Versicherungen
6. Februar 2023

„Wir erwarten, dass die Versicherer sprechfähig sind“

Versicherungsaufseher Dr. Frank Grund gab während einer Rede Einblicke in die Prüfung von Run-off-Transaktionen. Und er kündigte an, dass die Bafin Risiken alternativer Kapitalanlagen intensiver beleuchten werde.

Im deutschen Markt spielt der externe Run-off geschlossener Versicherungsbestände eine wichtige Rolle. Das betonte Dr. Frank Grund während einer Rede beim „SZ-Versicherungstag“ am 2. Februar 2023. Wie der Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht der Bafin darin ausführte, befinden sich derzeit sieben Lebensversicherer mit mehr als 4,1 Millionen Verträgen im sogenannten externen Run-off. Das entspreche einem Marktanteil von etwas mehr als fünf Prozent, sagte Grund. „Bezieht man die Pensionskassen ein, befinden sich zehn Gesellschaften im externen Run-off.“

Von den sieben externen Run-offs bei den Versicherungsunternehmen erfolgten sechs als Inhaberwechsel, einer als Bestandsübertragung. In seinem Vortrag erläuterte Grund, dass der externe Run-off entweder durch Bestandsübertragung erfolgen kann. „Dann bekommen die Kunden einen neuen Vertragspartner, wobei sich am Vertrag selbst ansonsten nichts ändert. Oder er erfolgt durch Inhaberwechsel. Hier behalten die Kunden ihren Vertragspartner, das Unternehmen erhält lediglich neue Inhaber.“

Run-off-Geschäft noch relativ neu in Deutschland

Das Run-off-Geschäft und die Run-off-Plattformen sind nach Einschätzung des Exekutivdirektors „immer noch relativ neu im deutschen Markt. Die ersten großen Transaktionen gab es vor etwa zehn Jahren.“ Die auf externen Run-off spezialisierten Unternehmen, die Run-off-Plattformen oder Bestandsversicherer, haben nach Auffassung Grunds ein sehr spezifisches Geschäftsmodell. „Ihre Inhaberstruktur ist typischerweise anders. Hinter den Run-off-Plattformen stehen oftmals Private-Equity-Gesellschaften und andere Finanzinvestoren“, führte Grund aus. „Diese Anleger verbinden mit dem Geschäftsmodell der Run-off-Plattformen, also dem gezielten Ankauf von Lebensversicherungsbeständen, hohe Ertragserwartungen. Daher kommt sicherlich ein besonders starker Fokus auf die Interessen der Anteilseigner.“

Freiheitsgrade in der Modellierung von Risiken

Die Bafin lernt mit jeder Run-off-Transaktion dazu, führte Grund aus. Das betrifft insbesondere komplexe Fragen der Finanzaufsicht. Bei einem prinzipienbasierten Aufsichtsregime wie Solvency II bestehen „gewisse Freiheitsgrade in der Modellierung der Risiken“, wie Grund in seiner Rede erläuterte. Den Ausführungen zufolge beobachtet die Bafin bei den Bestandsversicherern „einen stärkeren Drang, diese Freiheitsgrade auszutesten. Diese Usancen kannten wir so vorher noch nicht“, räumte Grund ein. „Das bedeutet natürlich eine besondere Herausforderung für uns als Aufsicht – und sicher auch für die Wirtschaftsprüfer.“

Die von der Bafin in den vergangenen Jahren begleiteten Run-off-Transaktionen betrafen bislang hauptsächlich kapitalmarktorientierte Unternehmen mit Muttergesellschaften außerhalb Deutschlands. Das dürfte daran liegen, weil bei diesen Unternehmen die Abwägung zwischen der Reaktion der Kunden auf die Ankündigung eines Portfolioverkaufs einerseits und den Interessen der Aktionäre andererseits etwas anders ausfällt als bei Unternehmen, die hierzulande auch ihren Hauptsitz haben, vermutet Frank Grund. „Auch andere Überlegungen, wie die Marktposition oder die Rechtsform, mögen hier eine Rolle spielen.“

Potenzial für große Transaktionen weitgehend erschöpft

Im vergangenen Jahr sei noch einmal Dynamik in den Markt gekommen. „Große Transaktionen wurden vereinbart, sind allerdings noch nicht vollzogen“, berichtet der Bafin-Exekutivdirektor. Er vertritt die Einschätzung, dass mit diesen Ankündigungen das Potenzial für solche Transaktionen bei großen Lebensversicherungsbeständen mittlerweile weitgehend erschöpft sein dürfte. Die Wachstumschancen in diesem Bereich in Deutschland seien nunmehr sehr begrenzt. „Aber angesichts wieder steigender Zinsen frage ich mich schon: Gibt es in den Unternehmen überhaupt noch Interesse an einer Abgabe der Bestände? Und was ist mit den Unternehmen, die bereits eine Entscheidung zum externen Run-off getroffen haben? Überdenken sie heute ihre Entscheidung? Oder bereuen sie sie vielleicht sogar?“

Bei den Bestandsversicherern habe bislang die Abwicklung und die Generierung von Kostenvorteilen im Zentrum mit einem entsprechenden Fokus des Managements gestanden. „Dies scheint aber nicht mehr durchgängig der Fall zu sein – es gibt bereits Anbieter, die versuchen, sich weiterzuentwickeln“, erläutert Grund und fragte rhetorisch. „Werden wir perspektivisch also vielleicht einen Einstieg dieser Unternehmen ins Neukundengeschäft sehen?“

Bafin adressiert „hoch risikoreiche Anlagen“

In seiner Rede beim SZ-Versicherungstag schnitt Grund auch das Thema Kapitalanlagen an. Dabei ging es um einen angemessenen Umgang mit illiquiden Kapitalanlagen, so der Bafin Exekutivdirektor. „Üblicherweise sichern Run-off-Plattformen ja ihre Zinsrisiken durch liquide Anlagen ab. Und über illiquide Anlagen streben sie dann einen Zusatzertrag an. Zum Beispiel über Private Debt. Unternehmen sollten sich jedoch darüber im Klaren sein: Das sind hoch risikoreiche Anlagen.“ Alleine das Kreditrisiko sei erheblich.

Versicherer müssten die Risiken dieser Anlagen angemessen managen. „Das ist uns sehr wichtig. Deshalb werden wir uns die Entwicklung in puncto Alternative Kapitalanlagen sowie Spezialfonds der Versicherer – nicht nur, aber auch der Run-off Plattformen – 2023 genau ansehen“, kündigte Grund an. „Und gegebenenfalls werden wir notwendige Aufsichtsmaßnahmen vornehmen. Wir erwarten ein hohes Verständnis für diese Themen. Und wir erwarten, dass die Versicherer sprechfähig sind.“

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