Strategien
11. März 2014

Wenn Fehlschläge unter den Teppich gekehrt werden

Professor Dr. Dr. Martin Weber im ­Gespräch mit ­Tobias Bürger über die vielschichtigen Aspekte der Behavioral Finance.

Herr Professor Weber, Sie beschäftigen sich an der Uni Mannheim mit Behavioral ­Finance. ­Ticken institutionelle Investoren ­eigentlich anders als Privatanleger?
Bevor ich auf die Frage eingehe, möchte ich von einem ­Seminar mit rund 20 Asset Managern erzählen. Dort habe ich die Teilnehmer gefragt: „Wer von ­Ihnen kann denn den Markt schlagen?“ ­Daraufhin haben alle die Hand gehoben.

Dann hatten Sie das Glück, mit den Besten der Zunft zu reden.
Mag sein. An anderer Stelle hatte ich die Gelegenheit, mit einer größeren Gruppe von Bankmanagern zu sprechen. Diese habe ich gefragt, wer von sich behaupten kann, das beste Kreditwürdigkeits-Prüfungssystem zu besitzen. Und auch hier waren ausnahmslos alle davon überzeugt, besser als die Kollegen ausgerüstet zu sein.

Ganz schön selbstbewusst, diese Finanz­profis. Worauf führen Sie dieses Verhalten ­zurück? Müssen sie so anmaßend sein?
Gerade das institutionelle Geschäft nimmt hier eine Sonderstellung ein. Wer Geld für andere verwaltet, muss sich immer wieder rechtfertigen und mit anderen Akteuren vergleichen. Es besteht beispielsweise im Investment-Banking häufig Overconfidence, die durch das Wettbewerbsumfeld mitunter noch verstärkt wird. Viele Akteure gaben bei ­unseren Studien zu Protokoll, sie müssten ständig Sicherheit ausstrahlen und wissen, wohin die Märkte laufen. Als Argument wird häufig vorgebracht: „Ich muss so sein und denken, ich bin der Größte, sonst würde ich es zwischen den anderen Alphatieren nicht aushalten.“
Einerseits erzieht einen das Umfeld dazu, diese Verhaltensweisen anzunehmen. Auf der anderen Seite kann es durchaus sein, dass die jeweilige Organisation ausschließlich ­solche Personen einstellt, die von der ­Tendenz her so selbstsicher sind.

Wie können Kapitalsammelstellen sicher­stellen, dass Emotionen und persönliche Zwänge in der Geldanlage außen vor bleiben?
Zunächst einmal muss jeder Marktteilnehmer lernen, dass er bestimmte Verhaltensweisen hat. Aus Sicht der Institutionen gibt es verschiedene Ansatzformen. So sollte man bestimmte Regeln aufsetzen. Ich will Ihnen das an einem Beispiel näher erläutern: Wenn ich heute Gold kaufen möchte, habe ich dafür bestimmte Beweggründe. Gleichzeitig sollte ich mir aber auch überlegen, wer mir bei der Transaktion ­gegenüber steht und sich zum aktuellen Kurs von dem Rohstoff heute trennen möchte.
Ich sollte mir regelmäßig Gedanken darüber machen, wer jetzt bereit ist zu verkaufen, wenn ich doch selbst so sicher bin, dass ein Goldkauf ein guter Deal ist. In dem Moment fange ich an, mich in die Lage des anderen zu versetzen. Oder stellen Sie sich einen ­Währungshändler einer Bank vor, der am Vormittag Verluste angehäuft hat. In der Forschung finden sich Belege dafür, dass eine solche Person am Nachmittag aggressiver handelt und die Verluste bis zum Glattstellen des Kontos am Abend wettzumachen versucht.

Sind sich die Unternehmen dieses Verhaltens bewusst?
Ja, sie kennen das Verhalten. So habe ich von einer Institution ­gehört, die dazu übergegangen ist, Händler, die am Vormittag Ver­luste angehäuft haben, am Nachmittag nicht mehr handeln zu lassen. Es muss organisatorische Regeln geben, die helfen, mit den mensch­lichen Verhaltensweisen umzugehen. Als es in der Finanzkrise den Investment-Bankern in London schlechter ging, haben manche ­Banken ihren Mitarbeitern günstige Kredite zur Verfügung gestellt.

Weil die Boni nicht gereicht haben?
Die Händler haben weniger verdient, während ihnen ihre laufenden privaten Kosten über den Kopf gewachsen sind. Die Banken ­haben das erkannt und mit günstigen Darlehen versucht, sie von ­aggressiverem Handeln abzuhalten. Wichtig ist aber auch, dass man den Mitarbeitern Feedback gibt, um dem Hindsight-­Bias entgegen­zuwirken und Transparenz in die Entscheidungssituation zu bringen. Insofern macht es für Investoren Sinn, sich ihre Argumente zu ­notieren, die zu einer ­bestimmten Anlageentscheidung geführt ­haben. Später kann man sich dann noch einmal vor Augen führen, warum man sich so entschieden hat.

Der Hindsight-Bias besagt, dass Menschen im Nachhinein behaupten, sie hätten eine Entwicklung so kommen sehen. Helfen hier Entscheidungsbücher, in denen Gründe für das Handeln notiert werden?
Auf jeden Fall. Anleger erinnern sich gern an ihre Erfolge, während Fehlschläge unter den Teppich gekehrt werden. Problematisch wird es dann, wenn sie glauben, dass sie ein toller Händler sind und diese Sichtweise ihr Verhalten beeinflusst. Wenn Händler vor Arbeitsbeginn zu einer gemeinsamen Meinung über die weitere Markt­entwicklung, etwa eines bestimmten Wechselkursverhältnisses, ­gelangen, sollte man das Ergebnis notieren. Damit kann man sich selbst Feedback verschaffen, um den Hindsight-Bias zu umgehen.

These: Investoren blicken auf Ihre Peer-Gruppe und machen aus Angst vor Underperformance alle das Gleiche.
Wenn Sie als Asset Manager von Ihrer Benchmark abweichen, sind Sie mit einer asymmetrischen Belohnung konfrontiert. Sind Sie ein paar Punkte besser als Ihr Vergleichsmaßstab, kann es durchaus sein, dass Ihr Bonus etwas höher ausfällt. Liegen Sie aber fünf ­Prozent unter der Benchmark, ist das mitunter schädlich für die Karriere. ­Also ist es rational, an der Benchmark stärker dranzubleiben. Es ist eine Aufgabe der Organisation, gegen dieses Verhalten vorzugehen. Überspitzt gesagt müsste man denjenigen mit dem größten Verlust ­belohnen, weil er sich Gedanken gemacht und etwas anderes überlegt hat. Man muss die Entscheidung in den Vordergrund rücken und nicht das Ergebnis. Man kann doch nicht nur die Personen in der ­Organisation belohnen, die mit dem Strom schwimmen.

portfolio institutionell, Ausgabe 2/2014

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