Schwarzer Schwan
22. August 2014

Wie Du mir, so ich Dir

Wenn Sie gerade entspannt aus dem Urlaub heimkehren – erschrecken Sie nicht beim Blick auf die Nachrichtenlage. Der Schwarze Schwan war wieder da. Ein paar Mal.

Sommerferien sind eine feine Sache. Endlich mal ausspannen und fern der heimatlichen Hektik ein gutes Buch lesen. Wen interessieren da schon unternehmensinterne oder geopolitische Konflikte? Spätestens nach Ende der Auszeit muss man sich aber den Schwarzen Schwänen stellen – also Ereignisse, mit denen man vor dem Urlaub nicht rechnen konnte.
Da wäre zunächst die Personalie Roland Koch. Der ehemalige hessische Ministerpräsident, seit 2011 Vorstandschef beim Bau- und Industriedienstleister Bilfinger, hat Anfang August Aufsehen erregend das Handtuch geworfen. Nachdem der von ihm geführte Mannheimer M-Dax-Konzern zum zweiten Mal binnen weniger Wochen die Gewinnprognose für das laufende Jahr kassieren musste, war der frühere Berufspolitiker und langjährige Jurist aus Anlegersicht ebenso wenig zu halten, wie der Aktienkurs. Jetzt ließe sich trefflich darüber fachsimpeln, ob zwei Gewinnwarnungen bei einem Traditionsunternehmen wie Bilfinger als ein oder zwei Schwarze Schwäne eingestuft werden müssen, und wie ein Spitzenpolitiker vom Format eines Roland Koch als Firmenchef so krachend scheitern kann. Zwischen seinem Amtsantritt am 1. Juli 2011 und seinem Rauswurf ist die Bilfinger-Aktie um knapp ein Fünftel gefallen. Übel dürfte daher die Performance beim Großinvestor Cevian Capital aussehen, der die Demontage Kochs frei nach dem Motto „Wie Du mir, so ich Dir“ forciert haben dürfte. Seit Oktober 2011 sind die als aktivistisch eingestuften Geldgeber aus Schweden größter Einzelaktionär bei Bilfinger. 
Auge um Auge
Nicht nur für Aktivisten von Cevian Capital, die es nicht gewohnt sind, wenn Firmenlenker den Spieß umdrehen und ihnen Feuer unterm Hintern machen, sondern auch für viele andere Anteilseigner waren gerade die vergangenen vier Wochen verhängnisvoll. Womit wir zum nächsten Schwarzen Schwan kommen. Die Europäische Union und die USA haben wegen der Verwicklung Moskaus in den Konflikt in der Ostukraine erstmals ganze russische Wirtschaftssektoren mit Sanktionen belegt. Die Sanktionen trafen den russischen Energie-, Finanz- und Waffensektor. Die EU schränkte dabei unter anderem den Zugang russischer Banken zu europäischen Finanzmärkten ein und verhängte ein Waffenembargo. Klar, die EU-Sanktionen betreffen zahlreiche westliche Firmen aus den Bereichen sensibler Hochtechnologie, der Rohstoffförderung und insbesondere der Verteidigung. 
In Anlehnung an den biblischen Leitspruch „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ antwortete der lupenreine Demokrat Wladimir Putin darauf nicht mit Liebesgrüßen aus Moskau, sondern mit Sanktionen, wegen denen sich weitere Firmen im Westen nun warm anziehen müssen. Neben dem Importstopp für Agrargüter und Lebensmittel haben die Russen zusätzliche Antworten auf die EU-Sanktionen parat, etwa die Einführung eines Überflugverbots für europäische Fluggesellschaften. Dadurch müssten die Airlines auf dem Weg in Richtung Osten kostspielige Umwege in Kauf nehmen. Wer hätte das geahnt? Neuerdings erwägt der Kreml angeblich auch, die Einfuhr von Autos aus Europa und den USA zu verbieten. Damit träfe Putin aber nicht nur die westlichen Fahrzeugbauer ins Mark, sondern auch einheimischen Oligarchen. Den Weg zu den Designershops im Lada zurücklegen? Das kann man den Prunk liebenden Russen kaum zumuten. 
Knappen bald knapp bei Kasse?
Dreht sich die Sanktionsspirale weiter, könnte auch des Deutschen liebste Nebensache der Welt, der Fußball, mit in den Strudel gezogen werden – namentlich der FC Schalke 04. Seit 2007 ist der staatlich dominierte russische Gazprom-Konzern Hauptsponsor des Revierklubs, erst 2012 wurde der Vertrag zu verbesserten Konditionen bis 2017 verlängert. In der Fangemeinde stieß diese Verbindung noch nie auf sonderliche Gegenliebe, seit Beginn der Auseinandersetzungen in der Ostukraine wird die Kritik nun wieder lauter. Mal abgesehen davon geht es für die Knappen inzwischen jedoch um mehr als bloß das Image. Das Management des Klubs muss sich mit einem durchaus realen Ausfallszenario befassen. Sollten sich die gegenseitigen Sanktionen zwischen dem Westen und Russland weiter hochschaukeln, könnte auch schon bald Gazprom einbezogen werden. Dann ist womöglich das Schalke-Sponsoring passé. Die Sponsorengelder werden nämlich nicht auf einen Schlag, sondern ratenweise ausbezahlt. Nach dem jüngsten Aus im DFB-Pokal gegen Dynamo Dresden wäre das ein Nackenschlag, der noch mehr schmerzen würde. 
Ganz ähnliche Sorgen plagen Aktionäre. Interpretiert man die Kursverluste der vergangenen Tage und Wochen, drohen diversen Wirtschaftszweigen auf nicht absehbare Zeit empfindliche Einschnitte. Beim Rüstungsgüterhersteller Rheinmetall beispielsweise flüchteten die Anleger, weil die Umsätze wegzubrechen drohen. Denkbar ist hier aber auch, dass der eine oder andere Investor wegen des nahenden Amtsantritts von Ex-Entwicklungsminister Dirk Niebel, der 2015 bei dem Rüstungskonzern anheuert, nach den Erfahrungen mit Roland Koch das Weite sucht. Das wäre dann aber kein Schwarzer Schwan. 
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein schönes Wochenende. 
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