­Basis für die Anlageentscheidung eines ­Investors, wenn es darum geht, die Wirksamkeit einer neuen Anlageidee zu prüfen.

Sie sagen also, Backtests sind wichtig. Doch worin liegen ihre Risiken?
Nehmen wir mal an, Ihnen wird eine ­solche historische Simulation einer neuen Anlageidee präsentiert. Sie unterliegen dann einem Dilemma: Sie könnten vermuten, dass vorab zahlreiche verschiedene Strategien analysiert worden sind und Ihnen nur das bestmögliche Ergebnis vorgestellt wird. Sie wissen nicht, ob es ein Glückstreffer ist und sein Erfolg in der Zukunft wiederholbar ist. Gleichwohl könnte es sich um eine sehr gute Anlageidee handeln.

Was soll man in einem solchen Fall als ­Investor tun?
Im Idealfall liegen Ihnen nicht nur die historischen Simulationen vor, sondern auch ein tatsächlicher Track Record der Investment-Performance. Falls nicht, müssen Sie Zeit mitbringen und warten. Die wirkliche Frage lautet daher: Treffen Sie Ihre Entscheidung anhand historischer Simulationen oder warten Sie einige Jahre, um Vertrauen zu entwickeln, dass die Idee auch wirklich gut ist? Sollten Sie sich fürs Warten entscheiden, ist das allerdings mitunter problematisch. Denn eine zunächst wirklich gute Idee könnte im Laufe der Zeit verblassen.

Welche Rolle spielen Transaktionskosten? Bei manchen Anlageklassen sind sie in den vergangenen Jahrzehnten drastisch gesunken.
Wenn man eine Investmentstrategie ­anhand von Backtests analysiert, ist es ­unerlässlich, die Transaktionskosten zu ­berücksichtigen. Andernfalls kann das zu schwerwiegenden Fehlern führen.

Stimmt es eigentlich, dass oft hunderte von Anlagestrategien analysiert werden und nur jene mit dem besten Backtest berücksichtigt wird?
Ja, und tatsächlich könnte der beste ­Backtest in zweifacher Hinsicht auf Glück basieren: Einerseits wenn es um die Gesamt-Performance geht und andererseits im ­Hinblick auf eine vergleichsweise niedrige Risikorealisierung, wie sie sich etwa in ­moderaten Drawdowns widerspiegelt.
Sollten Sie eine solche Strategie auswählen, ­besteht eine nur geringe Chance, dass sich die gute Performance, gepaart mit ­moderater Volatilität, in der Zukunft wiederholt. Stattdessen haben Sie es womöglich mit ­einer schwachen Performance und über­raschend hohen Kursrückschlägen zu tun.

Professor Harvey, Sie haben unter anderem eine Studie veröffentlicht, die den Titel „­Backtesting“ trägt. Darin habe ich gelesen, dass es üblich ist, die Sharpe Ratio eines historischen Backtests zu diskontieren. Was heißt das genau?
Der Grund, weshalb man die Sharpe ­Ratio einer Anlageidee auf Basis historischer Backtests mit einem Haircut versieht, liegt im „Data Mining“ begründet. Es ist doch so, dass die Anleger dem Zähler in der Formel für die Sharpe Ratio, der Überrendite, nicht glauben. Deshalb ist es Routine, die Sharpe Ratio zu beschneiden. Damit trägt man der Tatsache Rechnung, dass ein Teil der versprochenen Performance wahrscheinlich nur aus purem Glück resultiert.
Eine Faustregel in der Investment­branche besagt, dass man die Sharpe Ratio auf Basis historischer Backtests um 50 Prozent kürzt. Mein Forschungspapier wiederum zeigt, dass diese Regel fehlerhaft ist. Meine Unter­suchungen zeigen, dass der anzuwendende Haircut prozentual bei einer sehr hohen Sharpe Ratio viel kleiner sein sollte im Vergleich mit einem Haircut, den man bei einer Strategie mit einer kleinen oder marginalen Sharpe Ratio ansetzt. Die Intention dahinter ist klar. Zeigt eine Strategie eine sehr hohe Sharpe Ratio, dann ist sie wahrscheinlich das Ergebnis einer stichhaltigen Investment­these. Ist die Sharpe Ratio dagegen eher marginal, dann lässt sich nur schwer sagen, ob die Strategie valide ist oder nur das Ergebnis von Glück in den historischen Daten.

Bei marginalen Sharpe Ratios plädieren Sie also für einen großen Haircut. Was raten Sie unseren Lesern noch?
Es ist essenziell, dass der Investor das Investment-Management-Unternehmen dazu veranlasst, das jeweilige Forschungsprotokoll zugänglich zu machen und über die konkreten Schritte zu informieren, die das Unternehmen absolviert hat, um die Fallen zu ­umgehen, die mit dem sogenannten Data Mining einhergehen.

Im Rahmen Ihrer Präsentation bei der jüngsten­ ­Uhlenbruch-Jahrestagung Portfolio­management Anfang Juni zeigten Sie das ­Ergebnis einer äußerst bemerkenswerten Strategie in der Zeit zwischen 2004 und 2015. Was hatte es damit auf sich?
Das war ein Beispiel, das ich bei einem Seminar bei Man AHL zum Thema Backtesting ausgeführt habe. Die Performance der vermeintlichen Strategie war eindrucksvoll, sie stieg fast jedes Jahr, und das auch während der globalen Finanzkrise.

Wieso vermeintlich?
Ich habe einfach einen Zufallsgenerator genommen und die durchschnittliche ­Rendite so adjustiert, dass sie auf null liegt. Manche der dabei generierten Performance-Verläufe waren extrem negativ. Nur den aller­besten habe ich offengelegt. Das heißt, Sie ­können eine solche Zufallsstrategie als eine Strategie betrachten, die von ihrer Konstruktion her keine ‚Fähigkeiten‘ enthält.

Wenn man nur genug Strategien simuliert, wird schon eine dabei sein, die richtig gut aussieht.
Demzufolge muss ein Investor sehr sorgsam sein. Viele der Strategien, die ihm im Laufe seines Berufslebens womöglich gezeigt werden, sehen nur aus Zufall gut aus. Investoren stehen bei sorgfältiger Prüfung aber viele Werkzeuge zur Verfügung, um die ­Gefahr zu minimieren, einer Strategie aufzusitzen, die nur aus Glück gut aussieht. Eine der grundlegenden Fragen an den ­Anbieter muss darauf abzielen, ihn nach seinem ­Research-Protokoll zu fragen und zu ­ergründen, wie er die Gefahren des Data ­Mining minimiert.

Das Sammeln und Auswerten gigantischer Datenmengen, beispielsweise für Investmentzwecke oder die medizinische Forschung, ist doch etwas Gutes und Nütz­liches.
Nun, es spricht überhaupt nichts gegen Data Mining, solange es einwandfrei umgesetzt wird. Denn Data Mining geht eben auch mit Gefahren einher. Angenommen, Sie ­hinterfragen tausend verschiedene ökonomischer Variablen, um damit Aktien zu selektieren. Einige dieser Variablen werden aber schon aus purem Zufall gewisse Korrelationen aufweisen. Der richtige Umgang mit ­Data Mining besteht deshalb darin, diese ­Erkenntnis zu berücksichtigen.
Insofern müssen Sie die Regeln anpassen, um eine Ihrer Entdeckungen auch als wahr zu erklären. Sie müssen den zugrundeliegenden Schwellenwert erhöhen. Viel zu oft wird das in der Praxis nicht gemacht. Und ­genau darin liegt eine Gefahr. Sie könnten beispielsweise sagen, dass eine Korrelation von zehn oder 20 Prozent schlichtweg nicht gut genug ist, um einen Zusammenhang zwischen der betreffenden ökonomischen Variablen und dem Aktienkurs zu belegen. Der Schwellenwert muss allein schon deshalb hoch sein, damit Sie im Data Mining nicht aus Zufall viele dieser schwachen Zusammenhänge finden.

Wie kann man sagen, ob ein Zusammenhang stark oder schwach ist?
In meinem Forschungspapier stelle ich die altbekannte Zwei-Sigma-Schwelle der Drei-Sigma-Schwelle gegenüber. Zwei Sigma bedeutet, dass der erwartete Return zwei Standardabweichungen von null entfernt ist. In herkömmlichen Test würde man dann bei der Korrelation von einem Konfidenzniveau von 95 Prozent ausgehen. Diese Heran­gehensweise ist jedoch nur dann angemessen, wenn man eine einzelne Strategie analysiert. Die Statistiken sind aber ungeeignet, wenn Sie beim Versuch, die Entwicklung des Dax vorherzusagen, tausend Variablen analysieren. Der erforderliche Schwellenwert oder die Zahl der Sigmas hängt von der Anzahl der Variablen ab, die Sie hinterfragen. Angenommen, sie analysieren 500 Variablen, dann sprechen wir von drei Sigmas. Sollten es 1.000 sein, dann sollten wir über dreieinhalb oder vier Sigmas sprechen.

Rund um den Globus beschäftigen sich Investoren mit Korrelationen, Strategien und Data Mining. Ergo wird der Raum für neue Taktiken kleiner. Wo führt uns das noch hin?
Sie haben recht. Deshalb sollte auch der Schwellenwert nach oben gesetzt werden, ­bevor man einen neuen Faktor oder eine neue Strategie für profitabel erklärt. Wenn das nicht geschieht, werden Investoren enttäuscht sein.

Sie haben auch ein Strategiepapier veröffentlicht, dass den Namen „Lucky Factors“ trägt. Worum geht es?
Faktor-Investing ist sehr populär. Meine Untersuchungen zeigen, dass bereits 315 ­Faktoren in der akademischen Literatur ­vorgeschlagen und getestet wurden. Sie ­zeigen aber auch, dass mehr als die Hälfte der Faktoren nicht als wahr erklärt worden wären, wenn man die statistischen Methoden bei der ­Evaluierung der Performance korrekt angewendet hätte.
Dieser Aspekt ist überaus relevant, wenn man sich die starke Ausbreitung von Indexfonds und des faktorbasierten Investierens vor Augen führt. Ich würde sagen, dass mehr als die Hälfte der Investmentprodukte, die eine­ Outperformance versprechen, wahrscheinlich falsch liegen. Dies ist nur eine ­Extrapolation meiner Forschung.

Kann es vorkommen, dass Forscher bei der Analyse neuer Strategien nicht alle Erkenntnisse veröffentlichen?
Das ist ein gewaltiges Problem. Häufig werden hunderte Strategien ausprobiert und lediglich eine oder zwei präsentiert. Wenn jedoch so viele Strategien im Verborgenen bleiben,­ fällt es schwer, Vertrauen in diejenige­ zu fassen, in die man letztlich investieren soll. Hier ist die Entwicklung eines Research-­Protokolls unbedingt erforderlich, um das Investment-­Management-Unternehmen so zu zwingen, jede Strategie auch zu protokolieren. Bleiben manche verborgen, dann ist es sehr schwierig, angemessene ­statistische Anpassungen vorzunehmen, um eine neue Strategie ­beurteilen zu können.

Besteht die Möglichkeit, dass Forscher bestimmte­ historische Zeitperioden außen vor lassen, wenn sie Backtests anstellen?
Das ist ebenfalls ein ernstes Problem. Forscher könnten eine bestimmte Zeit­spanne auswählen und dabei etwa die globale ­Finanzkrise außen vor lassen.
Aber diese ­Krise ist Teil unserer Geschichte.­ Und in der Vergangenheit gab es zahlreiche Krisen. Würde­ man diese Episoden ausklammern, wäre das in etwa so, als würde man behaupten, dass es nie wieder eine­ Finanzkrise geben wird. Das wäre einfach töricht.

Und können Forscher bestimmte Arten von Filtern einsetzen, um die Auswahl zu manipulieren beziehungsweise zu zensieren?
Auch das ist eine Methode, um Daten zu manipulieren und die Chancen zu erhöhen, dass historische Backtests gut aussehen. Für einige Forscher ist es durchaus Routine, sehr einflussreiche Beobachtungen, sogenannte Outlier, bei der Bewertung einer Strategie außen­ vor zu lassen.
Falls es ein Problem mit den Daten geben sollte, ich denke hier beispielsweise an Fehler in der Berichterstattung, dann plädiere ich dafür, die Beobachtungen gänzlich außen vor zu lassen. Sollte es sich allerdings um eine tatsächliche Beobachtung handeln, wie beispielsweise­ die erhebliche Veränderung beim Wechselkurs zwischen dem Schweizer Franken und dem Euro, wie wir sie im ­Januar dieses Jahres gesehen haben, dann plädiere ich allerdings nicht dafür, diese Beobachtung ­außen vor zu lassen. Denn eine solche wirtschaft­liche Episode könnte immer wieder vorkommen. Und es gibt keinen Grund, wichtige Ereignisse selektiv nicht zu
erücksichtigen. Das käme einer Zensierung von Daten gleich.

Je mehr Zahlen in einen Backtest einfließen, umso besser ist ihre Aussagekraft.
Je härter Ihre Fragen als Investor sind, die Sie einem Asset Manager zu Beginn ­stellen, wenn Sie auf Backtests blicken, desto höher sind die Chancen, dass die Performance im Backtest in der Zukunft wiederholt werden kann. Alles dreht sich um die ­Wiederholbarkeit. Das ist das Schlüsselwort. Was Sie kaufen, ist, was Sie zu bekommen hoffen. Und das ist es, was wir Anleger möchten. Wir möchten eben nicht, dass uns ein Produkt verkauft wird, das einen hohen ­Return verspricht, dann aber mit einer Null oder sogar einem negativen Return enttäuscht. 
Professor Harvey, auf Ihrer Homepage listen Sie Dutzende Ihrer Studien auf. Darüber hinaus­ geben Sie einen Überblick über Ihre ­Bücher, Monografien, Ehrungen und Präsentationen.­ Sie scheinen in Ihrer Arbeit aufzugehen. 
Ich interessiere mich für zahlreiche ­Themen. Das betrifft meine Forschungs-, und auch meine Lehrtätigkeit. Ich mag es, wenn Research innovativ ist. Und ich ver­suche meinen Studenten klarzumachen, dass sie sich für die Zukunft rüsten müssen. Schließlich ist es einfach, ein Buch zu lesen, das mir etwas über die Vergangenheit sagt. Es ist jedoch eine viel größere Herausforderung, sich auf die Zukunft zu konzentrieren. 

Sie haben bereits ein vielfältiges Aufgabenspektrum. Am 4. Januar 2016 werden Sie auch die Präsidentschaft der American ­Finance Association übernehmen. Haben Sie sich Ziele gesetzt, die Sie erreichen möchten, wenn Sie an der Spitze dieser akademischen Organisation stehen? 
Genau genommen, habe ich für meine Präsidentschaft mehrere Themen auf der Agenda. Eines meiner Ziele besteht darin, sogenannte­ Research-Leitlinien zu etablieren. Sie sollen die Chancen erhöhen, dass die in den wissenschaftlichen Finanzmagazinen veröffentlichten Forschungsergebnisse wiederholbar sind – und eben keine reinen Glückstreffer. 
Ich hoffe, dass diese Richtlinien von der Finanzbranche übernommen werden. Derzeit gibt es zwar schon Richtlinien der American Statistical Association, vorgeschlagen im Jahr 1999. Bedauerlicherweise sind nur sehr wenige Fachkräfte in der akademischen Finanzforschung und in der Finanzbranche damit vertraut. 

Campbell Harvey, er selbst nennt sich gern Cam, zählt zu den wichtigsten Kapitalmarktforschern der Gegenwart. Er forscht und lehrt an der angesehenen Duke University in North Carolina. Die Öffentlichkeit lässt der US-Wissenschaftler im Blog „Garden of Econ“ an den Früchten seiner Arbeit teilhaben – ein Wortspiel auf den biblischen „Garten Eden“. Den Brückenschlag vom Paradies zur Praxis leistet Harvey unter anderem als Investment ­Strategy Advisor der Man Group, des weltgrößten börsennotierten Hedgefonds-Anbieters. Unlängst stand Harvey bei der Uhlenbruch-Jahrestagung Portfoliomanagement in Frankfurt am Main im Rampenlicht. Dort hielt er nach Einschätzung des Publikums den wohl besten Vortrag der Konferenz. Für das Interview nahm sich der Professor of Finance viel Zeit. Zeit genug, um ­institutionellen Investoren wertvolle Tipps für das Tagesgeschäft mit auf den Weg zu geben. 

portfolio institutionell, Ausgabe 8/2015

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