Ranking deckt Schwachstellen bei Corporate Governance auf

Die großen börsennotierten Unternehmen in Deutschland haben in den vergangenen zwei Jahren keine Fortschritte in Sachen guter Unternehmensführung (Corporate Governance) gemacht. Eher ist das Gegenteil der Fall, wie das aktuelle Corporate-Governance-Ranking zeigt, das die Fondsgesellschaft Union Investment gemeinsam mit dem Stimmrechtsberater Ivox Glass Lewis entwickelt hat.

Union Investment hat das Ranking jetzt zum fünften Mal für den Dax und zum dritten Mal für den M-Dax veröffentlicht. Demnach liegt der Notenschnitt in der obersten Börsenliga bei 2,2. Gegenüber den beiden Vorjahren hat sich der Wert von zunächst 2,0 (im Jahr 2020) und 2,1 (2021) weiter verschlechtert.

Im M-Dax fallen die Noten insgesamt schlechter aus. Und auch der Notendurchschnitt über alle Indexmitglieder hinweg ist zuletzt auf 3,2 weiter deutlich gesunken. In früheren Rankings für die zweite Liga lag er bei 2,8 (im Jahr 2020) und 3,0 (2021).

Analyse deckt mehr Schwachstellen auf

Spitzenreiter im Dax mit Note 1- sind die Deutsche Börse und RWE. Nur sie kommen auf 140 der maximal erreichbaren 150 Punkte. Ebenfalls top sind Allianz, Eon, Infineon, Munich Re und Siemens Energy mit jeweils 139 Zählern. Schlusslichter mit Note 4- sind die Porsche AG und die Porsche Automobil Holding SE.

Der Fahrzeugbauer BMW, ein mehrfach ausgezeichneter Musterknabe in Sachen Öffentlichkeitsarbeit, holt 131 Punkte und erhält die Note 2. Die Münchner sind gewissermaßen die Benchmark für hervorragende ESG-Berichte.

Vanda Rothacker, eine erfahrene ESG-Analystin mit Schwerpunkt Corporate Governance bei Union Investment, erläutert, dass die Bewertungskriterien nicht in Stein gemeißelt sind: „Wir haben die Kriterien für das Ranking spezifiziert und schauen noch genauer hin. Dabei finden wir natürlich auch mehr Schwachstellen.“

Hausaufgaben in Sachen Corporate Governance

Im M-Dax führen ProSiebenSat.1 (134 Punkte) und Thyssenkrupp (133 Punkte) das Feld mit Note 2+ an, während hier gleich sechs Unternehmen die für eine ausreichende Leistung nötige Mindestpunktzahl von 100 Punkten nicht erreichen: Aroundtown, Bechtle, Sixt, Adtran, CTS Eventim und RTL.

Verbesserungsbedarf erkennt Vanda Rothacker vor allem bei den Themen Ämterhäufung und Unabhängigkeit im Aufsichtsrat. Mit Blick auf den M-Dax bemängelt die ESG-Analystin: „Wenn man im Ranking weiter nach unten schaut, wird es düster. Hier haben die Unternehmen noch sehr viele Hausaufgaben zu machen, speziell beim Thema Transparenz.“

Mit dem Ranking will Union Investment für die Wichtigkeit des Themas sensibilisieren und Defizite offenlegen. „Die Unternehmen sollen das Ranking nicht als Kritik, sondern als Ansporn verstehen. Dann wird der Kapitalmarkt zum Motor für gute Unternehmensführung, wovon Unternehmen und Aktionäre gleichermaßen profitieren“, erläutert Frank Engels, der als Chief Investment Officer im Vorstand der Fondsgesellschaft das Portfoliomanagement für Wertpapiere verantwortet.

Engels plädiert dafür, das Thema Corporate Governance nicht isoliert zu betrachten, sondern in einem breiteren ESG-Kontext zu sehen: „Nachhaltigkeit ist fundamental geworden. Wir wollen als Treuhänder die Transformation der Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit aktiv begleiten.“

Das Ranking basiert auf 124 Kriterien zu sieben Themenfeldern, die für Union Investment bei der Bewertung der Corporate Governance von Unternehmen relevant sind: Diese sind Kapital, Vorstand und Aufsichtsrat sowie Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung bis hin zu Abschlussprüfung und Transparenz.

Schlagworte: Corporate Governance

• Die Benchmark für Nachhaltigkeitsberichte kommt aus München
• Mittelständler messen ihre ESG-Fortschritte kaum
• Vorstände werden auch nach ESG-Zielen bezahlt