Von Kontinent zu Kontinent
Wachstumspotenziale einerseits, viele Krisenherde andererseits: Das Meinungsbild zu Emerging Markets ist sehr unterschiedlich. Die Diskussionsrunde zu Schwellenländern zeigte Wege auf, wie Ersteres abgedeckt und Letzteres vermieden werden kann.
Jean Asselborn wirkte fast zwei Jahrzehnte als Außenminister Luxemburgs und gilt als Freund klarer Worte, der Fehlentwicklungen deutlich anspricht. Damit hatte er in seiner Eröffnungsrede auf der Jahreskonferenz besonders viel zu tun. „Leider ist das, über was ich nun reden möchte, nicht das Allerschönste. Außenpolitik in dieser Zeit ist knallhart.“ Ob man nun gerade in dieser Zeit in Schwellenländer investieren sollte? Dazu äußerte sich Asselborn nicht. Auf dem Panel zu Emerging Markets war man sich jedoch einig, dass man es sollte – Stichwort „wirtschaftliche Dynamik“ – und es weniger um das „ob“, sondern um das „wie“ geht.
Für Investoren sind für die Umsetzung des Emerging Markets Exposures vor allem die Aspekte Nachhaltigkeit und Risikomanagement relevant. „Nachhaltigkeit ist für uns als gemeinnützige Organisation sehr wichtig. Auf diesem Feld haben sich die Emerging Markets auch sehr gut weiterentwickelt. Als wir in 2010 starteten, um in Aktien und Anleihen aus Schwellenländern zu investieren, war es noch gar nicht so einfach, an ESG-Daten zu kommen“, sagte Jens Güldner, Leiter Vermögens- und Stiftungsmanagement der Johannesstift Diakonie. Für diesen Investor ist auch das Risikomanagement ein „wichtiger Baustein“. „Strategisch wollen wir mit mindestens fünf Prozent in den Emerging Markets investiert sein. Taktisch kann es mitunter aber auch notwendig sein, die Quote zu reduzieren“, erläuterte Güldner.
Besonders stark der Nachhaltigkeit verbunden sind Investoren mit kirchlichem Hintergrund. Die Evangelische Ruhegehaltskasse ist für die entsprechende Portfolioausrichtung vor etwa zehn Jahren stark in Vorleistung gegangen. „Wir waren in Südkorea und China, um uns vor Ort ein Bild zu machen. Dort trafen wir nicht nur Unternehmen, sondern haben uns auch mit kirchlichen Vertretern, sozialen Institutionen und anderen ausgetauscht. Zudem haben wir eine große Studie beauftragt“, berichtete Vorstand Klaus Bernshausen in der Diskussionsrunde. Zwei wichtige Erkenntnisse für die Ruhegehaltskasse damals: „Emerging Markets sind sehr spannend und es ist möglich, dort Gelder nachhaltig in Aktien, Staats- und Unternehmensanleihen anzulegen, sofern man bestimmte Kriterien beachtet“, so Bernshausen, der hinzufügt, dass große Teile des damals gewonnenen EM-Know-hows auch den Weg in den Leitfaden für ethisch-nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche gefunden hat.
Besonders spannend, aber gerade unter geopolitischen Gesichtspunkten nicht unbedingt nachhaltig, ist China. Mit der Taiwan-Frage brodelt ein Extrem-Event. Tobias Ripka von Wellington Management empfiehlt darum zum einen, einen Index zu wählen, in dem China relevant, aber nicht dominant ist. Zum anderen, mit aktivem Risikomanagement vorzubeugen. Als globaler Asset Manager ist Wellington auf der Aktien- und auf der Bond-Seite in den Schwellenländern unterwegs. „Grundsätzlich ist unser Ansatz in den Emerging Markets, viele unabhängige Alpha-Treiber im Portfolio zu kombinieren und übergeordnete Risiken wie die Geopolitik auszubalancieren und dann über den Zyklus mit einem sehr hohen Information Ratio Mehrwert zu schaffen“, erläuterte Ripka. Alpha sieht Wellington in Lateinamerika. „Regional betrachtet ist Asien mit Blick auf die geringen Spreads eher überbewertet. Dagegen finden wir sehr interessante Opportunitäten in Lateinamerika, wo Risiken gut kompensiert werden.“ Ein attraktives Risiko hätten ebenfalls die EU-Beitrittskandidaten. Wichtig ist, das ganze EM-Spektrum zu nutzen. Ripka: „Ein signifikanter Teil unserer Outperformance kommt aus den Frontier Markets.“
Ein nachhaltiger Weg in das Reich der Mitte führt über Green Bonds. „Wenn es um Klimafragen geht, kann man China nicht ausschließen“, sagte Lisa Turk, Fondsmanagerin für Emerging Market Credits bei Edmond de Rothschild. „Es gibt in China viele innovative Unternehmen, die sehr leistungsfähige Lösungen zur Bekämpfung des Klimawandels entwerfen.“ Bei EM Green Bonds handelt es sich um einen relativ neuen Markt, der laut Turk aber bereits viel Tiefe sowie Liquidität aufweist und stark wächst. „Auch wenn man nur in Green oder Sustainability Bonds investiert, ist es möglich, ein breit diversifiziertes und nachhaltiges EM-Credit-Portfolio aufzubauen.“ Nach der Überprüfung von quantitativen Kriterien komme bei Green Bonds mit der qualitativen Analyse der wichtigste Schritt: „Die Unternehmen und deren grüne Projekte müssen gründlich analysiert werden“, so Turk.
Matthews Asia ist auf asiatische Aktien spezialisiert – und auf aktives Management. „Man muss in China sehr selektiv vorgehen. Außerdem machen wir bei den meisten unserer chinesischen Unternehmen Engagements“, erklärte CIO und Portfoliomanager Sean Taylor, der in Hongkong ansässig ist. Grundsätzlich sei in China von Investoren Geduld gefragt, betont Taylor. „Chinas ökonomisches Modell wandelt sich von großen Immobilienprojekten hin zu kleineren Projekten mit mehr Qualität und mehr nachhaltigem Wachstum. Diese Transition braucht aber Zeit.“ Matthews Asia ist aber nicht nur in China, sondern zum Beispiel auch in Südkorea unterwegs. Dort würden Engagements gerade bei Mid Caps Wirkung entfalten. „Die Gremien dieser Unternehmen wollen dazulernen und ihre ESG-Ratings verbessern“, so Taylor.
Neben Asien, Indien und Lateinamerika ist der afrikanische Kontinent oft noch nicht so präsent bei Investoren – obwohl dort nach Einschätzung von Lisa Turk sehr große Wachstumschancen bestehen. Der High Yield Fund von Edmond de Rothschild habe ein Exposure von 20 bis 25 Prozent zu Afrika. Allerdings sei das Dollar-Segment etwas beschränkt. „Nur wenige afrikanische Unternehmen sind für Hard-Currency-Emissionen groß genug. Diese kommen dann vor allem aus dem Bankensektor, aber auch aus den Branchen Öl und Gas sowie Telekommunikation.“
Zum Panel konnten die fünf Diskutanten Einschätzungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln beitragen. In der Abschlussrunde zog das Quintett aber ein fast einheitliches Fazit aus den eigenen Erfahrungen zur Umsetzung von Investments in den Emerging Markets. „Es braucht einen Partner, der Zugriff auf die Informationen vor Ort hat“, riet Klaus Bernshausen. Unisono sagten Lisa Turk und Sean Taylor, dass man nicht in Unternehmen investieren sollte, die man nicht kennt. Dies impliziert wiederum einen aktiven Ansatz. Dazu sagte Jens Güldner: „Risikomanagement ist auch Chancen-Management – und Chancen sollte man sich aktiv erarbeiten.“ Etwas abweichend davon betonte der ehemalige Berater Tobias Ripka die Allokationsebene und schloss das von Jeanette Leuch von der Schweizer Invalue AG engagiert moderierte Panel mit einem sehr grundsätzlichen Rat ab. „Emerging Markets haben auf jeden Fall eine Rolle für die strategische Planung. Was Investoren also vermeiden sollten, ist, nicht zu investieren.“
Autoren: Patrick EiseleSchlagworte: Emerging Market Debt
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