Wohnimmobilien: Verkäufe von Neubauten für das 25-Fache
Transaktionsvolumen schrumpft um die Hälfte im Vergleich zu 2022. Kleinteilige Volumina, Core-plus-Objekte im Bestand mit größter Nachfrage.
Zum Markt für Wohnimmobilien gibt es neue Zahlen vom Immobiliendienstleister Savills. Demnach wurden im ersten Halbjahr in Deutschland Wohnimmobilien für etwa 3,7 Milliarden Euro gehandelt (Transaktionen ab 50 Wohnungen). Das waren 53 Prozent weniger als im gleichen Vorjahreszeitraum und zugleich der niedrigste Umsatz eines ersten Halbjahres seit 2011. Karsten Nemecek, Managing Director Corporate Finance – Valuation bei Savills Germany, fasst zusammen: „Im Zuge der Zinswende drifteten die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern am Wohnungsmarkt besonders weit auseinander, schließlich näherten sich die Spitzenrenditen zuvor noch der Zwei-Prozent-Marke an. Der Preisanpassungsprozess dauerte entsprechend lange und es fehlte an Transaktionsevidenz zu den realisierbaren Preisen.“
Kaufpreisfaktoren zum Teil zwischen dem 25- und 27-Fachen
In den letzten Wochen und Monaten seien Nemecek zufolge nun einige Verkäufe von Neubauobjekten publik geworden, bei denen Kaufpreisfaktoren vom etwa 25- bis 27-Fachen auf die Nettojahresmiete erzielt wurden. Mit diesen Benchmark-Transaktionen herrsche nun mehr Klarheit unter den Akteuren hinsichtlich der erzielbaren Anfangsrenditen im Einstand beziehungsweise Verkauf. „Dies dürfte einerseits Transaktionen in den kommenden Monaten erleichtern. Andererseits dürfte der Renditeanstieg noch nicht stark genug sein, um den Knoten am Wohninvestmentmarkt in Gänze zu lösen. Mittelfristig werden die Anfangsrenditen im Bestand über den Fremdkapitalkosten liegen müssen, um neues institutionelles Kapital anzuziehen“, kommentiert Nemecek von Savills.
So war der Großteil des Marktgeschehen eher kleinteilig geprägt, nur wenige große Transaktionen, wie zum Beispiel der Erwerb eines Anteils am Südewo-Portfolio durch Apollo sowie der Verkauf von fünf Neubauobjekten der Vonovia an CBRE Investment Management, bildeten die Spitze. Im ersten Halbjahr gab es vier Transaktionen mit Volumina von jeweils mehr als einer Viertelmilliarde Euro. Etwa drei Viertel aller erfassten Verkäufe waren dagegen kleiner als 50 Millionen Euro (2021: 65 Prozent). Vor allem für kleine Objekte fänden sich eigenkapitalstarke Käufer, während viele Investoren bei großvolumigen Produkten zurückhaltend seien oder entsprechende Preisabschläge vornehmen, so Savills.
Im Bestand große Nachfrage nach Core-Plus
Die größte Nachfrage unter Investoren erfahren nach Beobachtung von Savills derzeit gepflegte Bestandsobjekte mit Wertsteigerungsmöglichkeiten. Für viele institutionelle Investoren kommen allerdings weiterhin, auch vor dem Hintergrund ihrer ESG-Ziele, vor allem Neubauobjekte in Betracht. Dennoch entfielen im ersten Halbjahr 2023 auf Projektentwicklungskäufe nur 19 Prozent des Transaktionsvolumens und damit deutlich weniger als im Jahr 2022 (36 Prozent). „Die Mieten in Neubauprojekten sind weniger reguliert als im Bestand und über Index- oder Staffelmieten lässt sich auch leichter ein gewisser Inflationsschutz erzielen“, kommentiert Marco Högl, Director und Head of Residential Capital Markets bei Savills Germany. Gleichwohl lägen bei solchen Objekten die Anfangsrenditen immer noch unter den Fremdkapitalkosten, was eine gedämpfte Nachfrage zur Folge habe. „Dadurch ergibt sich ein negativer Leverage-Effekt, so dass zum aktuellen Renditeniveau vor allem Eigenkapitalkäufer zum Zuge kommen“, so Högl.
ESG-Aspekte machen gefördertes Wohnen gefragt
Mit dem Beginn der Zinswende sei auch das Segment des geförderten Wohnens bei Immobilieninvestoren auf noch mehr Nachfrage gestoßen. Im ersten Halbjahr entfielen laut Savills bei Einzelobjektverkäufen 39 Prozent des Transaktionsvolumens auf ganz oder teilweise geförderte Objekte. „Günstige Zinskonditionen und attraktive Tilgungsraten der verschiedenen Programme für sozialen Wohnungsbau haben mit der Rückkehr der Zinsen erheblich an Attraktivität gewonnen. Auch die ESG-Ziele der Investoren mit Artikel 8- und 9-Fonds führen zu einer hohen Nachfrage nach Immobilien mit gefördertem Wohnraum“ berichtet Högl.
Opportunität für langfristig orientierte Anleger
Der Anstieg der Nettospitzenrenditen seit März 2022 um rund 120 Basispunkte auf zuletzt etwa 3,4 Prozent sorgt kurzfristig für einen spürbaren Rückgang der Kapitalwerte. Damit könnte sich laut Savills ein Zeitfenster für einen günstigen Einstieg in den deutschen Wohnungsmarkt öffnen. Matti Schenk, Associate Director Research bei Savills Germany, erläutert: „An den Nutzermärkten ist die Angebots-Nachfrage-Relation so in Schieflage geraten wie selten zuvor. Bereits jetzt sind die Leerstandsquoten in vielen Städten auf einem Rekordtief und die Knappheit dürfte sich weiter verschärfen.“ So gingen Prognosen davon aus, dass die Zahl der fertiggestellten Wohnungen in wenigen Jahren auf unter 200.000 sinken wird. Das wäre weniger als die Hälfte als das von der Politik ausgegebene langjährige Neubauziel von 400.000 Wohnungen pro Jahr.
Die Folge werde eine sich weiter verschärfende Wohnungsknappheit sein, die sich unter anderem in weiter steigenden Mieten niederschlagen dürfte, findet Savills. Dies müsse langfristig wieder zu einem Anstieg der Kapitalwerte führen. Die aktuell niedrigeren Preise stellten vor diesem Hintergrund eine Opportunität für langfristig orientierte Anleger dar. Der absehbare Wohnraummangel öffne zudem den Raum für verschiedenste Value-Add-Ansätze, beispielsweise durch Hebung von Nachverdichtungspotenzialen oder der Aufstockung von Bestandsgebäuden.
Autoren: Daniela EnglertSchlagworte: Immobilien | Wohnimmobilien
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