Versorgungswerke
9. Juni 2015

VWDA entwirft neue Architektur

Beim Versorgungswerk der Architekten­kammer Baden-­Württemberg (VWDA) hat man sich gegen eine lang­andauernde Niedrigzinsphase gewappnet. Aber auch gegen wieder steigende Zinsen und fallende Aktien ­sowie dem damit einhergehenden Bilanzdruck.

„Vor fünf Jahren hatten wir noch 90 Prozent unserer Assets extern. Heute halten wir allein 800 Millionen Euro unserer knapp vier ­Milliarden Euro (jeweils Buchwerte) an Assets direkt“, erklärt Sven Röckle, der die Altersvorsorgegelder der in Baden-Württemberg, Hamburg und Schleswig-Holstein ansässigen Architekten verant­wortet. Damit steht das Versorgungswerk nicht allein. „Direktanlagen finden bei Investoren, vor allem im Pensionsfonds- und Versicherungsbereich, immer mehr Anklang, um das Gesamtportfolio stärker zu diversifizieren“, teilt beispielsweise der Administrationsdienst­leister Société Générale Securities Services mit. Eine Besonderheit des Architekten-Versorgungswerks liegt jedoch in dem stark gestiegenen Internalisierungsgrad des Asset Managements und dem hohen Anteil an Alternatives (Beteiligungen, Infrastruktur, Immobilien et cetera) von etwa 20 Prozent.

Warum Insourcing Sinn macht
Für eine verstärkte Internalisierung, die künftig noch weiter ­ausgebaut werden soll, sprechen beim VWDA verschiedene Motive. Ein naheliegender Grund ist die Einsparung von Kosten. Schließlich fallen Management Fees beim bestehenden Zinsniveau relativ hoch aus. Allerdings sind die Kapitalverwaltungskosten dann offen auszuweisen. Wie dem Geschäftsbericht 2013 zu entnehmen ist, stiegen die Kosten aus der Verwaltung der Kapitalanlagen. Die Kostenerhöhung ist im Wesentlichen auf höhere Due-Diligence-Kosten für alternative Anlageformen zurückzuführen und die Erweiterung der Organi­sationseinheit „Kapitalanlagenverwaltung“. Letzteres resultiert aus der Entscheidung der verstärkten Umschichtung von Spezial-Sondervermögen in Direktbestandinvestments in den zurückliegenden fünf Jahren. Zudem entstehen beim Direktbestand laufende Kosten für das Reporting-System und die Ratings eines externen Anbieters aus der Schweiz sowie Kosten für das externe „Nachpreisen“ der vom ­Versorgungswerk eingekauften Zins- und Kreditstrukturen.

Boutiquen bevorzugt
Ein weiteres Motiv für die Internalisierung sind die Asset ­Manager: Komplexitätsprämien lassen sich zwar in der Regel nur durch einen Asset Manager erschließen, diese Prämien werden aus Röckles Sicht dann aber auch nur vom Asset Manager vereinnahmt. Schwerer wiegt die Unzufriedenheit mit Asset Managern in der zurückliegenden Dekade. „Die Bereitschaft, sich mit den Bedürfnissen des VWDA, wie der Erwirtschaftung ordentlicher Erträge, wirklich zu befassen, war meist nicht besonders ausgeprägt“, erläutert Röckle. Um die Geld­verwalter für die Anforderungen des VWDA zu sensibilisieren und diese bei der Entwicklung von hilfreichen Ansätze zu unterstützen, ist das Versorgungswerk auch bereit, möglicherweise passenden Managern die kompletten Kapitalanlagen offenzulegen.

Noch am ehesten findet die Stuttgarter Einrichtung die nötige Aufgeschlossenheit gegenüber den eigenen Anforderungen auf der Produktanbieterseite bei Boutiquen. Für einen Dividendenansatz von Assenagon fungierte das Architekten-Versorgungswerk als Seed-­Investor und war in die Entwicklung des Ansatzes miteinbezogen. Wichtig sind die ordentlichen Erträge vor allem deshalb, weil sie eine wichtige Rolle im Risikotragfähigkeitskonzept des VWDA spielen. Dieses bezieht sich beim VWDA nicht nur auf die Reserven, sondern auch auf die Gültigkeit eines angemessenen Anlagehorizontes und auf den Ausfinanzierungsgrad des Rechnungszinses durch ordent­liche Erträge.

Die Durchschnittsverzinsung des Direktbestandes betrug ­übrigens Ende 2013 mit Blick bis 2018 im Worst-Case-Szenario 4,5 Prozent. Das Worst-Case-Szenario unterstellt, dass die variablen Bestandteile aus dem Zinsstrukturenbereich keine Erträge liefern. Damit ist der Rechnungszins, der nach wie vor bei vier Prozent liegt, im Direktbestand erst einmal gesichert. Gehalten werden kann ein attraktives Leistungsniveau perspektivisch angesichts des Zinsumfeldes aber nur durch die Eingruppierung in die höchste Risikoklasse nach dem Konzept der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungswerke. Dadurch kann die gesamte Asset-Klassen-Klaviatur gespielt werden. ­Zudem braucht es aber, um das aktuelle Leistungsniveau auf Dauer zu halten, gemäß der auf Einzelwertbasis durchgeführten ALM-­Studien auch einen Prozentpunkt mehr im Zinsbereich und der Vergangenheit analoge durchschnittliche Risikoprämien im Bereich der Immobilieninvestments, Alternatives und Aktien.

Eine Chance, diese Mehrrendite zu erzielen – und gleichzeitig das wichtigste Argument pro Internalisierung – ist eine Verbesserung der Handlungsfähigkeit und Handlungsschnelligkeit. Wie der Verwaltungsratsvorsitzende Eckart Rosenberger im Geschäftsbericht ­ausführt, wurden der Komplexitätsgrad und die Anforderungen an die Managementkompetenz innerhalb des Versorgungswerks wesentlich erhöht. „Nicht mehr allein die Vermögensanlageentscheidungen, ­sondern auch die Organisation der Kapitalanalgenverwaltung selbst finden in verstärktem Umfang im Hause des Versorgungswerks selbst statt. Die Reaktionsfähigkeit auf strategische wie auch taktische Veränderungen wurden dadurch erheblich verbessert.“
Master-­KVGen werden nun auf ihr Overlay-Angebot verweisen. Das Versorgungswerk verweist dagegen auf seinen großen Bestand an Alternatives. In diesem Segment spielt auch ein vom Architekten-Versorgungswerk aufgesetzter Renewable-Ansatz und damit verwandte­ Infrastruktur­investments eine Rolle. Dieser wurde als Evergreen gestaltet, um die Handlungsmöglichkeiten des Managements bei einem sich veränderten politischen Umfeld zu vergrößern. Dieser Fonds und ähnliche Strategien trugen auch maßgeblich dazu bei, dass das Versorgungswerk ein Netzwerk im Bereich Alternatives aufbauen konnte. „Nur über unsere Netzwerke erfahren wir von Investitionsmöglichkeiten. In einem solchen Fall haben wir auch einmal sehr kurzfristig 250 ­Millionen Euro Eigenkapital bei einem Investitionsvolumen von 500 Millionen Euro bereitstellen und allokieren können, um uns eine ­Opportunität im Immobilienbereich zu sichern“, so Röckle, der hinzufügt, dass Opportunitäten schnell vergeben sind.

Vom Controller zum Entscheider
„Wir haben uns vom Controller und strategischen Asset-Liability-Manager zum aktiven Kapitalanlageentscheider entwickelt“, fasst Röckle die Entwicklung zusammen, die er auch als „Quantensprung“ bezeichnet. Basis hierfür war eine intensive Aufarbeitung der ­Thematik zusammen mit den Gremien des VWDA. Schließlich war die Organisation jahrelang darauf ausgerichtet, dass an Asset ­Manager Mischfondsmandate vergeben werden, dann deren Performance ­beobachtet wird und Risikomanagement vor allem darin besteht, durch die Zuführung neuer Mittel „Cost Averaging“ zu betreiben und die Asset-Allokation zu steuern. Hierfür mussten die nötigen recht­lichen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen werden. „Heute haben wir einen sehr schlagkräftigen Anlageausschuss“, so Röckle. Der Anlageausschuss besteht aus vier Personen, das Front­office aus Sven Röckle und Robert Poetzsch. „Entscheider“ zu sein, bedeutet derzeit vor allem „aktives Bestandsmanagement“ zu betreiben, also bestehende Asset-Klassen zu optimieren und Reserven zu bewirtschaften. Das Insourcing führt beispielsweise bei Schwellen­länderanleihen dazu, dass man fokussierter agiert, um auf die sich ­abzeichnenden Divergenzen in dieser Asset-Klasse zu reagieren.

Die Controlling-Beschreibung hat sich ebenfalls weiterent­wickelt. Zwar ist traditionell das Marktpreisrisiko von Aktien im ­Fokus des Risiko­managements. Schließlich lag die Aktienquote nie unter 20 Prozent. Dies auch deshalb, da die Liquidität von Aktien die Handlungsfähigkeit erhält. „Die Gesamtportfoliosicht ist aber heute viel stärker in den Vordergrund gerückt“, so Poetzsch.

Dies ist auch als Notwendigkeit zu verstehen, da das Versorgungswerk seine Diversifikation seit 2002, als die damaligen ­Mischfonds mit dem damaligen Aktieneinbruch Probleme hatten, insbesondere mit Unternehmensanleihen  und Alternatives deutlich ausgebaut hat. Heute befindet man sich beispielsweise mitten in der Erarbeitung von Co-Investments und der Entwicklung eines
Debt-Fonds für Mittelständler. Renewable-Investments muss man ­differenziert ­betrachten. „Bei Offshore-Windparks drücken die Zeiträume­ bis zum Anschluss stärker auf die Rendite als gedacht“, kommentiert Röckle. Bei klassischen Renewables sieht er die Sechs-Prozenter als ­verschwunden an. Chancen böten noch Projekt­entwicklungen, wobei auch hier Netzwerke die „conditio sine qua
non“ seien.­

Credits: Tauschgeschäfte statt Buy-and-Hold
Eine Asset-Klasse, die derzeit die besondere Aufmerksamkeit von Röckle und Poetzsch genießt, sind die im Direktbestand gehaltenen Credits. Diese möchte man eigentlich bis zur Endfälligkeit halten. ­Dagegen spricht, dass die üppig aufgelaufenen stillen Reserven nach einer aktiven Bewirtschaftung beispielsweise in Form von Tausch­geschäften „schreien“. Eine künftige Liquidierung von Corporate Bonds im steigenden Zinsumfeld wird sich im Liquiditätspraxistest aber als wirtschaftlich gesehen überraschend ineffizient und lang­wierig erweisen.

Die Deutsche Bundesbank liefert die hierfür passende theore­tische Untermauerung in ihrem „Stabilitätsbericht 2014“. In diesem bezeichnet die Bundesbank den Rückzug vieler Banken aus dem ­Market Making auf den Anleihemärkten als strukturelles Phänomen. Die Bereitschaft, auch nur kurzfristig größere Positionen als Market Maker in die eigenen Bücher zu nehmen, sei zurückgegangen. Für die Bundesbank kommt hinzu, dass in Krisensituationen Vermögensverwalter aufgrund ähnlicher Geschäftsmodelle tendenziell auf der­selben Marktseite stehen könnten.

Risikomanagement neu gedacht
Dass heute die Marktteilnehmer immer stärker entweder auf der Käufer- oder der Verkäuferseite stehen, befürchtet auch Röckle, für den Risikomanagement aus diesem Grund neu gedacht werden muss: „Verkäufer produzieren Verkäufer und verschiedene Asset-Klassen korrelieren gegen eins. Davor schützt auch eine Internationalisierung des Portfolios nicht.“ Schutz sucht das Architekten-Versorgungswerk darum seit einigen Jahren in alternativen Anlagen, in der Internalisierung, dem verbesserten Risikomanagement und vor allem in echtem aktiven ­Asset Management.

Von Patrick Eisele

portfolio institutionell, Ausgabe 5/2015

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