Versorgungswerke
3. März 2017
Versicherungsverband nimmt Trumps Deregulierungspläne ins Visier
Der Chefvolkswirt des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Dr. Klaus Wiener, äußert sich in einem vom GDV konzipierten Interview zu einem bunten Strauß von Themen. Wir fassen die Highlights zusammen.
Donald Trump prüft eine Lockerung der Regulierung des US-Finanzmarktes, von der auch Versicherer betroffen wären – indirekt und direkt. Danach befragt, ob er die Pläne des neuen US-Präsidenten begrüßt, entgegnet Wiener: „Gerade auf den globalen Finanzmärkten können wir keinen Wettbewerb um die weichsten Regulierungsvorschriften brauchen.“ Das sei eine Frage gleicher Wettbewerbsbedingungen, findet der GDV-Chefvolkswirt und wird deutlicher: „Kleine und große Unternehmen, inländische und ausländische Unternehmen, etablierte und neue Unternehmen, wie Insurtechs: Alle sollten auf demselben Spielfeld nach denselben Regeln spielen müssen.“
Rückblickend ruft Wiener, der vor seinem Wechsel zum GDV im Jahr 2015 bei der Assicurazioni Generali die taktische Vermögensverwaltung leitete und ebenfalls als Chefvolkswirt tätig war, die enormen volkswirtschaftlichen Schäden der Finanzkrise in Erinnerung. „Aus der Finanzkrise wurden viele Lehren gezogen, die auch zu einer deutlich verschärften Regulierung geführt haben. Dennoch sollte das Ausmaß einer Regulierung stetig überprüft werden, denn die mit der Einführung und dem Betrieb des Systems verbundenen Kosten sind enorm.“ Regulierung müsse effizient sein und Wachstum zulassen, immer dem Grundsatz folgend: So viel wie nötig, so wenig wie möglich, argumentiert der promovierte Ökonom, der beim GDV als Geschäftsführer Fragen zur Gesamtwirtschaft, Finanzmärkten und Kapitalanlage verantwortet.
Danach befragt, ob er Beispiele geben könne für Regulierungsvorgaben, die das Wachstum in Europa unverhältnismäßig behindern, sagt er: „Nehmen Sie die Vorschriften zur Kapitalunterlegung des europäischen Aufsichtsregimes Solvency II: Die halten wir Versicherer teilweise für zu hoch angesichts des tatsächlichen Risikos. Das gilt zum Beispiel für Investitionen in Infrastruktur, Immobilien oder Venture Capital.“ Und im Hinblick auf Regulierungsfragen in Deutschland fügt Wiener kritisch hinzu: „Die Formel zur Berechnung der Zinszusatzreserve für Lebensversicherungen spiegelt die reale Welt längst nicht mehr wider – und belastet Lebensversicherer heute unverhältnismäßig.“
Wiener wird gefragt, wie wichtig der US-Markt als Anlageziel für deutsche Versicherer ist. Seine Antwort: „Grundsätzlich hat der US-Markt natürlich eine sehr hohe Bedeutung für die Kapitalanlage in Europa. Steigen die Zinsen in den USA wir derzeit, wird dies nicht ohne Folgen für die Anleihemärkte im Euro-Raum bleiben“, argumentiert er. Ähnliches gelte für die Aktienmärkte, fügt Wiener hinzu. „Deutsche Versicherer investieren aber auch direkt in den USA: in US-Staatsanleihen etwa und auch in Aktien.“ Die neuen Produkte der Lebensversicherer erlaubten ja eine risikoreichere und damit potenziell auch renditeträchtigere Anlagestrategie – auch im Ausland, erinnert Wiener.
Wettbewerbsdruck und Regulierungsflut
Eine weitere Frage zielt auf die Lockerung der Finanzmarktregulierung in den USA ab und darauf, ob sich Europa dem in einer globalisierten Welt entziehen könne? Wiener sagt, dass der Wettbewerbsdruck damit zunehmen würde und damit wohl auch der Druck auf die europäischen Aufsichtsbehörden. „Aber wie gesagt: Die Sinnhaftigkeit von Regulierung sollte ohnehin regelmäßig überprüft werden. Die Wirtschaftspolitik der USA spielt dabei sicher eine wichtige, wenn auch nicht die alles entscheidende Rolle. Zuallererst geht es um Verbraucherschutz. Ob und in welchem Ausmaß der gewährleistet ist, gilt es im Blick zu haben und zu diskutieren“, so die Einschätzung des GDV-Mannes.
Ob er den Grad der Regulierung in Europa für „optimal“ hält, wird Wiener noch gefragt. Seine Antwort: „In Europa wird die Regulierung keinesfalls untertrieben. Ich möchte daran erinnern, dass überbordende Regulierung Wachstumsimpulse unterdrücken kann. Dabei geht es nicht ums Zocken – wenn wir etwa die Kapitalanlage in Private Equity, Aktien, Unternehmensanleihen oder Infrastruktur erleichtern, profitiert davon die ganze Volkswirtschaft – und damit auch unsere Kunden und Sparer.“ Gerade in der Niedrigzinsphase müssten „wir die Anlagestrategie überdenken, zumal risiko- und damit chancenreichere Anlagen bei europäischen Sparern ohnehin unterrepräsentiert sind.“
Das vollständige Interview finden Sie hier.
portfolio institutionell newsflash 03.03.2017/Tobias Bürger
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