Zentrale ESG-Datenbank polarisiert
BVI: „European Single Access Point“ soll ESG-Daten bündeln. Finanzkennzahlen vereinheitlicht reporten.
Die Europäische Union plant zur Unterstützung von Investoren bei deren Pflichten aus der Offenlegungsverordnung (Sustainable Financial Disclosure Regulation, SFDR) und der Taxonomie einen European Single Access Point (ESAP), das heißt eine zentrale Datenbank, bei der Unternehmen der Realwirtschaft ihre ESG-Daten künftig melden sollen. Der deutsche Fondsverband BVI begrüßt und unterstützt diese Initiative. In einem siebenseitigen Papier in Englisch geht der Fondsverband auf die Pläne der EU-Kommission ein und macht selbst Vorschläge dazu. „Aus Sicht der Anleger und Fondsmanager ist der ESAP sehr zu begrüßen, da er die Zugänglichkeit und Verfügbarkeit von Unternehmensdaten in der gesamten EU erheblich verbessern wird und gleichzeitig die Mitgliedsunternehmen in die Lage versetzt, ihren Reporting-Pflichten aus der vielfältigen Nachhaltigkeits-Regulierung auf vergleichbare und Kosteneffiziente Weise nachzukommen“, schreibt der BVI in seinem Statement. Er formuliert im Folgenden konzeptionelle sowie technische Anforderungen an den geplanten ESAP. ESG-Daten stehen bei dem Vorhaben aus Sicht des BVI an erster Stelle. „Hinsichtlich des Umfangs sind wir der Ansicht, dass neben allen aufsichtsrechtlich vorgeschriebenen Informationen über Finanzunternehmen auch ESG-Daten von größter Bedeutung sind, um in einem ersten Schritt in den ESAP aufgenommen zu werden. Der ESAP sollte die Daten enthalten, die in der SFDR und der EU-Taxonomie gefordert werden, sowie weitere Daten, die für eine bessere Bewertung von Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen bei Investments und Risikomanagement erforderlich sind.“ Unternehmen müssten gemäß der gesetzlichen Vorgaben entsprechende Daten an den ESAP liefern. Darüber hinaus hofft der Verband darauf, dass der ESAP ein Anreiz für Unternehmen sein wird, die nicht der gesetzlichen Meldepflichten unterliegen, freiwillige Angaben zu machen, insbesondere zu ESG-Themen. Dies gelte auch für Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU. „Die Initiative der EU-Kommission ist ein wichtiger Schritt, um die Verfügbarkeit von Daten für Fondsgesellschaften zu verbessern und die zunehmenden regulatorischen Meldepflichten kostengünstiger erfüllen zu können“, so BVI-Hauptgeschäftsführer Thomas Richter.
Forderung nach baldigem Start
Der ESAP sei „so schnell wie möglich“ einzurichten und idealerweise zusammen mit den Reporting-Verpflichtungen aus Taxonomie und SFDR zu starten, fordert der BVI. „Er sollte konzeptionell und technisch so gestaltet sein, dass ein automatisierter Datentransfer einschließlich der Datenauswertung uneingeschränkt möglich ist und die Unternehmensdaten von guter technischer Qualität und Verlässlichkeit sind und somit von Investoren bei ihren Investitionsentscheidungen berücksichtigt werden können.“ Non-profit-Organisationen sollten unbeschränkten Zugang erhalten, zudem sollen Messdaten und Referenzperioden nach Vorstellungen des BVI nach vereinheitlichten Standards gemeldet werden müssen, zum Beispiel Daten zum CO2-Ausstoss. Finanz-Kennzahlen sollten in der gleichen Währung (Euro) reportet werden müssen, aber nicht nur solche: „Der ESAP muss neben Finanzkennzahlen auch solche Informationen aufnehmen, die für die Erfüllung der Transparenzpflichten nach der Taxonomie- und der Offenlegungsverordnung benötigt werden“, fordert Richter. Außerdem sollen die Daten KI-tauglich sein: „Sowohl die Übertragung der Daten von Unternehmen an den ESAP als auch die Auswertung und Verarbeitung der Daten durch die Asset Manager muss automatisierbar sein“, so Richter. „Das setzt eine einheitliche Struktur der EU-Datenbank mit standardisierten Formaten voraus. Die EU-Kommission muss den Flickenteppich aus nationalen Datenbanken überwinden und einen global umsetzbaren Ansatz schaffen.“
Scharfe Kritik von Rating-Agenturen
Auf Seiten der Rating-Agenturen scheint die Idee des ESAP naturgemäß wenig beliebt zu sein. So wettert die ESG-Rating-Agentur ISS ESG in ihrem Papier „A Little Less Conversation, A Little More Action: 10 Lessons Learned From 10 Years of Helping Investors to Tackle Climate” anlässlich ihres zehnjährigen Bestehens gegen den von Investorenseite oftmals geäußerten Wunsch, ESG-Ratings stärker vergleichbar zu machen und vergleicht diese Forderung mit der Einführung des Trabis zu Zeiten des Ost-West-Konflikts. „Das ist so, als würde man fordern, dass die Regulierungsbehörde entscheidet, wie ein Auto aussehen soll. Jeder der sich an Autos aus Osteuropa vor dem Fall des Eisernen Vorhangs erinnert, wird wissen, dass dies keine überzeugende Idee ist“, schreibt Managing Director Maximilian Horster in dem Papier. Auch den kostenfreien Zugang zu den ESG-Daten kritisiert Horster scharf: „Vor allem besteht bei einer solchen staatlichen Unterstützung die Gefahr, dass es die Innovation unter den professionellen Daten-Anbietern abwürgt.“ Eine dieser „kostenlosen Daten“-Ideen bestehe darin, dafür zu sorgen, dass die Rohdaten von den Unternehmen direkt an eine öffentlichen Stelle gemeldet werden, auf die Investoren kostenlos zugreifen können. „Die Informationen, die in einem solchen Datenspeicher zu finden wären, sind bereits heute verfügbar, wenn auch mit einem entscheidenden Unterschied: Heute kosten sie Geld, da die ESG-Agenturen Daten sammeln, vergleichen und standardisieren. Die Bereitstellung kostenlos zu machen, bedeutet wiederum, dass die Kosten auf die Steuerzahler abgewälzt werden“, so Horster.
Autoren: Daniela Englert In Verbindung stehende Artikel:
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