Traditionelle Anlagen
9. Dezember 2014

Weder nachteilig noch nachrangig: Nachhaltigkeit bei Corporate Bonds

Zu den Themen „Nachhaltigkeit“ und „Unternehmensanleihen“ ­findet der interessierte Anleger jede Menge Studien. Zum Thema „Nachhaltigkeit bei Unternehmensanleihen“ ist das Angebot jedoch dürftig. Diese Lücke haben nun Oekom Research und die UN PRI mit einem Leitfaden verkleinert. Neben den beiden Dokumenten lernten Besucher einer Oekom-Tagung auch zwei Nachhaltigkeits­ansätze von Investoren kennen.

Nachhaltige Investments entwickeln sich in der Breite und in der Tiefe immer weiter – aber nicht in allen Asset-Klassen. Mit Fixed ­Income ist im Nachhaltigkeits-Research ausgerechnet die größte ­Asset-Klasse unterrepräsentiert, insbesondere im Vergleich zu ­Aktien. Wenn Anleihen im ESG-Spiegel betrachtet werden, liegt der Fokus in der Regel auf sogenannten Green Bonds, also der Finanzierung von umweltfreundlichen Projekten, und seit der Finanzkrise auf Nachhaltigkeits-Ratings von Staatsanleihen. Mit Analysen zu Entwicklungshilfegeldern, Bildungsniveau, Atomenergie, Todesstrafe, Rechtssicher­heit oder anderen Aspekten jenseits der Analysefelder von S&P, Moody’s und Fitch befassten sich zum Beispiel Sarasin, Axa Investment Managers, Union Investment oder Robeco-Sam. Mit der Nachhaltigkeit von Corporate Bonds wiederum beschäftigten sich in erster Linie US-Studien.

Für Kapitalanleger wären jedoch Analyseschwerpunkte und Angebote, die besser die eigene Lebenswirklichkeit beziehungsweise die Asset-Allokation von institutionellen Portfolios widerspiegeln, wünschenswerter. Wie eine Studie unter deutschen Altersvorsorgeeinrichtungen zu nachhaltigen Investments von Dr. Axel Hesse (SD-M) im Jahr 2011 ergab, erwarten Altersvorsorgeeinrichtungen mehr nachhaltige­ Angebote in mit Aktienrisiken behafteten Anlage­arten. Wünschen würden sich die Befragten aber auch mehr Nachhaltigkeitsangebote von Rentenfonds, die in Unternehmensanleihen und in Pfandbriefe investieren. Ersterer Wunsch aus der SD-M-Studie wurde den Investoren nun etwa drei Jahre später von Oekom Research und VIF – Verantwortlich Investieren an den Finanzmärkten sowie von den PRI erfüllt. Oekom und VIF veröffentlichten eine Studie zur ­Bedeutung von Nachhaltigkeitskriterien für die Beurteilung von Anlage­chancen und -risiken bei Unternehmensanleihen. Die PRI ­erstellte mit Unterstützung der KfW und Union Investment einen Fixed ­Income Investor Guide. Beide Papiere wurden im Oktober auf einer Oekom-Tagung in Frankfurt am Main vorgestellt.

Dass Nachhaltigkeitsstudien zumindest bislang ihren Schwerpunkt in der Regel auf Aktien hatten, dürfte einmal daran liegen, dass sich Aktienrisiken eigentlich nur zwischen liquiden und illiquiden ­unterscheiden lassen, ansonsten die Aktie aber ein einheitliches ­Vehikel für die Verbriefung einer Unternehmensbeteiligung darstellt. Dagegen fächert sich Fixed Income in verschiedenste Subsegmente auf. Außerdem erleichtern die für gelistete Unternehmen geltenden Transparenzvorschriften den Nachhaltigkeits-Research. Dafür, dass jedoch ein auf Anleihen fokussiertes SRI-Research für Praktiker mehr Nutzen stiftet, lassen sich schnell Argumente finden. Schließlich ist der Großteil der Anlagegelder in Bonds investiert. Mit Ausnahme von Staatsanleihen ist Fixed Income illiquider als Aktien. Zudem ist die Laufzeit endlich. Selektionsfehler lassen sich also weniger leicht ausbügeln oder aussitzen. „Außerdem ist man in der Regel in einzelnen Anleihen langfristiger als in einzelnen Aktien investiert. Ein Bond­investment hat oft Buy-and-Hold-Charakter, Aktien werden eher ­gehandelt als gehalten“, argumentiert Dr. Stefan Klotz von VIF.

Gemäß den Ergebnissen von auf den US-Markt fokussierten Analysen scheinen ESG-Risiken eine größere Rolle zu spielen als positive Leistungen auf diesem Gebiet. Darin spiegelt sich das asymmetrische Rendite-Risiko-Profil von Fixed-Income-Investoren wider. Eine ­weitere Erkenntnis ist, dass bei bonitätsschwachen Unternehmen der positive Einfluss guter Governance wächst, dagegen ökologische Risiken an Bedeutung verlieren, da das Unternehmen ohnehin als riskant gilt.  

Nachhaltigkeits-Ratings zielen auf zwei Motive ab: Einmal wollen prinzipiengeleitete Investoren die eigenen Ziele und Werte auch bei den Anleiheemittenten sehen. Zum anderen gehen rendite- und ­risikoorientierte Investoren davon aus, dass die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien dabei hilft, die Chancen und Risiken eines Emittenten besser zu verstehen. Als Beispiel hierfür nennt Oekom die Defizite von Tepco und BP bei der Anlagensicherheit. Diese seien nicht nur unter Umweltgesichtspunkten höchst problematisch, sondern zeigen zudem auch große Risiken für den finanziellen Erfolg der Unternehmen auf.

Untersuchung I: die Bilanzqualität

Mit der Thematik „Fixed Income und Sustainability“ befasste sich Oekom in zwei Studien. Die erste Studie ging der Frage nach, ob man aus dem Oekom-Nachhaltigkeits-Ranking Rückschlüsse auf die ­Bilanzstrukturen der Unternehmen und damit auf die Zahlungs­fähigkeit ziehen kann. Wie sich aus den Untersuchungen der Münchner Rating-Agentur ergab, treffen Anleger, die auf Basis eines ­überdurchschnittlichen Nachhaltigkeits-Ratings in Corporate Bonds investieren, eine Auswahl unter Unternehmen mit im Schnitt gesünderen Bilanzstrukturen. Global betrachtet geht eine numerische ESG-Notenstufe im Schnitt mit einer um 5,8 Prozentpunkte höheren ­Eigenkapitalquote einher, europaweit betrachtet liegt die Eigenkapitalquote um 8,1 Prozentpunkte höher. „Je besser also die Nachhaltigkeits-Rating-Note, desto höher die Eigenkapitalquote und damit die Schuldnerqualität“, fasst Stefan Klotz die Ergebnisse zusammen. ­Dabei tritt dieser Effekt bei der ökologischen Dimension deutlich überzeugender auf als bei der sozialen.

Skeptiker mögen an dieser Stelle einwenden, dass sich eben nur bilanzstarke Unternehmen Nachhaltigkeit leisten ­können. Oekom ­argumentiert dagegen mit Zahlen, dass die Ursache-Wirkungs-­Relation andersherum besteht, da Nachhaltigkeit eine ­Basis für wirtschaftlichen Erfolg ist. 

Untersuchung II: die Spreads
Die zweite Studie befasste sich damit, ob ein besseres Nachhaltigkeits-Rating mit niedrigeren Kreditkosten einhergeht. Dieser Frage zur Relevanz des Oekom-Ratings gingen Prof. Timo Busch von der Universität Hamburg und Julian Kölbel von der ETH Zürich nach. Das Ergebnis: Bei einer Verbesserung um eine Nachhaltigkeits-­Notenstufe reduziert sich der Spread um gut zehn Prozent. Gerade in der aktuellen Niedrigzinsphase, so betonen die Forscher, ist dies eine bemerkenswerte Größenordnung. Zudem wurde noch eine andere Studie aus dem Jahr 2011 ­erwähnt, laut der für ein Unternehmen ­mittlerer Bonität, das im Schnitt einen Spread von 150 Basispunkten zu erwarten hat, die ­ökologische Performance einen Spread-Unterschied von bis zu 80 ­Basispunkten bewirken kann.

Dieser Vorteil des Emittenten muss für den Investor aber kein Nachteil sein. Nachhaltigkeitsbewusste Anleihenanleger müssen nicht unbedingt bei der Rendite Abstriche machen. Vielmehr könne der Anleger zur Optimierung seiner Risikopositionierung wählen, ob er einer ­Anleihe A eine alternative Anleihe B vorzieht, die bei besserem Nachhaltigkeits-Rating ein etwas schlechteres Credit-Rating aufweist – beide sollten etwa die gleiche Rendite abwerfen. Als noch wichtiger sei für den Anleger aber der Aspekt zu werten, dass er mit dem Nach­haltigkeits-Rating vorübergehende Fehlbewertungen einer Anleihe exakter ­erkennen und so seinen finanziellen Ertrag verbessern könne.

Praxis I: Ausschlüsse gegen Reputationsrisiken
Die Studienergebnisse, wonach die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten finanzielle Vorteile birgt, sind für Investoren ­ermutigend. Viele Investoren verfolgen jedoch mit nachhaltigen ­Investments in erster Linie das Ziel, Reputationsrisiken zu ­vermeiden. In diesem Sinne äußerte sich zum Beispiel Carolin Nierhoff, Leiterin Controlling und Vermögensmanagement von Aktion Mensch e. V., die zu den Studienergebnissen und allgemeinen Nachhaltigkeits­themen auf der Oekom-Veranstaltung in einer Paneldiskussion ­Stellung nahm. „Wir haben seit fünf Jahren eine Anlagestrategie, in der das Thema Nachhaltigkeit Priorität genießt. Uns ist wichtig, ­Reputationsrisiken zu vermeiden“, so Carolin Nierhoff. Umgesetzt wird die Nachhaltigkeitsstrategie über Ausschlüsse. Unsicher war man sich bei dem gemeinnützigen Verein jedoch, ob die Verringerung des Anlageuniversums nicht auch nachteilig sein könnte oder inwiefern nachhaltige Investments sich auch positiv auf die Rendite auswirken. „Mit Blick auf ­diese Aspekte freuen wir uns über die ­Studienergebnisse“, erklärte Nierhoff. In einem Punkt konnte die ­Studie jedoch nicht weiterhelfen. „Die größte Herausforderung ist für uns die Definition von Nachhaltigkeit“, so Nierhoff.

Praxis II: Engagements bei Staatsanleihen
Ebenfalls dem Thema „nachhaltige Investments“ hat sich die Verka­ VK Kirchliche Vorsorge VVaG verschrieben. „Wir haben bei der ­Implementation unserer Kapitalanlagenstrategie das magische Dreieck erweitert. Die Anlage orientiert sich dabei an einem Viereck, in dem die Nachhaltigkeit die gleiche Bedeutung wie Rendite, Risiko und Liquidität hat“, erklärt Verka-Vorstand Ewald Stephan auf dem Podium. Bei der ESG-Umsetzung arbeitet die Verka prinzipiell mit Ausschlüssen und ergänzt diese fallweise um Best-in-Class-Ansätze und vereinzelte Engagementaktivitäten sowie Themeninvestments. Dies ist beispielsweise bei Staatsanleihen der Fall, die die Verka in Spezialfonds hält. Hier ist im Bereich der Emerging-Markets-Staatsanleihen neben gezielten Ausschlüssen ein Best-in-Class-Ansatz ­umgesetzt, der – interessanterweise – auch durch Engagements ­gezielt unterstützt wird. „Wenn die emittierenden Länder auf Road­show sind, unterstützt uns hier die DeAWM mit Engagements. Mit diesen lässt sich auch tatsächlich etwas bewirken“, berichtet Verka-Vorstand Ewald Stephan. „Allerdings haben wir hier gegenüber der Benchmark einen gewissen Renditenachteil, den wir aber bewusst hinnehmen – zumindest solange, bis Venezuela vielleicht doch einmal ausfällt“, so Ewald Stephan. Während sich die Verka bei Fixed ­Income freiwillig mit Ausschlüssen einschränkt, ist die Einschränkung bei Infrastruktur und im Bereich der Erneuerbaren Energien eher unfreiwillig. „Es ist für uns im derzeitigen regulatorischen ­Umfeld schwierig geworden, in Erneuerbare Energien zu investieren“, so Stephan, der sich flexiblere Vorschriften wünscht.

Zu Engagements bei Staatsanleihen bekennen sich übrigens laut dem Fixed-Income-Leitfaden der PRI etwa 20 PRI-Unterzeichner. Deutlich mehr verneinen dagegen, hier tätig zu sein. Für Engagements bei Staatsanleihen bieten sich laut PRI verschiedene Stakeholder an. Beispiele: staatliche Agenturen, klassische Rating-Agenturen, Regulatoren, Banken und PRI-Plattformen.   

Dass eine nachhaltige Ausrichtung vor einem Default von ­Venezuela oder anderen Emittenten schützen kann, ist möglich. Die Extrakosten für die ESG-Umsetzung sind jedoch sicher. Diese schmerzen die beiden Investoren jedoch trotz Niedrigzins nicht. Carolin Nierhoff: „Der Nachhaltigkeitsgedanke ist bei uns von der ­Zinssituation unabhängig. Die Extrakosten für Oekom sind überschaubar und gut investiertes Geld, da die Downside niedriger ist.“ Ewald Stephan ­bezeichnet Nachhaltigkeitskosten von zwei bis drei Basispunkten als verkraftbar. Wichtiger ist für den Verka-Vorstand jedoch die ­Umsetzung der eigenen Anlagekriterien.

Die besondere Rolle der Governance
Viele Anregungen zur Umsetzung enthält der kürzlich veröffentlichte Fixed Income Investor Guide der PRI. Wie breit das Feld ­jenseits der Financials ist, zeigt zum Beispiel der Hinweis von Breckinridge Capital Advisors zur Einschätzung der Rückzahlungswahrscheinlichkeit von Revenue-backed Municipals. Diese ist umso höher, je weniger das betreffende Objekt politisch kontrovers ist. Krankenhäuser und Schulen sind also kreditwürdiger als ein neues Stadion. ­Bezüglich Corporate Bonds enthält der Leitfaden die Statistik, dass 81 Prozent der PRI-Signatoren systematisch die Governance eines Emittenten analysieren. Bei den Faktoren „Umwelt“ und „Soziales“ sind es dagegen nur jeweils 67 Prozent. Dies überrascht nicht, wenn man sich an die Defaults der Unternehmen Enron, Worldcom und Parmalat beziehungsweise die damaligen Skandale um Bilanzen und Incentives ­erinnert. Aus diesen drei Fällen lässt sich die Lehre ziehen, dass eine schlechte Governance die größte Gefahr für den Unternehmensfortbestand darstellt. Oekom Research führt in seinen Analysen Governance nicht als eigene Dimension, sondern lässt Governance unter „Soziales“ einfließen.

Von Patrick Eisele

portfolio institutionell, Ausgabe 11/2014

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