7. Juni 2012

Zu Risiken und Nebenwirkungen von Beteiligungen

Risikomanagement wird bei Private Equity bislang vor allem qualitativ betrieben. Eine quantitative Bottom-­up-Lösung hat nun die Managementhochschule HEC entwickelt und ihre Berechnungen zum Value at Risk auf dem portfolio­- Fachforum vorgestellt. Außerdem zeigte Bfinance, welche Risiken bei Infrastrukturinvestments zu beachten sind.

Institutionelle Investoren stehen vor dem Dilemma, im aktuellen Kapitalmarktumfeld stabile und kalkulierbare Cashflows erzielen zu müssen. Traditionelle Anlagen wie Anleihen werden wichtig bleiben. Um aber auf Renditen zu kommen, die den Rechnungszins abdecken, werden Anleihen bei anhaltender Niedrigzinsphase kaum mehr ­ausreichen. Auf der Suche nach alternativen Renditequellen­ rücken deshalb immer stärker alternative Anlagen, wie Private Equity und ­Infrastruktur, in den Fokus der Investoren. Laut einer Studie­ der HEC School of Management in Paris aus dem vergangenen Jahr erzielten Private-Equity-­Investments im Schnitt über die vergangenen drei Jahrzehnte gegenüber Aktien eine Outperformance von fünf Prozentpunkten. Je schwieriger die Konjunkturlage wurde, desto besser stand die Beteiligungsbranche da: In Rezessionsphasen kam ein Alpha von 18 Prozentpunkten zustande. Allerdings: Wenn es an den Aktienmärkten bergauf ging, erreichte Private Equity keine Outperformance.  

Beteiligungen sind nicht risikolos. Risikokennzahlen und damit ein Risikomanagement, wie es zum Beispiel bei Aktienanlagen üblich ist, sind jedoch weitgehend unbekannt. Das liegt in der Natur der Sache,­ denn ohne laufende Bewertung und Liquidität fällt ein Risikomanagement, wie man es aus anderen Anlageklassen kennt, schwer. Also wird Risikomanagement bisher vor allem qualitativ betrieben. „Qualitative Risiken lassen sich mit gesundem Menschenverstand angehen, bei quantitativen­ Risiken braucht man mehr Hintergrund und Aufwand“, bemerkte­ Oliver Gottschalg, Professor an der HEC Paris, während seines­ Workshops auf dem portfolio-Fachforum, den er gemein­sam mit Dr. Bernd Kreuter von Palladio Partners abhielt. „Die Anlageklasse an sich hat Eigenschaften, die nicht immer ganz mit den Grund­annahmen verschiedener finanzmathematischer Modelle übereinstimmen. In der Regel braucht man lange Zeitreihen aus der Vergangenheit­ und Informationen darüber, wie sich bestimmte Werte historisch entwickelt haben. Bei Private Equity hat man hier Probleme“,­ so Gottschalg.

Die etablierten Top-down-Ansätze erscheinen ihm deshalb nicht als der beste Weg, um die quantitativen Risiken von Private Equity zu ­bestimmen. An der Verwendung eines börsennotierten Proxys,­ wie dem LPX 50, kritisiert er: „Der Index ist nicht repräsentativ.­ Alles, was börsen­notiert ist, hat nicht viel damit zu tun, was sich gemeinhin in Private-­Equity-Portfolios befindet.“ Auch einen Top-down-Ansatz, bei dem Zeitreihen auf Basis von Performance-Daten von Private-Equity-Fonds konstruiert werden, hält Gottschalg für den falschen Weg. Das Problem sei zum einen die darin enthaltene Autokorrelation. Zum ­anderen würden die verfügbaren Datenbanken eine signifikante Anzahl sehr alter Fonds aufweisen, für die aus der Vergangenheit keine Mark-to-Market-Bewertungen vorliegen. „Die Quartalszahlen reflektieren den NAV historisch als Einstiegspreis. Das heißt, der NAV der Zielunternehmung reflektiert nicht die Fluktuation des wahrschein­lichen Unternehmenswertes zum Zeitpunkt X“, erläutert Gottschalg.

_Abgeschaut bei den Volkswirten

Aufgrund dieser Probleme plädiert der HEC-Professor dafür, nicht mit Top-down-Ansätzen und herkömmlichen finanzmathematischen Modellen zu arbeiten, sondern bottom-up. Anstatt jedoch auf bereits etablierte Vorgehensweisen zurückzugreifen, hat er einen neuen Ansatz entwickelt, der auf den historischen Informationen zu über 7.000 Einzeltransaktionen aus der HEC-Datenbank basiert und an eine Methode­ aus der Volkswirtschaft angelehnt ist, der sogenannten Lorenz­kurve. „Volkswirte schauen sich an, wie der Wohlstand und das Einkommen in einer Volkswirtschaft verteilt sind. Sie stellen das der Reihe­ nach auf von der ärmsten bis zur vermögendsten Person. Dann zählen sie, wie sich das Vermögen insgesamt entwickelt“, erläutert Gottschalg die Lorenzkurve. Hätten alle Personen einer Volks­wirtschaft dasselbe Vermögen, ergäbe sich eine 45-Grad-Linie. „Die gleiche Logik wenden wir nun auf Private Equity an. Wir sortieren­ Fonds anhand ihres Beitrags zur Gesamtwertschöpfung des Portfolios“,­ erklärt der Professor.­ Auf das gesamte Private-­Equity-Portfolio der HEC-Datenbank angewandt, entsteht folgendes Ergebnis: Etwa zehn Prozent des Universums sind „Geldvernichter“, dann gibt es einen langen Bereich,­ in dem nicht viel passiert, und am Ende gibt es schließlich ein paar wenige Fonds mit exponentiellem Wachstum.

In einem nächsten Schritt haben Gottschalg und seine Kollegen von der HEC School of Management aus der Lorenzkurve den Value at Risk abgeleitet: „Wir haben uns die Transaktionen angeschaut und berechnet, wie die durchschnittliche Entwicklung ist. Wir haben gemessen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Deal in einem bestimmten Jahr realisiert wird und mit welcher Wahrscheinlichkeit sich dann der NAV bei der Realisierung nach oben oder unten bewegt“, erläutert Gottschalg. „Mit diesen Daten bestückt, kann man sich tatsächlich anschauen, wie sich der Value at Risk im Lebens­zyklus eines Portfolios verhält“, führt er aus. Die Erkenntnis: In einem­ einzelnen Fonds ist der Value at Risk zu Anfang relativ niedrig, weil die Investition noch jung ist und sich nur wenig tut. Im späten Zeitraum des Lebenszyklus eines Fonds nimmt der Value at Risk stark zu und erreicht Werte von 60, 70 Prozent. Allerdings ist dabei zu beachten, dass diese­ Prozentwerte auf ein nur noch geringes investiertes Kapital bezogen sind.

Das Risiko bei Private Equity verändert sich offenbar mit der Zeit. Die weithin verbreitete Ansicht, dass Private Equity für hohes Risiko und hohe Rendite steht, scheint nicht zu stimmen. Dass dem nicht so ist, unterstrich auch Dr. Bernd Kreuter von Palladio Partners im zweiten­ Teil des Workshops. „Es gibt eine Art Cost-Averaging“, so der Consultant. In den ersten vier Jahren werde ständig neu investiert. Die Beteiligungen werden nach Fremdkapital zu Anschaffungskosten gehalten­ und entwickeln sich in den Folgejahren nicht dramatisch nach unten oder oben. „Bis zum Jahr sechs habe ich ein recht geringes Risiko­ bei steigenden Renditen“, sagt Kreuter. Danach gehen die Renditen­ nach unten. „Das liegt daran, dass die schlechten Deals am längsten im Portfolio bleiben“, begründet er. Insofern gehe das Risiko­ im Einzelfonds sehr stark nach oben. Bei einer langfristigen Investitions­strategie, wie zum Beispiel sporadischen Investments, sehe­ es deutlich besser aus. „Man ist vom Risiko anfänglich zwar etwas­ höher, hat dafür aber auch wegen den Überlagerungen weniger Ausschläge nach unten“, so Kreuter. Aus Risikogesichtspunkten ist es für ihn deshalb sinnvoll, permanent zu investieren. Zudem schlage die Diversifikation hierbei stärker durch. „Im schlecht diversifizierten Fall bin ich ungefähr dort, was uns Solvency II und QIS sagt. Wenn ich besser diversifiziert bin, komme ich auf 30 Prozent Value at Risk in der späten Phase“, erklärte der Palladio-Gründer. 

_Infrastruktur hat Private-Equity-Natur

In der Branche scheiden sich die Geister, wenn es um die Frage geht: Gehört Infrastruktur zu Private Equity, oder handelt es sich um eine eigenständige Asset-Klasse? Für Lorenzo Rossi, Managing Director­ bei Bfinance und Spezialist für Infrastrukturinvestments, ist die Antwort klar: „Geht man als Investor auf den privaten Markt, ähnelt­ Infrastruktur Private-Equity-Investments. Wenn man ein Wasserunter­nehmen kauft, ist das vergleichbar mit jedem anderen Buy-out.“ Insgesamt erachtet er Infrastrukturinvestments gerade für Sammelstellen­ von Pensionsgeldern aufgrund ihres langfristigen und defensiven Charakters sowie ihrer stabilen Cashflows als „gute Assets“.­ Trotzdem gebe es einige Risiken zu beachten. „Es ist wichtig zu verstehen, dass sich die Underlying-Assets vollkommen voneinander unterscheiden. Das eine Wasserunternehmen hat nichts mit dem anderen zu tun“, bemerkt Rossi, der vor seiner Zeit bei Bfinance als LP für General­ Electric verschiedene Infrastrukturinvestments getätigt hat, in seinem­ Workshop auf dem portfolio-Fachforum. Was genau er damit­ meint, macht er am Beispiel von Thames Water – dem Wasser­unternehmen für London – deutlich.

Wasser gilt als stabiles Investment, da jeder Mensch dieses Lebens­elixier braucht. Und tatsächlich: Während der Finanzkrise sind die Einnahmen von Thames Water gestiegen und der Gewinn ging nach oben. „Ein solches Infrastrukturinvestment hat dem Investor­ in der Krise einen guten Schutz geboten“, so Rossi. Diese Zeiten sind jedoch offenbar vorbei. Aktuell macht das Unternehmen kein Geld und zahlt dennoch eine Cash Yield aus. Das wirft die Frage auf: Wie kann das funktionieren? „Das Unternehmen nimmt Jahr für Jahr immer mehr Debt auf, um die Rendite zu zahlen. Doch das könnte jeden Moment stoppen“, warnt Rossi. Das ist längst nicht der einzige kritische Punkt, auf den der Consultant hinweist. Oberflächlich betrachtet, scheint Thames Water ein Brownfield-Investment zu sein, schließlich handelt es sich um ein etabliertes Unternehmen in einem Industrieland.­ Dem ist aber nicht so, wie ein genauer Blick hinter die Kulissen zeigt. Denn die Regierung zwingt Thames Water, einen 30 Kilometer langen Abwassertunnel unter London zu bauen. „Man muss kein Ingenieur sein, um zu wissen, dass dies keine leichte Aufgabe ist. Bisher ist kein Tunnel pünktlich und im Budget gebaut worden“, so Rossi. „De facto ist man also in ein Greenfield-Projekt investiert. Und ein Investment dieser Art ist riskant, da es sich nicht um ein Greenfield-Projekt mit vertraglich vereinbartem Einnahmestrom handelt“, fügt er hinzu.

In dem Zusammenhang stellt der Bfinance-Consultant klar, dass an einem derartigen Investment prinzipiell nichts falsch ist. So habe beispielsweise erst vor ein paar Wochen eine chinesische Kooperation bei Thames Water investiert, weil das britische Unternehmen für sie ein Trophy-Investment darstellt. „Thames Water ist sicher eine Trophäe­ und ein gutes Asset. Die Frage ist jedoch, warum Fondsmanager nicht besser bei Keldra oder Anglain Water investieren“, merkt Rossi kritisch­ an. „Die Antwort lautet normalerweise: Wir versuchen es, aber können­ nicht. Das ist kein guter Grund“, führt er aus. Deshalb rät er auch bei vermeintlichen Trophy-Investments wie Thames Waters zur Vorsicht und einem Vergleich mit anderen Wasserunternehmen. Der Consultant­ ist sich sicher: „Das richtige Unternehmen auszuwählen, ist der Schlüssel zum Erfolg.“ Ihm ist allerdings bewusst, dass dies einfacher klingt, als es tatsächlich ist.
 
Aus seiner Erfahrung mit Kunden weiß der Bfinance-Mann, dass die meisten institutionellen Investoren ihre Kompetenzen nicht unbedingt im Bereich M&A haben. Genau diese brauche es jedoch, um die richtigen Unternehmen herauszupicken. „Ein tiefgreifendes M&A-Verständnis ist gefragt, wenn man von Infrastrukturinvestments profitieren will. Man muss die Under­lying-Assets verstehen“, so Rossi. Im Gegensatz zu anderen Asset-­Klassen, wie Aktien oder Renten, die sich auch passiv über Benchmarks abbilden lassen, hält er diesen Weg bei Infrastruktur­investments für nicht gangbar. „Allokiere nicht einen Sektor, sondern investiere gezielt in Qualitätswerte“, so sein Rat. Am besten sollten Investoren den direkten Zugang wählen. Sei dies nicht möglich, sollten sie zumindest bei der Wahl der Fondsmanager äußerste­ Sorgfalt walten lassen. Allein auf die wohlklingenden Worte der Manager zu vertrauen, hält Rossi für unangebracht: „Jeder Manager­ erzählt, dass er gute Assets zum richtigen Preis kauft und stabile Einnahmen und eine­ gute Cash-Rendite hat. Kein Fondsmanager­ wird jemals­ zugeben, dass er zu teuer eingekauft hat und die Ein­nahmen ein wenig riskant sind.“

Ungeachtet dessen ist der Bfinance-Consultant überzeugt, dass es durchaus gute Manager gibt. Aber eben auch jede Menge schlechte. „Im Allgemeinen hat man bei Infrastruktur zwischen dem obersten Quantil von Fonds und dem untersten Quantil einen Spread von 600, 800 Basispunkten“, so Rossi über den Private Market. Bei der Auswahl der richtigen Fondsmanager sollten Investoren deshalb die Messlatte sehr hoch hängen und genau auf die Vertragsbedingungen achten. Gerade die Fees können erheblich auf die Rendite drücken. Auch sollten sich Investoren genau überlegen, auf welchem Wege sie eine Infrastrukturallokation aufbauen wollen. Zur Wahl stehen Bonds, Senior­ Debt, Junior Debt und Equity, deren Risiko-Rendite-Profile sich jeweils deutlich voneinander unterscheiden. „Absurderweise findet­ man derzeit bei Debt höhere Renditen als bei Equity, gerade in diesem Markt“, merkt Rossi an. Insgesamt ist er gegenüber der Asset-Klasse „Infrastruktur“ – wenn man sie als solche bezeichnen will – sehr positiv­ eingestellt: „Man kann gute Renditen erzielen. Aber seien Sie vorsichtig!“

portfolio institutionell, 23.5.2012

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