Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum
Der Jahreswechsel naht. Zuvor trafen sich Investoren auf verschiedenen Investment-Konferenzen zum Erfahrungsaustausch und stellten ihre Pläne für 2017 vor. Oben auf der Agenda finden sich weiterhin Alternatives und Faktorinvestments.
Passive Smart-Beta-Strategien haben in jüngster Zeit große Zuflüsse verzeichnet. Bis Ende September 2016 flossen 5,7 Milliarden Euro in Smart-Beta-ETF, wie aus aggregierten Daten des ETF-Anbieters Amundi zum europäischen ETF-Markt hervorgeht. Doch wie smart sind diese Strategien wirklich? Dieser Frage ging Alexander Raviol, Partner und Leiter Portfoliomanagement bei Lupus Alpha, auf dem Investmentfokus 2017 von Lupus Alpha Mitte November auf den Grund. In seinem Vortrag warnte der studierte Physiker vor einer Übermathematisierung. Zu viele Zusammenhänge würden kausal interpretiert. Als Beispiel führte er einen sogenannten ISIN-Faktor an, sprich einen Faktor, der auf den Kennnummern von Aktien basiert. Mathematisch lasse sich nachweisen, dass die geraden ISIN in der Vergangenheit besser abschnitten als die ungeraden. „Dass das Quatsch ist, erschließt sich jedem“, so Raviol.
In seinem Vortrag kritisierte er deshalb die wundersame Faktorvermehrung in den vergangenen Jahren. Mittlerweile seien es gut 240 Faktoren, von denen jedoch die meisten falsch sind. Raviol forderte das Auditorium auf, den gesunden Menschenverstand nicht auszuschalten und ökonomisch zu überlegen, was tatsächlich hinter einer Risikoprämie steckt, nämlich die Entschädigung für die Übernahme eines ökonomischen Risikos. „Aus ökonomischer Sicht bleiben nur zwei Faktoren übrig: die Size-Prämie und Low-Beta-Prämie. Dort lässt sich eine Risikoprämie nachweisen“, merkte Raviol an. Abgesehen vom Size-Faktor reduziert sich für den Lupus-Alpha-Mann damit das Universum auf nur noch einen interessanten Faktor. In den sollten Investoren auch investieren, was bereits geschieht. Raviol mahnte hierbei allerdings zur Vorsicht: „Wenn viele das Gleiche tun, kann es gefährlich werden. Stichwort: Crowding.“ Ob es tatsächlich nur zwei „echte“ Faktoren gibt, wovon Raviol überzeugt ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Dass fast täglich neue Faktoren wie Pilze aus dem Boden schießen, sollte Investoren jedoch zumindest zu denken geben. Vorsicht ist geboten.
Smarte BASF
Als ein Fan von Smart Beta zeigte sich auf der Lupus-Alpha-Konferenz Dr. Gerhard Ebinger, der als Vice President Asset Management bei der BASF rund 19 Milliarden Euro managt. „Wir haben eine Aktienquote von 25 bis 30 Prozent und nutzen auch Smart Beta“, verriet er während einer Podiumsdiskussion. Für 2017 hat er sich vorgenommen, Smart Beta auch auf den Rentenbereich zu erweitern. Die relativ hohe Aktienquote, die zu 95 Prozent aktiv gemanagt ist, wird nicht abgesichert. Diesen Mut bewahrt sich die BASF auch in Zeiten, in denen es an den Märkten stürmisch wird, wie es Anfang 2016 der Fall war, als beispielsweise der deutsche Leitindex Dax unter 9.000 Punkte fiel. „Wir sind langfristig aufgestellt, wir wollen langfristig mit Aktien Geld verdienen“, so Ebinger.
Einbrüchen am Aktienmarkt gewinnt er durchaus Positives ab. Denn sie bieten tolle Zeitpunkte zum Einstieg. Das sei auch Anfang Februar 2016 der Fall gewesen. Wer damals den Schritt in den Aktienmarkt wagte, habe bis Mitte November über 20 Prozent gemacht. „Wenn man langfristig denkt und nicht prozyklisch agiert, gibt es tolle Möglichkeiten für Einstiegszeitpunkte“, ist Ebinger überzeugt.
Langfristiges Denken fällt jedoch nicht jedem Investor leicht. Schuld ist der Bilanzstichtag. „Man muss den 31. Dezember aushalten können“, merkte Lutz Horstick, Leiter Kapitalanlage Wertpapiere und Darlehen bei der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe (ÄVWL), auf der Lupus-Alpha-Konferenz an. Pensionseinrichtungen rühmen sich zwar, einen langen Investitionszeitraum vor Augen zu haben. Tatsächlich werde dieser aber häufig am 31. Dezember durch die Bilanzierung unterbrochen. Dadurch ergebe sich eine geringere Flexibilität. In Aktien ist die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe dennoch ebenfalls investiert. Mit zehn Prozent ist die Quote allerdings deutlich niedriger als bei der BASF. „Unser Fokus in der Kapitalanlage war schon immer, breit aufgestellt zu sein. Der Schlüssel ist für uns Diversifikation“, erklärte Horstick. Eine recht hohe Quote fährt das Versorgungswerk traditionell im Immobilienbereich. Derzeit liege diese bei rund 20 Prozent. Der Haken daran: Diese Asset-Klasse ist als Anlagemöglichkeit für die Münsteraner im derzeitigen Umfeld fast ausgeschöpft. Die Obergrenze liegt für Versorgungswerte bei maximal 25 Prozent. „2016 haben wir dazu genutzt, um unseren Bestand zu bereinigen. Wir haben Randstädte aus dem Portfolio genommen und uns internationaler aufgestellt“, so Horstick. Internationaler bedeutet in diesem Fall in erster Linie Investments in den USA. Das soll auch weiterhin geschehen – trotz des Wahlsiegs von Donald Trump.
Das Leid der Church of England
Den 31. Dezember buchstäblich aushalten zu können, fällt nicht nur deutschen Anlegern schwer. Im Interview mit unserer britischen Schwester-Zeitschrift „portfolio institutional“ zeigt sich auch das Pension Board der Church of England, in Person von CIO Pierre Jameson, bilanzsensitiv. „Es geht weniger darum, dass die Assets selbst risky sind. Die große Variable ist die zu einem zufälligen Zeitpunkt eingeholte Marktsicht. Zum Beispiel Aktien: Der Return aus dem Income variiert wahrscheinlich sehr wenig und die Geschäfte der investierten Unternehmen verlaufen eher stabil, so dass die damit verbundenen Schwankungen nicht mehr als einen Prozentpunkt betragen. Preisbewertungen auf dem Aktienmarkt schwanken aber wahrscheinlich um 20 Prozent pro Jahr.“ Im Original verweist Jameson noch auf einen „difficult public market wrapper“.
Zu beachten ist, dass für die Englische Kirche eigentlich – aus deutscher Sicht – komfortable dreijährige Bewertungsperioden gelten. Diese hält Jameson jedoch für sehr, sehr restriktiv: „Drei Jahre zwingen unvermeidlich zu einer ziemlich kurzfristigen Sicht.“ Die Konsequenz für die Church of England: Die Quote für entwickelte Aktienmärkte will man im sogenannten „Return-Seeking Pool“ auf 28 Prozent halbieren. Im Gegenzug sollen Private Debt, Private Equity, Low Volatility Equity von praktisch null auf zusammen 20 Prozent ausgebaut werden. Außerdem bestehen die Ziele, Hedgefonds von fünf auf neun Prozent und Infrastruktur von vier auf zehn Prozent grob zu verdoppeln. In zwei bis drei Jahren möchte die Kirche – vorausgesetzt die dafür nötigen Opportunitäten haben sich ergeben – 30 bis 35 Prozent in illiquiden Assets investiert haben, um damit laufende Ausschüttungen ohne Wertschwankungen genießen zu können. Mit den Illiquiditätsprämien verbindet Jameson noch einen weiteren Vorteil: Mit den realen Returns aus „contractual income“ könnte man auch die Bewertung der Verbindlichkeiten anders angehen. Dann wären nicht mehr Gilts die Basis für Diskontierungen.
Private Markets spielen auch für APG Asset Management, an das vier niederländische Pensionsfonds Kapitalanlagen von insgesamt 444 Milliarden Euro ausgelagert haben, eine immer größere Rolle. Darüber referierte Gerd Dijkstra, Board Member von APG Asset Management, auf dem Faros Institutional Investors Forum. Im Vergleich zu öffentlichen Märkten erwartet Dijkstra von Private Markets deutlich höhere Renditen: „Ich glaube an Investments in die echte Volkswirtschaft. Für entsprechende Club Deals haben wir nun auch mit Büros in Hongkong und New York die nötigen Kapazitäten aufgebaut.“ Die nötige Größe für diesen Ansatz hat APG, auch wenn man aufgrund der zunehmenden Zahl an Wealth Funds im Ranking abrutscht. Dijkstra erklärte: „In liquiden Märkten ist Größe von Bedeutung, aber nicht entscheidend. In illiquiden Märkten ist Größe entscheidend.“ Man könne als kleiner Investor aber auch in Infrastrukturnischen erfolgreich sein. Allerdings: „Don´t stuck in the middle.“ Das neben dem Vertrauen in die echte Volkswirtschaft zweite Glaubensbekenntnis von Gerd Dijkstra: „Technologie und Big Data werden sehr wichtig.“ Dies gilt insbesondere für liquide Märkte. „Big Data und andere neue Technologien setzen traditionelle Alpha-Strategien unter Druck“, so Dijkstra, der an dieser Stelle die Skalierbarkeit und damit verbundene niedrigere Investmentkosten von quantitativen Investmentstrategien erwähnt. Um dieser Entwicklung gerecht zu werden, baut APG IT- und intellektuelle Kapazitäten intern auf, um quantitative Ansätze selbst zu entwickeln.
Private Equity tritt aus dem Infrastrukturschatten
Für private Märkte steht klassischerweise Private Equity –, und es ist ein Verdienst von Faros, dieser Asset-Klasse auch einmal auf einer allgemeinen Investmentkonferenz eine große Podiumsdiskussion zu widmen – und damit aus dem Infrastrukturschatten zu holen. Private Equity ist zweifellos eine besondere Asset-Klasse: nicht weil die Fondsanbieter ihre Versprechen nicht einhielten – hier setzt bei Investoren ein gewisser Gewohnheitseffekt ein –, sondern weil die Investoren trotzdem zufrieden sind. „Uns wurden Laufzeiten von acht bis zehn Jahren und Renditen von 15 bis 20 Prozent versprochen. Beides stimmt nicht. Wir sind trotzdem zufrieden, weil acht Prozent per annum im Vergleich zu anderen Asset-Klassen relativ gut ist“, sagte Bernd Knobloch, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Hertie-Stiftung. Andere Investoren machten ähnliche Erfahrungen. „20 bis 30 Prozent gab es nicht“, erklärte Friedrich-Wilhelm Floren, Geschäftsführer Kapitalanlagen des Versorgungswerks der Landesärztekammer Hessen. Das Versorgungswerk investiert bereits seit dem Jahr 2000 in Private Equity und diversifiziert mittlerweile in verschiedene Subsegmente. Nun kommt noch Asien hinzu. „Mit Blick auf die Risiken erwarten wir einen IRR von mindestens zehn Prozent. In diesem Zinsumfeld kommt uns Private Equity sehr zupass“, so Friedrich-Wilhelm Floren, der die Beteiligungsquote von vier auf fünf bis sieben Prozent ausbauen möchte.
An Bedeutung gewinnt bei Private Equity das Thema „Risikomanagement“. Dieses beruht meist auf Selektion und Diversifikation. „Bei der Auswahl muss man sorgfältiger als bei liquiden Assets sein“, erklärte Professor Dr. Alexander Kolb, Verwaltungsrat bei der Wilh. Werhahn KG. „Wer nun neu zu den Anbietern geht, landet bei denjenigen, die noch Geld brauchen. Wir wollen aber zu denen, die uns keinen Termin geben wollen“, führte Kolb aus. Dass die Zeiten schwieriger werden, macht er noch an anderen Punkten fest. „Die Preise sind hoch, und die Investoren setzen die Private-Equity-Manager mit ihrer Ungeduld unter Druck, nun einen Schuss zu machen.“ Selektion ist damit auch auf Fondsebene wichtig. Dies schlägt sich auch in der Umsetzung der anwesenden Anbieter nieder. „Bei Private Equity muss man dahin gehen, wo nicht das ganze Geld hinfließt, also in kleinere, in der Umsetzung anspruchsvolle Segmente wie Turnarounds oder kleine Buyouts. Überkapitalisierte Segmente sind zu vermeiden“, so die Zielsetzung von Dr. Nils Rode von Adveq. Marco Brockhaus, Gründer und Geschäftsführer des gleichnamigen Private-Equity-Hauses, erwartet, dass im Allgemeinen die Returns von Private Equity zurückgehen. Umso mehr brauche es harte Arbeit und Disziplin bei der Suche nach Alpha. „Entscheidend ist nicht, mit einem Investmentbanker in Frankfurt gut essen zu gehen. Entscheidend ist der Deal auf der Schwäbischen Alb.“ Brockhaus Private Equity erwirtschaftet mit Beteiligungen an Innovations- und Technologieführern eine Nettorendite von 15 Prozent.
Limit vor Modell
Der Risikomanagement-Klassiker ist aber auch bei Private Equity Diversifikation. Beispiel Hertie-Stiftung: „Wir diversifizieren sehr stark nach Fonds. Somit haben wir ein sehr breites Portfolio mit verschiedenen Anbietern und bekannten Anbietern. Der Nachteil ist, dass wir dadurch in jedem Fonds nur Mitläufer und kein dominanter Investor sind“, so Knobloch, der ansonsten Limits gegenüber Modellen den Vorrang gibt. Die hessischen Ärzte behelfen sich mit der Volatilität von Aktien. Floren erläuterte: „Das passt nicht ganz. Wir denken aber, dass wir so auf der richtigen Seite sind.“
Auf Diversifikation per Dachfonds vertrauen die kirchlichen Versorgungskassen in Dortmund (KZVK und VKPB). Vorstand Dr. Wolfram Gerdes will den Dingen durch einen Look-Through aber auch auf den Grund gehen können. Sich einen Durchblick auf die Einzelinvestments zu verschaffen, erweist sich als schwierig, ist aber am Ende doch möglich. „Ich insistiere darauf, auf Einzelunternehmensebene Daten wie Umsatz oder Ebitda zu bekommen, denn ich will sehen können, ob die Unternehmen im Plan sind“, erklärte Gerdes. Einem Dachfondsinvestor sind bezüglich Korrekturmaßnahmen zwar die Hände gebunden, das Wissen um diese Daten beugt jedoch negativen Überraschungen vor, die sich bei Beteiligungen – anders als bei Aktien – mit einer schlagartigen Abwertung realisieren. Begrüßen würde Wolfram Gerdes, wenn auch andere Kunden mehr Druck machen würden, dass diese Daten von den Zielfondsmanagern auch an Dachfondsinvestoren geliefert werden.
Mehr Transparenz wird aber natürlich auch nicht helfen, dass sich die Renditen der Vergangenheit wiederholen. Auch darum hat der Vorstand der kirchlichen Versorgungskassen in Dortmund noch ein zweites Anliegen an die Anbieterseite. Die Illiquidität birgt nämlich nicht nur eine Erwartung an eine Prämie, sondern auch das Risiko, dass man sich für zwölf Jahre an ein 2-20-Fee-Modell bindet. „Andere Asset-Klassen werden auch unter Renditedruck kommen. Private Equity ist aber verhältnismäßig teuer. Das Fee-Modell ist so gestaltet, dass man möglicherweise in ein paar Jahren konstatieren muss, dass Aktien doch besser gewesen wären“, so Gerdes. Der KZVK-VKPB-Vorstand erwartet, dass es in zehn Jahren andere Fee-Strukturen geben wird.
Parallelen zu Private Equity bezüglich verfehlter Erwartungen und Gebührendiskussionen weisen Liquid Alternatives auf. Im Unterschied zu den Beteiligungsfonds sind viele Investoren jedoch von den liquiden Alternatives enttäuscht. Auf der Faros-Veranstaltung berichtete Dr. Heiko Seeger von den Erfahrungen des Versorgungswerks der Wirtschaftsprüfer und der vereidigten Buchprüfer (WPV): „Unsere Erfahrungen mit Liquid Alternatives im Ucits-Format waren, vor allem mit Blick auf Performance und Drawdown-Phasen, deutlich unter den Erwartungen. Wir haben unsere Portfolios reduziert bis aufgelöst“, berichtete der Geschäftsführer Vermögensanlagen. Immerhin: Die Diversifikation hat funktioniert – allerdings bei steigenden Aktien- und Bond-Märkten. Auch Joachim Fröhlich, Generalbevollmächtigter der Evangelischen Bank, übte Kritik: „Für Ucits wurde viel versprochen, unter anderem, dass auf die Zwei-plus-zwanzig-Fee ein Return von 600 Basispunkte kommt. Bewahrheitet haben sich dann nur die Zwei-plus-zwanzig.“
Theorie und Praxis bei Liquid Alternatives
Unisono bezeichnen es die beiden Investoren als symptomatisch, dass diese Strategien schon zuvor unter Absolute Return und noch früher als Hedgefonds vermarktet wurden. Die große Frage: Warum wurden die Erwartungen verfehlt? Ein Grund ist, dass sich viele Hedgefonds-Strategien nicht für Ucits eignen, trotzdem aber in dieses Vehikel verpackt wurden. Christian Armbrüster, Partner bei Blu Family Office, nennt noch zwei weitere Gründe: „Es gibt kaum Hedgefonds, die wirklich Market Neutral sind. Schließlich ist es mit Blick auf die Fees viel einträglicher, wenn man bei Marktanstiegen dabei ist.“ Den zweiten Grund vermutet Armbrüster auf der Anlegerseite. Diese nutze nämlich die Liquidität von Ucits immer dann zum Ausstieg, wenn die Werte am Boden liegen. Allerdings betont Heiko Seeger, dass man natürlich nicht den ganzen Markt über Ucits abgedeckt habe und man auch länger investiert gewesen sei. Einigen konnte sich die Runde darauf, dass die Asset-Klasse interessanter ist, wenn es Investoren regulatorisch möglich ist, in Offshore-Hedgefonds zu investieren.
Infrastruktur leidet unter Verstopfung
Eine neue, alte Alternatives-Klasse: Infrastruktur. Wie bei Immobilien sieht die ÄVWL aber den Spielraum für neue Investitionen als derzeit begrenzt. Bereits vor fünf, sechs Jahren ist das Versorgungswerk in diese Asset-Klasse eingestiegen. Inzwischen ist der Infrastrukturkanal nach Ansicht von Lutz Horstick verstopft. Er verweist auf der Lupus-Alpha-Konferenz auf die derzeit am Markt befindlichen Infrastrukturfonds, deren Volumina sich im Vergleich zu den Vorgängerfonds verdoppelt haben: „Wir reden über Zeichnungsvolumina zwischen zehn und 15 Milliarden Euro, die mehrere Fonds parallel einsammeln. Bei einer Investitionsphase von zwei bis drei Jahren frage ich mich: Wo geht das hin? Und zu welchem Preis wechseln die Infrastrukturprojekte nun noch die Besitzer?“ Eine Eigenkapitalrendite von vier bis fünf Prozent bei einem Windprojekt mit mehr als 70 Prozent Leverage stellt für Horstick keine adäquate Risikoprämie mehr dar.
Etwas weniger düster fällt die Einschätzung von Dr. Gerhard Ebinger in puncto Infrastruktur aus. Zwar sieht auch er, dass einige Segmente verstopft sind. Dies gelte beispielsweise für Erneuerbare Energien, in die man vor vier bis fünf Jahren hätte gehen müssen. Doch weltweit gibt es Ebinger zufolge durchaus noch Opportunitäten. Er denkt hierbei unter anderem an die Vereinigten Staaten und einige Länder in Europa, die sich dem Thema öffnen. Auf dem US-amerikanischen Kontinent sieht Ebinger aber nicht nur Chancen im Infrastrukturbereich, sondern auch in einem anderen Segment: den Municipals. „Man muss überlegen, dorthin zu gehen, wo es noch Renditen gibt. Das ist zum Beispiel bei den US-amerikanischen Kommunalanleihen, die mit AA geratet sind, der Fall. Sie liefern andere Renditen als entsprechende Pendants in Deutschland“, so Ebinger.
Die Chancen, die sich in den USA bieten, versucht auch die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe zu nutzen. Das gilt nicht nur für den Immobilienbereich, sondern auch für den Rentenbereich. Wie Lutz Horstick auf der Lupus-Alpha-Konferenz Mitte November berichtete, wurde beispielsweise die kurz zuvor erfolgte Korrektur auf der Zinsseite genutzt, um den einen oder anderen Bond zu kaufen: „Die am Markt herrschende Volatilität bietet Chancen. Diese versuchen wir für uns zu nutzen.“ Von einer echten Zinswende geht er in den USA vorerst aber nicht aus.
Methusalem-Anleihen aus Frankreich und Österreich
Noch einmal zurück zur Faros-Konferenz, wo Anleihen ebenfalls intensiv diskutiert wurden. Im Nachhinein wären – zumindest Stand heute – 30-jährige Bundesanleihen in den vergangenen Jahren das beste Investment gewesen. Dieses heutige Wissen motiviert natürlich, sich auch mit 50-jährigen Franzosen, 100-jährigen Mexikanern oder 70-jährigen Österreichern zu beschäftigen. „Wir hatten vor vier bis fünf Jahren eine große Diskussion, ob wir eine 50-jährige französische Staatsanleihe kaufen sollen“, berichtet Andreas Lindner von der Allianz Investment Management. „Wir haben dann direkt mit Frankreich über 700 Millionen Euro verhandelt und sind dann bei einer Rendite von 4,5 Prozent gelandet. Heute notiert dieser Bond bei 1,5 Prozent.“ Prinzipiell kann für Lindner auch die österreichische Staatsanleihe über 70 Jahre mit einer aktuellen Rendite von 1,75 Prozent interessant sein. Schließlich lässt die lange Laufzeit genug Raum für Kurssteigerungen.
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Für Dr. Walter Botermann, Vorstandsvorsitzender des Alte-Leipziger-Hallesche-Konzerns, sind dagegen die 70 Jahre nicht der entscheidende Punkt, „sondern das Länderrisiko Österreich. Nach dem Bruch der Ländergarantie im Fall Heta sehe ich keine weitere Investitionsmöglichkeit in diesem Land. Vielmehr wundere ich mich über das unveränderte Länder-Rating.“ Auch Lindner konstatiert einen „Verfall der Sitten. Es ist ein Kernproblem, dass Schuldner zunehmend nicht mehr für ihr Fehlverhalten abgestraft werden.“ Zudem überlegte Lindner auf der Bühne laut, warum sich die Investorenseite in solchen Fällen nicht besser organisiert.
Abzählreim: Wer fällt als erstes
Um nicht zehn Jahre lang klagen zu müssen, fanden sich die erstrangigen Investoren mit einer Rückzahlung der Heta-Anleihen von 90 Prozent ab. Heta war zweifellos ein schwerer Schlag, den man seitens eines mitteleuropäischen Landes nicht erwartet hätte. Noch düsterer fiel auf der Lupus-Alpha-Konferenz der Ausblick für Europa und die deutschen Altersvorsorgeeinrichtungen aus. „Egal, in welche Richtung wir uns beim Zins bewegen: Es wird Verwerfungen geben“, so Horstick. Wie er zu dieser These kommt, führte er mit Verweis auf die Rentenquote von 35 Prozent aus, die ihm und seinen Branchenkollegen durch Quotenbeschränkungen indirekt vorgeschrieben ist. „Wenn wir bei null Prozent stehen – und dort steht der Zins derzeit –, heißt das: Der andere Block muss sechs Prozent erwirtschaften, damit wir die vier Prozent Rechnungszins erfüllen. Wo kommen diese sechs Prozent her? Nüchtern betrachtet ist das risikoorientiert nur schwer machbar. Infrastruktur ist verstopft und Immobilien bringen schon längst keine sechs Prozent mehr.“ Im Grunde sei es ein Abzählreim. Keine Altersvorsorgeeinrichtung wolle die erste sein, die umfällt. „Wenn das derzeitige Umfeld noch ein, zwei Jahre so bleibt, wird aber genau das passieren. Zumindest bei streng kapitalgedeckten Systemen, die keine Möglichkeit haben, die Zusagen zurückzunehmen, wird irgendwann der erste umfallen. Aber das will natürlich keiner sein“, so Horstick. Mit ihrer recht ernüchternden Prognose steht die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe nicht allein, wie sich bei einer Ted-Umfrage auf der Lupus-Alpha-Konferenz zeigte. Demnach glauben 56 Prozent der Konferenzteilnehmer nicht an einen geordneten Ausstieg aus dem Niedrigzinsumfeld in Europa.
Dass die Lage der deutschen Pensionseinrichtungen inzwischen recht alarmierend ist, legt auch die neue Studie „Pension Risk Management und Anlage von Pensionsvermögen 2016“ von Willis Towers Watson nahe, an der im Sommer dieses Jahres Unternehmen und Pensionseinrichtungen aus Deutschland mit einem Pensionsvermögen von rund 90 Milliarden Euro teilgenommen haben. Demnach erwirtschaftet das Durchschnittsportfolio deutscher Pensionseinrichtungen 2016 für einen Zeitraum von zehn Jahren eine Rendite von zwei Prozent bei einer Standardabweichung von 6,6 Prozent. Im Vergleich zum Portfolio von 2014 hat sich die Renditeerwartung damit fast halbiert. Damals waren es noch 3,9 Prozent; 2015 immerhin noch 2,8 Prozent. „Die Diskrepanz zwischen der erwarteten Rendite und den notwendigen Renditezielen wird somit immer größer“, schreiben die Studienautoren von Willis Towers Watson. Um mit dem Durchschnittsportfolio als Basis eine Rendite von vier Prozent zu erzielen, müsste die Allokation in renditeorientierte Anlagen wie Aktien von rund 35 Prozent auf 90 Prozent erhöht werden. Dies würde jedoch gegen die Vorgaben des Risikomanagements verstoßen. „Viele Pensionseinrichtungen sind daher nicht mehr in der Lage im aktuellen Marktumfeld ihre Anlageziele zu erreichen“, heißt es in der Studie. Diese Entwicklung lege nahe, dass Investoren dringend zeitnah reagieren müssen.
Die schönste Überraschung 2017
Bei all diesen trüben Aussichten stellt sich die Frage: Gibt es auch noch Optimisten in Deutschland? Zumindest ein wenig optimistischer zeigte sich Dr. Gerhard Ebinger auf der Lupus-Alpha-Konferenz. Zwar glaubt auch er, dass sich das Niedrigzinsumfeld in Europa noch zwei bis drei Jahre fortsetzen wird. Zugleich hegt er jedoch Zweifel, dass die Zentralbank den Zins ewig auf null lassen kann. Sie müsse für die nächste Krise vorsorgen. Das sei nur schwer möglich, wenn die Munition verschossen ist. „Die EZB kann sich inzwischen einen Zinsanstieg vorstellen. Ein erfolgreicher Ausstieg ist noch möglich, aber man muss ihn managen“, erklärte Ebinger. Dabei macht sich der BASF-Pensionsfachmann keine Illusionen darüber, dass es Blasen gibt, die platzen werden: „Man weiß noch nicht wo. Deshalb muss man diversifiziert bleiben.“ Für ihn wäre es 2017 im Übrigen die schönste Überraschung, sollte der Zins wirklich steigen. Völlig ausgeschlossen erscheint dieser Wunsch nicht, auch wenn Zinsprognosen bekanntlich die Treffgenauigkeit einer Streubüchse aufweisen. Entsprechende Andeutungen seitens der EZB schwirren zumindest seit einigen Wochen durch den Markt.
Von Kerstin Bendix und Patrick Eisele
portfolio institutionell, Ausgabe 12/2016
Autoren: Kerstin Bendix In Verbindung stehende Artikel:
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