Schwarzer Schwan
16. Oktober 2015

Von Muttern und Madonnnen

Wie aus einer großen Geldsammlung eine große Kunstsammlung wird und wie man diese sinnvoll speichert.

Ein russischer Oligarch hat es auch nicht leicht. „Einem Teil dieser speziellen Spezies fehlt oft die Kultur und die Bildung", kritisierte der renommierte Reichtumsforscher Thomas Druyen kürzlich in einem „Handelsblatt“-Interview. Ausgestattet mit der „Greencard“ für alles Materielle lässt sich Kultur zum Beispiel in Form von Kunst freilich kurzerhand kaufen. So kommen neureiche Russen laut Druyen zwar nicht direkt zur Kunst, aber über riesige Motoryachten und teure Fußballclubs immerhin zu jungen Kunststudentinnen. Diese Beuteschemata lassen sich auch als Ausdruck einer gewissen Unsicherheit deuten, wie mit Geld Sinnvolles oder auch Anerkennung geschaffen werden kann. 
Wie man langfristig in Kunst investiert und mit einer Kunstsammlung seinen eigenen Weg geht, beziehungsweise wie aus einer sehr großen Geldsammlung auch eine sehr große Kunstsammlung werden kann, demonstriert der „König der Schrauben und Muttern": Reinhold Würth. Gestartet bereits in den 1960er Jahren mit einem Nolde-Aquarell, schlug Würth souverän die Ratschläge von Kunstberatern für den Aufbau einer Sammlung – „Konzentration", „aufstrebende Künstler", „Markttrends beachten" – in den Wind. Würth vertraut lieber seinem Geschmack. So war er beim Sammeln auch nicht auf Kunstflüsterer wie Helge Achenbach angewiesen, der von anderen vermögenden Sammlern wegen seines einnehmenden Wesens strafrechtlich belangt wurde. 
Leistungsschau im doppelten Sinne
Dafür uferte die Sammlung des Selfmademan mit heute sage und schreibe 17.000 Skulpturen, Malereien und Grafiken aus den verschiedensten Epochen und Kunstrichtungen etwas aus. Ein Gerhard Richter hat die Inventarnummer 8.553, ein Lucas Cranach der Ältere die 9.325 und eine Skulptur von Max Ernst die 13.592. Böswillig könnte man behaupten, dass die wahllos wirkende Sammlung der Firma Würth lediglich als Requisitenfundus für eine Leistungsschau der Befestigungs- und Montagetechnik dient. Und dass die Sammelleidenschaft ob ihrer finanziellen Potenz, wie bei der Holbein-Madonna, bei staatlichen Museen nur Leiden beziehungsweise Lücken schafft. Würth schuf sich dagegen verschiedene Kunstspeicher, die aber auch der Öffentlichkeit und den Mitarbeitern zugänglich sind. 
Andere vermögende Deutsche machen sich dagegen um den Segelsport verdient. Nach Reichen-Recherchen des Manager Magazins lassen die Herren mit den besonders gut geordneten finanziellen Verhältnissen legendäre Segeljachten nachbauen – mitsamt technischen Neuerungen, wie einer einziehbaren Kielflosse und großzügig angelegten Weinkellern. Eine Motorjacht von russisch-neureichen Dimensionen besitzt in Deutschland jedoch nur einer: Reinhold Würth. Im Vergleich ist die Yacht des Schraubenkönigs aber nicht übermäßig protzig. Das Spielzeug von Roman Abramowitsch, der den FC Chelsea mit vielen Millionen alimentiert, ist mit 162,5 Metern fast doppelt so lang. Bestimmt braucht Würth auch nur deshalb eine große Motorjacht, weil man darin mehr Kunst unterbringen kann als auf einem Segelschiff. 
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein schönes Wochenende. 
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