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23. Juli 2024

OCIO: Warum das Interesse am ausgelagerten Investmentchef wächst

Im Lager der Asset Manager und Finanzdienstleister grassiert weltweit das Übernahmefieber. Warum nun ausgerechnet Spezialisten für delegierte Investmentdienstleistungen, OCIO, gefragt sind, und wer zukaufen will, erfahren Sie hier.

Abseits der statischen Anbieterszene in Deutschland, die nur hin und wieder mit Übernahme- oder Beteiligungsplänen einzelner Unternehmen (wie zum Beispiel von KKR an Encavis oder der Commerzbank an Aquila Capital Management) größere Aufmerksamkeit auf sich zieht, grassiert im Alternatives-Bereich außerhalb der Bundesrepublik das Übernahmefieber. Zu beobachten ist einerseits, dass die Asset-Management-Größen aus der liquiden in die alternative Welt drängen. Auf diese Weise versuchen sie, sich höhere Margen und stabilere Geschäftsergebnisse zu sichern – und dem Kundeninteresse nachzukommen.

Beispielsweise hat der ETF-Weltmarktführer Blackrock für 12,5 Milliarden Dollar mit GIP den mit Assets under Management von 100 Milliarden Dollar größten unabhängigen Infrastruktur-Manager übernommen. Blackrock steigert damit seine Infrastruktur-Assets um 200 Prozent. Das Thema der Fusionen und Übernahmen auf der Anbieterseite ist auch für institutionelle Investoren von großer Tragweite. Laut dem aktuellen Global ­Private Equity Barometer von Coller Capital gehen 64 Prozent der darin Befragten davon aus, dass wenigstens einer der Private-Equity-Manager, in dem sie aktuell investiert sind, in den nächsten zwei Jahren mit einem anderen Manager fusionieren oder von einem anderen Manager übernommen wird. In Europa rechnen fast drei Viertel der Anleger mit dieser weiteren Konsolidierung. Das Übernahmekarussell bleibt demnach nicht stehen. Ganz im Gegenteil.

Aktuell sind auch Asset Manager und Beratungsfirmen, die institutionellen Investoren delegierte Investmentdienstleistungen wie das „Outsourced Chief Investment Office“ (OCIO) anbieten, gefragte Übernahmeziele. Besonders großen Appetit hat der in New York beheimatete Berater und Vermögensmanager Mercer. Der Ableger des Marsh-McLennan-Konzerns hat angekündigt, den Londoner OCIO-Anbieter Cardano übernehmen zu wollen. Das im Jahr 2000 gegründete Unternehmen betreut 50 Pension Funds im Heimatmarkt Großbritannien und in den Niederlanden. Cardano verwaltet mit über 500 Mitarbeiter ein Vermögen von rund 66 Milliarden US-Dollar. Nach Vertragsabschluss soll Cardano in das Geschäft von Mercer und Marsh McLennan integriert werden.

Mercer auf Einkaufstour

Vorigen Dezember hatte Mercer bereits eine Vereinbarung zur Übernahme des OCIO-Geschäfts der Vanguard-Gruppe vermeldet. Der Geschäftszweig mit dem Namen Vanguard Institutional Advisory Services bietet Anlageverwaltungsdienstleistungen für gemeinnützige Organisationen und andere institutionelle Anleger in den USA an und betreut Vermögenswerte in Höhe von 60 Milliarden US-Dollar. Mercer hat große Pläne für den Ausbau seines OCIO-Geschäfts, das vom Trend zur weitgehenden Auslagerung des Investmentprozesses auf der Kundenseite profitiert.

In der Welt der Investment Consultants ist Mercer laut dem Fachmagazin „Pensions & Investments“ das größte Unternehmen mit einem betreuten Vermögen von 16,2 Billionen US-Dollar (global assets under advisement, Stand: Juni 2023). Alles in allem verfügt der Multi über ein verwaltetes Vermögen in Höhe von 489 Milliarden Dollar (global assets under management, Stand: 31. März 2024).

Kunde von Mercer ist beispielsweise der Global Crop Diversity Trust aus Bonn. Im Mai 2022 wurde Mercer Global Investments Europe zum ausgelagerten Investmentchef für den Welttreuhandfonds für Kulturpflanzenvielfalt ernannt. Als OCIO unterstützt Mercer die im Jahr 2004 gegründete Non-Profit-Organisation bei der Vermögensanlage und im Risikomanagement. Das Vermögen des Treuhandfonds betrug zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vor zwei Jahren etwa 300 Millionen Euro.

Auch andere Dienstleister stocken ihr OCIO-Geschäft auf

Nicht nur Mercer, sondern auch andere Finanzdienstleister wittern ihre Chance im OCIO-Geschäft. Im April wurden Pläne bekannt, denen zufolge die Finanz- und Vermögensberatung Cerity Partners den OCIO-Spezialisten Agility von Perella Weinberg Partners Capital Management übernehmen wird. Am Ende des vergangenen Jahres verwaltete Agility ein Vermögen von 15 Milliarden US-Dollar.

Auf der Anbieterseite heißt es, mehr und mehr Anleger nutzten ausgelagerte Investmentlösungen (die Bezeichnungen hierfür variieren von Land zu Land), um ihre Herausforderungen anzugehen. Dazu gehören laut Mercer Kostendruck, betriebliche Ineffizienzen und Ressourcenbeschränkungen bis hin zu regulatorischen Änderungen, Manager-Sourcing, Zugang zu Private Markets und die Integration von ESG-Themen in Portfolios.

Ein Grund für den Trend zum OCIO oder auch dem artverwandten Fiduciary Management ist einerseits die zunehmende Bandbreite von Anlageklassen. Andererseits ist es das Mehr an Regulatorik, das den Trend hin zu mehr Arbeitsteilung und zu professioneller Beratung beschleunigt, argumentiert der in Frankfurt am Main beheimatete Berater Faros, der selbst in dem Geschäft aktiv ist.

Der Unterschied liegt im Detail

OCIO und Treuhandmanagement (Fiduciary Management) sind beides Delegationsansätze, die institutionelle Anleger zur Verwaltung ihrer Investitionen nutzen. Die Konzepte unterscheiden sich jedoch in ihren Parametern. Darauf weist der Vermögensverwalter, Fiduciary Manager sowie OCIO-Hilfesteller Schroders hin. „Manchmal werden die Begriffe austauschbar verwendet, als ob sie das­selbe wären“, dabei gebe es wichtige Unterschiede zwischen den beiden Ansätzen, heißt es von dort. Der Hauptunterschied zwischen OCIO und Treuhandmanagement besteht laut Schroders im Grad der Kontrolle, den der auslagernde Investor über die Anlagepolitik und die Vermögensallokationsentscheidungen behält. Wer einen OCIO mandatiert, verfügt über mehr Kontrolle, während der Fiduciary Manager im Gegensatz dazu mehr Ermessensspielraum habe.

Institutionelle Anleger können sich je nach ihren Anlagezielen, ihrer Governance-Struktur und ihren Ressourcen aus verschiedenen Gründen für OCIO, Treuhandmanagement oder – was auch denkbar ist – für eine Reduzierung der Komplexität entscheiden. Mit Blick auf letzteren Aspekt haben sie die Möglichkeit, „die Grenzen des eigenen Governance-Budgets zu akzeptieren und ihnen mit einem Portfolio gerecht zu werden“, das in der Anzahl der eingesetzten Asset-Klassen und Manager, der Komplexität der Strategien und nachfolgender regulatorischer Anforderungen überschaubar bleibt, schreiben Nikolaus Schmidt-Narischkin und Matthias Paetzel vom Berater und OCIO-Spezialisten WTW in einem Fachbeitrag. „Eine entsprechende Reduktion von Komplexität auf einen beherrschbaren Umfang ist sinnvoll.

Ausgeblendet werden dabei allerdings die mit einem solchermaßen ‚naiven Portfolioansatz‘ verbundenen Risiken eingeschränkter Diversität (…)“, warnt das Duo. Die Alternative besteht aus ihrer Sicht in der „nachhaltigen Fremdvergabe, der weitgehenden Auslagerung des Investmentprozesses und der damit verbundenen Möglichkeit, deutlich komplexere Portfolios zu implementieren“. Der Berater und OCIO-Dienstleister Aon merkt an, dass ein ausgelagerter Chief Investment Officer letztlich darauf abzielt, Portfolios zu schützen und zugleich das Beste aus ihnen herauszuholen.

Während sich in Deutschland erst in den letzten Jahren ein Markt für das Outsourced Chief Investment Office im Sinne eines unabhängigen, externen CIO entwickelt hat, nehmen die USA eine Vorreiterrolle ein. Das zeigt die Studie „The Asset Owner 100“ des Thinking Ahead Institutes (TAI), das sich als Forschungsnetzwerk versteht. Die im November 2023 veröffentlichte Studie liefert Erkenntnisse und Trends zu den 100 größten Vermögenseigentümern der Welt. OCIOs klassifizieren demnach als „Asset Owner“, das heißt als Vermögensinhaber.

OCIOs bilden eine der mächtigsten Anlegergruppen

Im Ranking der 100 mächtigsten Anleger bilden sie gemeinsam mit den sogenannten Master Trusts, das sind betriebliche Altersversorgungssysteme mehrerer Arbeitgeber, neben Staats- und Pensionsfonds die drittgrößte Anlegergruppe. Die folgenden sieben Unternehmen verwalten laut TAI jeweils mehr als 100 Milliarden Dollar im OCIO-Geschäft: Auf den Platzhirsch Mercer (auf Rang 17 im Gesamt-Ranking) folgen Goldman Sachs (22), Blackrock (30) und Aon (35) knapp vor WTW Investment Services (43), State Street Global Advisors (48) und Russell Investments auf dem 50. Platz.

Nach Jahren des Wachstums betreuen OCIOs und Master Trusts inzwischen mehr als acht Prozent des von der Studie betrachteten Gesamtvermögens in Höhe von zuletzt 23,4 Billionen US-Dollar. Der Anteil der OCIOs ist in jüngster Zeit stetig geklettert. Entfielen 2017 noch 7,2 Prozent der hier betrachteten Kapitalanlagen auf ­diese Gruppe, waren es 2021 bereits 7,4 und nunmehr 8,3 Prozent. Im Vergleich mit Staatsfonds und Pension Funds fällt auf, dass OCIO-Fonds im gewichteten Durchschnitt den höchsten Anteil festverzinslicher Anlagen (38,5 Prozent) halten, gefolgt von Aktien (35,0 Prozent) und 26,5 Prozent alternativen Anlagen.

In Nordamerika ist der Stellenwert der OCIOs wesentlich höher als im Rest der Welt. Auch das zeigt die TAI-Studie. Demnach halten OCIOs/Master Trusts mit Hauptsitz in Nordamerika 23 Prozent der Vermögenswerte, die den weltweit 100 größten Asset Ownern zugerechnet werden. An Pension Funds kommen sie aber nicht vorbei. Diese dominieren das Lager der mächtigsten Großanleger in Nordamerika, wo sie 75 Prozent des Vermögens repräsentieren. Das von nordamerikanischen Treuhändern wie Mercer, Goldman Sachs und Blackrock gesteuerte Kapital stammt allerdings nicht ausschließlich aus der Region, wie das TAI deutlich macht. Der Treuhänder N. M. Superannuation Proprietary Limited ist der einzige OCIO/Master Trust im Asset-Owner-100-Ranking, der nicht in den USA, sondern in Australien beheimatet ist.

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