Zirkulär in die Zukunft

Aus Sicht von Natalie Falkman, Portfoliomanagerin der Circular-Economy-Strategie von Robeco, sind zirkuläre Lösungen nicht auf bestimmte Bereiche oder Sektoren beschränkt. „Zirkuläre Prozesse werden in den meisten Sektoren umgesetzt, was das Thema von Natur aus breit und interessant macht“, sagt sie.
Die Kreislaufwirtschaft wird oft mit der Reduktion oder der Wiederverwendung von Plastik verbunden. Doch das Anlagespektrum ist sehr vielfältig und dreht sich bei Aktienstrategien und Venture-Capital-Investments auch stark um Ökodesign und die Entwicklung von Softwarelösungen zur Effizienzsteigerung.
Getränkeflaschen, Einkaufstüten, Lebensmittelverpackungen – kaum ein Supermarkt kommt heute ohne Plastik aus. Einst Teil des Wirtschaftswunders in der Nachkriegszeit, wird Plastik zuvorderst aus fossilen Rohstoffen hergestellt – mit massiven Auswirkungen auf das Klima und die Umwelt, von riesigen Müllinseln im Pazifik bis zu verendeten Vögeln und Meerestieren sowie Mikroplastikpartikeln in unserer Nahrung reicht das Spektrum der Gefahren für die Biodiversität. Aber der hohe Plastikverbrauch ist nur ein Ansatzpunkt von vielen für den Wandel hin zur Kreislaufwirtschaft.
Bei der regenerativen Wirtschaft „dreht“ sich alles um viel mehr als nur um Plastikvermeidung oder Recycling: Den Begriff vom zirkulären Wirtschaften prägt zum Beispiel das Fraunhofer Institut und setzt ihn in den Gegensatz zur „linearen Wirtschaft“. Auf seiner Website schreibt es: „Steigender Ressourceneinsatz, hohe Emissionen und kurzlebige Produktlebenszyklen prägen unser lineares Wirtschaftssystem und unsere Gesellschaft. Die Folgen für Mensch und Umwelt werden zunehmend schwerwiegender.“ Klimaneutralität und Ressourceneffizienz seien daher mit „einem Systemwechsel zur Circular Economy“ zu erreichen. „Dieses zirkuläre Wirtschaften erfordert die Entwicklung neuer Materialien, neuer Produkte und Dienstleistungen sowie innovativer Wertschöpfungsketten und darauf abgestimmte Geschäftsmodelle“, schreibt das Fraunhofer Institut.
In dieser zirkulären Wirtschaft geht es generell um die umweltschonende Nutzung von Ressourcen und Rohstoffen insgesamt. So sind Abfallreduzierung und Ressourcenschonung aus Sicht von David Czupryna, Senior Fund Manager, Environment beim Asset Manager Candriam, die „greifbarsten und wichtigsten Ergebnisse“ der Kreislaufwirtschaft. „Sie sind in der Tat das Endergebnis der Umsetzung guter Praktiken wie Recycling, Effizienzsteigerung oder Ökodesign.“ Eine gut umgesetzte Strategie der Kreislaufwirtschaft stellt aus Sicht des Portfoliomanagers sicher, dass Ressourcen effizient genutzt und Abfälle in jeder Phase minimiert werden. Als Beispiele nennt Czupryna neben Recycling und Materialrückgewinnung auch Effizienzgewinne – seien sie durch intelligentere Produktionsmethoden oder durch schlankere Lieferketten oder Produkte zu erreichen, die mit Blick auf Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Wiederverwertbarkeit entworfen werden, und die dafür sorgen, dass im Laufe der Zeit weniger Ressourcen entnommen und entsorgt werden müssen.
Ein spannendes Feld, was nicht nur börsennotierte Unternehmen, sondern auch Firmen vom frühphasigen Start-up bis hin zum Private-Equity-Portfoliounternehmen beschäftigen dürfte. Gründerinnen und Gründer suchen vor dem Hintergrund von Klimawandel und Biodiversitätsverlusten ebenso wie bestehenden Ressourcenknappheiten nach Lösungen für das zirkuläre Wirtschaften, die zugleich stabile Gewinne und chancenreiche Geschäftsmodelle versprechen. „Derzeit umfasst der globale Markt für Unternehmen, die der Kreislaufwirtschaft zuzuordnen sind, etwa 340 Milliarden US-Dollar – Schätzungen zufolge liegt das Potenzial aber weitaus größer, bei bis zu 4,5 Billionen Dollar“, berichtet Alina Klarner, vom Impact-Investor und General Partner Impact Shakers. Dessen Venture-Fonds investiert unter anderem in frühphasige Start-ups im Pre-Seed oder Seed-Stage, unter anderem mit Fokus auf die Kreislaufwirtschaft. „Ein Beispiel für die Kreislaufwirtschaft in unserem Portfolio ist die spanische Firma Humara Tech. Sie entwickelt für Müllaufbereitungsanlagen eine spezielle Software, die ein effizienteres Design dieser Anlagen ermöglicht, sodass die Müllaufbereitung günstiger und schneller erfolgen kann“, erläutert Klarner. Das Ziel hierbei: Das Recycling so zu verbessern, dass am Ende kein Abfall mehr anfällt. Das sei ein klassisches Ziel der Kreislaufwirtschaft: „Alle Ressourcen im Kreislauf und den negativen Impact auf Menschen und Umwelt minimal zu halten.“
Ein weiteres Investment-Beispiel von Impact Shakers ist das Start-up Tazaar. Es arbeitet an Lösungen, die es ermöglichen, dass Elektromüll vermieden wird. Dabei setzt es auf der neuen Regulatorik der Ökodesign-Verordnung der EU auf, die einen sogenannten digitalen Produktpass in den kommenden Jahren für bestimmte Produkte einführt, die in der EU in Verkehr gebracht werden. Zum Beispiel will Tazaar Kameras und Soundsysteme mit Trackern ausstatten, die einen sicheren Weiterverkauf der Geräte sowie Reparaturen und damit eine längere Nutzungsdauer der Geräte ermöglichen sollen. Ein anderes Beispiel für Kreislaufwirtschafts-Investments ist das Start-up Faircado, das eine Meta-Suchmaschine für Online-Shops entwickelt, die Second-Hand-Mode anbieten.
Ökodesign und Reparaturmodelle
Investiert man über Aktien in die Kreislaufwirtschaft, so findet man ähnliche Strategien bei den Portfoliounternehmen. So steht Ökodesign auch bei David Czupryna von Candriam an erster Stelle, auch wenn es für den Schutz des Klimas und der biologischen Vielfalt einen systematischen Wandel brauche, der mehrere Strategien umfasst: „Die Gestaltung von Produkten im Hinblick auf Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Wiederverwertung am Ende des Lebenszyklus verringert die Notwendigkeit, ständig neue Ressourcen zu gewinnen“, unterstreicht Czupryna dessen Bedeutung. Daneben braucht es laut Czupryna Wiederverwendungs- und Reparaturmodelle. „Die Verlängerung des Lebenszyklus von Produkten stellt sicher, dass wir die vorhandenen Materialien optimal nutzen und so den Druck auf die natürlichen Ökosysteme verringern.“ Wichtig sind für ihn zudem nachhaltige Lieferketten, insbesondere in stark belasteten Branchen, wie Landwirtschaft und Bergbau sowie zirkuläre Geschäftsmodelle: „Die Förderung von gemeinsamem Eigentum und Dienstleistungen entkoppelt den Verbrauch vom Wirtschaftswachstum.“ Als Beispiel für dieses Sharing nennt der Experte gemeinsam genutzte Büroräume, gemeinsam genutzte Maschinen oder Carsharing-Dienste. Das zirkuläre Geschäftsmodell sollte aus Sicht von Czupryna mindestens eines der folgenden Ziele erreichen: Reduzierung des Ressourcenverbrauchs, Ermöglichung von Recycling, Verlängerung der Produktlebensdauer oder Erleichterung der gemeinsamen Nutzung von Produkten.“
Eine gute Leistung attestiert hat kürzlich die Ratingagentur Scope dem nachhaltigen Aktienfonds Robeco Circular Economy. Er erhielt das Scope-Fondsrating B. Die Anleger vereinnahmten seit der Auflage des Fonds im Januar 2020 elf Prozent per annum, während die Peergroup in dieser Zeit nur auf 5,2 Prozent p.a. gekommen sei, jedoch hätten Anleger eine höhere Volatilität ertragen müssen, schrieb Scope Ende Februar über den Fonds.
Natalie Falkman, Portfoliomanagerin der Circular-Economy-Strategie von Robeco, investierte laut Factsheet von Ende Februar auch in Technologieriesen wie den Halbleiterhersteller Nvidia. Sie sagt: „Zirkuläre Lösungen sind nicht auf bestimmte Bereiche oder Sektoren beschränkt. Zirkuläre Prozesse werden in den meisten Sektoren umgesetzt, was das Thema von Natur aus breit und interessant macht.“ Ein großer Teil des Fonds bestehe „aus Unternehmen, die ihre Kunden dabei unterstützen, ressourceneffizienter und zirkulärer zu werden. Diese Unternehmen sind häufig Teil des Industrie- oder Technologiesektors. Diese beiden Sektoren machen etwa 60 Prozent der Strategie aus“, so Falkman.
Da das Thema Kreislaufwirtschaft jedoch sehr breit gefächert sei, enthalte der Fonds auch Aktien aus den Sektoren Roh- beziehungsweise Werkstoffe, Konsumgüter und Gesundheit. Dabei gehe es um Firmen, die dazu beitrügen, die Verwendung schädlicher Stoffe zu reduzieren und natürliche, biologisch abbaubare und recycelbare Alternativen anzubieten. Oder im Verbrauchersektor darum, dass Unternehmen langlebige Produkte verkauften. „Wir investieren auch in Outsourcing-Geschäftsmodelle“, erklärt auch Falkman. „Outsourcing, was bedeutet, dass Produkte geteilt werden, ist ein wichtiger Teil des Kreislaufthemas. Durch Outsourcing wird die Nutzungsintensität von Produkten erhöht und somit die Gesamtmenge der benötigten Produkte verringert.“ Man investiere zudem nur in Geschäftsmodelle, die einen natürlichen Platz in einer künftigen Kreislaufwelt hätten. „Zum Beispiel Fast Fashion oder Unternehmen, die in Flaschen abgefülltes Wasser verkaufen, wären nicht Teil eines Circular-Economy-Fonds“, so Falkman.
Nochmal zurück zu den Anfängen und den frühphasigen Start-ups. In der Investmentstrategie von Impact Shakers ist die Kreislaufwirtschaft nur ein Bestandteil neben anderen. Aus einem Universum von circa 2.000 Start-ups in Europa inklusive Großbritannien wählen Alina Klarner und ihre Kollegen solche frühphasigen Start-ups aus, die aus den Bereichen Climate Tech sowie Inclusion Tech kommen und/oder sich sozialen Impact-Zielen, wie dem Zugang zu Bildung, Jobs und medizinischer Versorgung widmen. „Die Start-ups, in die wir investieren, sind zwischen einem und vier Jahre alt, und haben bereits einen meist kleinen Kundenstamm und etwas Umsatz.“
Der Venture-Fonds richtet sich unter anderem an Stiftungen, Family Offices oder institutionelle staatliche Impact-Investoren. Es wurde bereits in acht Early-Stage-Start-ups investiert, acht weitere befänden sich aktuell in der Pipeline, so Klarner. Der Fonds hat ein überschaubares Volumen von 20 Millionen Euro, in den institutionelle Investoren ab 500.000 Euro investieren können. Neben einem Investment über den Fonds seien auch Co-Investments möglich. Pleite-Risiken wie bei klassischen Start-up-Gründungen sieht Klarner in dieser Strategie gemindert. Aber wie geht der Fonds damit um, wenn ein Unternehmen nicht gelingt? Klarner: „Durch unser Venture-Accelerator-Modell investieren wir in die Start-ups zunächst nur mit kleineren Summen und arbeiten dann mit ihnen über sechs Monate intensiv zusammen, sodass wir an dem Punkt, an dem wir größere Summen investieren, die Unternehmen schon sehr gut kennen und somit das Risiko reduzieren können.“ Nicht jedes Start-up werde ein Einhorn und das sei in der Strategie von Impact Shakers bereits berücksichtigt, so Klarner.
Zielkonflikte der Kreislaufwirtschaft
Auch innerhalb des zirkulären Wirtschaftens könne es jedoch zu Zielkonflikten kommen zwischen Klimaschutz und dem Schutz der Biodiversität, zum Beispiel beim Ersatz von Plastik durch Papier, berichtet David Czupryna von Candriam. „Die Herstellung von Papier kann zu Praktiken führen, die der biologischen Vielfalt sehr schaden.“ Als Beispiel nennt der Portfoliomanager Monokulturen wie Eukalyptus in lateinamerikanischen Ländern, aus dem Papier hergestellt werde. „Diese Praktiken sind dramatisch und tragen dazu bei, dass der Druck zur Umnutzung von Böden, der Hauptursache für den Verlust der biologischen Vielfalt ist, zunimmt. Darüber hinaus gehen diese Praktiken mit einem konzentrierten Einsatz von Pestiziden einher, die die Umwelt stark belasten.“ Auch die Nutzungsmethoden spielten eine entscheidende Rolle. „Wenn das verwendete Holz aus einem Wald stammt, gelten bestimmte Praktiken wie der Kahlschlag als sehr umweltschädlich. Die Unternehmen müssen sich daher bemühen, ihr Holz oder ihr Papier/ihre Pappe aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern zu beziehen“, sagt Czupryna.
Die Beispiele zeigen: Die Ansätze zur Kreislaufwirtschaft setzen an unterschiedlichsten Stellschrauben an. Software und Künstliche Intelligenz spielten auch hier bereits eine tragende Rolle, so Falkman von Robeco: „KI-gestützte, intelligente Analyse-Tools und -software tragen bereits heute dazu bei, intelligente und zirkuläre Designlösungen voranzutreiben, eine übermäßige Ressourcennutzung und -verschwendung zu vermeiden, die Produktionseffizienz und Ressourcenrückgewinnung erheblich zu verbessern und vieles mehr.“ Allerdings sind Lösungen komplex, wie auch der Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und Biodiversität beim Thema Plastikersatz zeigt. Anleger können in Strategien etablierter Unternehmen investieren oder über Venture Capital den Systemwechsel vorantreiben, so sie das Risiko tragen möchten. Mit der EU gibt es auch einen regulatorischen Treiber der Circular Economy; die Kommission plant im Rahmen ihres neuen „Clean Industrial Deal“ im kommenden Jahr ein Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft (Circular Economy Act) anzunehmen. Das dürfte zumindest das Investmentuniversum für diese Thema weiter vergrößern.
Autoren: Daniela EnglertSchlagworte: Aktien | Alternative Anlagen | Impact Investing | Kreislaufwirtschaft | Themeninvestments | Venture Capital
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