Was deutsche Immobilienanleger jetzt planen
Mitte Juni traf sich die deutsche Immobilienszene zur Investment-Expo 2024 in Berlin. Dabei wurde deutlich, dass der Abwärtszyklus der Immobilienwirtschaft noch nicht abgeschlossen ist. Wer was plant, erfahren Sie hier.
Berlin ist immer eine Reise wert. Das gilt selbst dann, wenn die Mobilität in der Metropole aufgrund außergewöhnlich strenger Sicherheitsvorkehrungen während des Besuchs eines ausländischen Staatsgastes eingeschränkt ist – und man sich selbst als akkreditierter Medienpartner einer Fachkonferenz einer ausgiebigen Polizeikontrolle unterziehen muss. Aber die Verzögerungen im Betriebsablauf ließen sich im Hinblick auf das reichhaltige Veranstaltungsprogramm der Macher der Investment-Expo 2024 am 12. und 13. Juni verschmerzen. Veranstaltungsort war einmal mehr der Zoo-Palast im Berliner Ortsteil Charlottenburg gegenüber des von der Polizei zeitweise komplett abgeschirmten Waldorf Astoria Hotels.
Die Investment-Expo ist ein Netzwerk-Event für den Austausch für Immobilien- und Infrastruktur-Investoren. Ruecker Consult ist es auch in diesem Jahr wieder gelungen, das Who’s Who in die deutsche Bundeshauptstadt zu holen. Offensichtlich tatkräftige Unterstützung erfuhr das Team der PR-Agentur von den Mitgliedern seines Beirats. Allen voran dessen Vorsitzender, Prof. Dr. Steffen Sebastian vom IREBS Institut für Immobilienwirtschaft der Uni Regensburg. Angereist waren auch die zahlreichen Beiratsmitglieder – zum Beispiel Sandy Bierwirth-Zeussel (ehemals Soka-Bau), Dr. Anton Buchhart von der Barmenia, Sascha Pinger (WPV) und Jan Schlüter (seit Mitte April 2024 bei Provinzial Asset Management).
Verfrühte Hoffnungen
Steffen Sebastian begrüßte die Besucher der Investment-Expo 2024 allerdings mit einer negativen Botschaft. Der Inhaber eines Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung sagte, es gebe im aktuellen Abwärtszyklus der Immobilienwirtschaft viele Meinungen zur angeblich bevorstehenden Trendwende. Dabei machte der Experte deutlich, dass die Hoffnung bei den meisten Nutzungsarten jedoch unbegründet sei. Von wegen „stay alive until 25“ – ein hoffnungsvolles Motto, das man in der krisengeplagten und von Wertverlusten betroffenen Immobilienszene derzeit des Öfteren hört. Soll heißen: Wer bis dahin nicht untergeht, übersteht die aktuelle Krise. Sebastian outete sich dem gegenüber als Realist: „Ich habe noch kein Modell gesehen, das zeigt, dass es 2025 einen Aufschwung geben wird.“
Ferner begrüßte der Immobilienprofi die Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB). Sebastian sagte, die EZB habe mit ihrem ersten und viel kritisierten Zinssenkungsschritt das Richtige getan. Zugleich hob er hervor, dass damit nicht automatisch sinkende Zinsen im längeren Laufzeitenbereich von um die zehn Jahre – der für Immobilienanleger von viel größerer Bedeutung sei – verbunden sind. Grund sind die Inflationserwartungen der Marktteilnehmer. Wenn sich die Meinung durchsetzt, dass die EZB die Inflation nicht mit Nachdruck bekämpft, steigen die Inflationserwartungen und die Renditen im Laufzeitenspektrum. Daher führten Senkungen der EZB-Leitzinsen nicht automatisch zu sinkenden Anleiherenditen.
Und auch mit Blick auf die seit einiger Zeit sinkenden Immobilienpreise und die rückläufige Nachfrage nach Büroimmobilien sieht Sebastian zunächst keine Trendumkehr. Zwar hatte sich die Bundesregierung wenige Tage vor der Investment-Expo 2024 auf die Wiedereinführung der Wohngemeinnützigkeit geeinigt. Wer bezahlbare Wohnungen baut, soll steuerlich gefördert werden. Das könnte auch dem an Auftragsmangel leidenden Bauhauptgewerbe Hoffnung auf bessere Zeiten geben. Die geplante Wiedereinführung der steuerlich geförderten Wohngemeinnützigkeit bezeichnete Sebastian aus Investorensicht allerdings als Luftnummer.
Investment-Expo 2024: Ifo-Präsident spannt den Bogen zur Volkswirtschaft
Im Anschluss ergriff Ifo-Präsident Prof. Dr. Dr. Clemens Fuest das Wort. Er äußerte sich zu den gesamtwirtschaftlichen Perspektiven und sprach auch über das Bauhauptgewerbe. „Deutschland befindet sich in der Stagflation“, so Fuest. Das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt werde in diesem Jahr nur um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zunehmen. Und das Baugewerbe sei in einer schwierigen Situation, wie der Ökonom betonte. Die Bautätigkeit im Hochbau liege danieder und sei so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
„Wir haben hausgemachte Probleme in Deutschland. Nicht alle negativen Einflüsse kommen, wie oft behauptet wird, von außen.“ Die wirtschaftspolitische Unsicherheit in Deutschland sei im Vergleich zu den anderen Ländern Europas besonders ausgeprägt“, sagte Fuest mit Blick auf die Arbeit der Bundesregierung und verglich die Unsicherheit mit der Großbritanniens nach dem Brexit. Mit Blick auf die Preiserwartungen des Ifo-Instituts geht der Politikberater und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München davon aus, dass die Preise im Hochbau eher sinken, im Dienstleistungssektor hingegen nicht.
In seinem Vortrag äußerte sich Fuest unter anderem auch zum Umbau der deutschen Wirtschaft hin zur Klimaneutralität. Dieser erfordere zusätzliche Investitionen, warnte der Ökonom. „Wir wollen die Wirtschaft transformieren und fossiles Kapital ersetzen. Um das hinzubekommen, müssten wir mehr investieren.“ Bei der Dekarbonisierung handelt es sich Fuest zufolge um Investitionen, die keine neue Produktionskapazität schaffen. „Das ist in etwa so, als wenn sie ihr Haus abreißen und ein neues Haus bauen. Besser wäre, neben ihrem Haus ein Mietshaus zu errichten.“ Problematisch daran, gerade im Hinblick auf die gesamtwirtschaftlichen Wachstumsperspektiven, sei der sinkende Konsum. Denn nur so ließe sich der finanzielle Kraftakt der Dekarbonisierung stemmen.
„Wir dürfen dabei aber die Anpassung an die Klimaerwärmung nicht vergessen“, warnte der Ifo-Präsident mit Blick auf den Hochwasserschutz. Das Thema war zum Zeitpunkt der Investment-Expo 2024 hochaktuell, angesichts von Überflutungen in Bayern. Aber auch diese Investitionen erhöhten das Produktionspotenzial nicht. Fuests Botschaft: Es werde weniger Wachstum geben.
Treibhausgasemissionen im Aufwärtstrend
Für viel Gesprächsstoff sorgte eine Präsentationsfolie Fuests, die die jährlichen Treibhausgasemissionen Deutschlands mit denen der EU, Chinas und der Welt verglich. Demnach sinken hierzulande und in der EU die Treibhausgasemissionen seit den Ölpreisschocks. In den USA befinden sie sich hingegen eher in einem Seitwärtstrend. In China wiederum vollzieht sich seit der Jahrtausendwende ein drastischer Anstieg. Und auch bei den globalen Treibhausgasemissionen gibt es einen scharfen Anstieg. „Deutschland und die EU spielen keine Rolle beim Weltklima“, schlussfolgerte Fuest. „Klimaschutz ist einfach zu teuer.“ Die Technologie müsse billig sein, um sich durchzusetzen.
Ein Konferenzbesucher äußerte mit Blick auf die ernüchternde Statistik, dass der Rückgang der Treibhausgasemissionen dennoch auch in Deutschland Priorität haben müsse. Wer sich nicht zu Hause um die Reduzierung von Treibhausgasemissionen verdient mache, könne schlecht von Schwellenländern fordern, weniger Öl und Gas zu verbrauchen.
Barmenia bevorzugt energieeffiziente Immobilien
In anschließenden Podiumsdiskussionen sprachen institutionelle Investoren wie Dr. Anton Buchhart, Sascha Pinger und Jan Schlüter über ihre Immobilienanlagen und auch Pläne, die sie in anderen Anlageklassen verfolgen. So äußerte Anton Buchhart, Hauptabteilungsleiter Kapitalanlagen bei der Barmenia Versicherungsgruppe, die Beobachtung, dass sich die „Zinsfront“ beruhigt habe. „Aber es sieht nicht so aus, als ob die langfristigen Zinsen fallen. Sie sind unser Gradmesser für alle Anlageklassen.“ Ebenso wie andere Großanleger hat die Barmenia Zinsträger im Zusammenhang mit der Niedrigzinsphase jahrelang gemieden. „Dieses Portfolio füllen wir wieder auf zu sehr auskömmlichen Zinsen“, wie Buchhart erläuterte. Die Neuanlage geht nun wird mehr in Richtung Fixed Income. Es sei eine graduelle Anpassung der Untergewichtung bei Zinsanlagen. Zwar seien die Risikoprämien von Immobilienanlagen gegenüber anderen Asset-Klassen sehr niedrig. „Aber das ist keine Absage an Immobilien“, so Buchhart.
Großes Interesse äußerte der Hauptabteilungsleiter Kapitalanlagen bei der Barmenia Versicherungsgruppe einerseits an energieeffizienten Gebäuden. Dabei gab er an, dass die Preisschere zwischen „alten Schätzchen“ und neuen Immobilien deutlich auseinander gehe. Andererseits richtet Buchhart den Fokus auf Immobilienanlagen im Ausland. In Asien und zum Beispiel Hongkong sei Homeoffice kein Thema, kommentierte Buchhart aus Investorensicht. „Da ist im Büro mehr Platz als in der eigenen Wohnung.“
Auf der Konferenz wurde wiederholt die Aussage getroffen, dass die Schockstarre an den Immobilienmärkten vom Tisch sei. Besucher prognostizierten, dass es in absehbarer Zeit wieder mehr Transaktionen geben werde. Treiber der Erholung könnten „nicht-traditionelle Investoren“ wie Family Offices sein. Sie könnten insbesondere den kriselnden Projektentwicklungsmarkt aus dem Wasser ziehen, hieß es.
WPV zeigt sich positiv gegenüber Asien/Pazifik-Region (ex China)
Sascha Pinger, Geschäftsführer des Versorgungswerks der Wirtschaftsprüfer und der vereidigten Buchprüfer im Lande Nordrhein-Westfalen (WPV), machte während einer Podiumsdiskussion deutlich, dass die Immobilienallokation des WPV zu jeweils etwa 35 Prozent auf den Nutzungsarten Büro und Wohnen aufbaut. Aber auch das im Vergleich zu anderen Nutzungsarten recht gefragte Logistiksegment ist für Pinger von Interesse. „Wir fühlen uns bei Logistik wohl.“ Der Schwerpunkt der Immobilienanlagen des WPV liegt in Europa. Und ebenso wie für die Barmenia spielen Immobilien im Ausland für die Allokatoren des WPV eine zunehmend wichtige Rolle, um das Portfolio breiter aufzustellen.
Rund 14 Prozent* der gesamten Immobilienallokation befänden sich in Asien/Pazifik, wie Pinger hervorhob. Die Hälfte davon entfällt auf Australien. Stichworte in dem Zusammenhang waren die hohe Transparenz und die Aussicht auf Überrendite, etwa bei Investments in Studentenwohnheime.
Jan Schlüter, Geschäftsführer der Provinzial Asset Management GmbH, kündigte in Berlin an, dass für ihn und sein Team in Zukunft Investments in Nordamerika auf der Agenda stehen werden. Schlüter begründete die „neue Immobilienstrategie“ mit der schieren Größe der Vereinigten Staaten: „Ein Drittel des global investierbaren Immobilienvermögens liegt in den USA. In Deutschland sind es sechs Prozent.“ Daher steht bei der Provinzial demnächst eine strukturierte Managerselektion ins Haus. Für einen neuen Masterfonds will Schlüter mehrere Manager an Bord holen. In der geplanten Anlagestruktur soll es offene Fonds „als Grundrauschen“ geben. Hinzukommen sollen geschlossene Fonds und Club Deals on top, kündigte Schlüter an.
Save the date
Wir sind bereits gespannt auf die nächste Investment-Expo. Wie der Veranstalter mitteilte, soll der Immobilien- und Infrastrukturkongress am 21. und 22. Mai 2025 stattfinden.
*In einer früheren Version dieses Textes stand: 40 Prozent. Das ist nicht korrekt, wir bitten um Entschuldigung.
Autoren: Tobias BürgerSchlagworte: Immobilien
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