Versicherer kritisieren Marktmacht der US-Rating-Agenturen
GDV-Stellungnahme: Faktisches Oligopol schadet Investoren und beeinträchtigt Effizienz der Kapitalmärkte. Kritik an Geschäftspraktiken.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, GDV, sieht die Geschäftspraktiken und die marktbeherrschende Stellung der drei großen US-Rating-Agenturen mit Sorge. In einer aktuellen Stellungnahme im Rahmen einer Konsultation der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA formuliert der Verband deutliche Kritik an den großen US-Rating-Agenturen, deren Marktmacht Investoren und Märkten Schaden zufüge. So habe die europäische Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA Ende März 2020 einen Call for Evidence zur Verfügbarkeit und Nutzung von Rating-Informationen und Daten veröffentlicht. Die Konsultation richtet sich insbesondere an die Nutzer von Rating-Informationen und -daten. Mit der Befragung der Stakeholder möchte die ESMA erfassen, welche Rating-Datenerfordernisse zum Beispiel hinsichtlich Format, Häufigkeit, Umfang oder Verfügbarkeit vorliegen und inwiefern diese Bedürfnisse von den Informationsangeboten auf der European Rating Platform (ERP) und den öffentlichen Websites der Rating-Agenturen (CRAs) gedeckt werden. Der GDV hat die Konsultation begrüßt und umfassend zu den aufgeworfenen Fragen Stellung genommen.
Lizenzvereinbarungen: Investoren haben das Nachsehen
Als eine der größten institutionellen Anlegergruppen verwenden Versicherer regelmäßig Rating-Informationen für das Kapitalanlagemanagement, das Risikomanagement, die aufsichtsrechtliche Berichterstattung sowie für Rechnungslegungszwecke. Externe Rating-Informationen sind somit für die europäischen Versicherer unverzichtbar. Mit Sorge sieht der Verband daher die gegenwärtigen Geschäftspraktiken der drei größten in den USA ansässigen Rating-Agenturen. Der Verband ist der Ansicht, dass die oligopolartige Struktur des Rating-Marktes zu unverhältnismäßigen Nachteilen für institutionelle Investoren und die Effizienz der Kapitalmärkte insgesamt führt. Als eine seiner Kernpositionen vertritt der GDV die Ansicht, dass institutionelle Anleger aufgrund der „überragenden Martposition der drei großen US-Rating-Agenturen S&P, Moody’s und Fitch, de facto gezwungen“ seien, Lizenvereinbarungen mit diesen Agenturen abzuschließen. „Infolge ihrer Marktmacht erzwingen die genannten Rating-Agenturen regelmäßig unverhältnismäßige Gebührenerhöhungen von den Nutzern der Rating-Informationen.“ Darüber hinaus kritisiert der GDV die Geschäftspraktiken der Agenturen: „Nach der Lizenzierung für bestimmte CRA-Produkte oder -Dienstleistungen ist es nahezu unmöglich, solche Produkte zu kündigen, da die Rating-Agenturen oftmals an ihren Einnahmen festhalten und in Folge höhere Gebühren für Ratings verlangen, anstatt bei der Kündigung von Bündelvereinbarungen günstigere Konditionen anzubieten. Der GDV ist daher der Überzeugung, dass „die ESMA und die EU-Kommission die kommerziellen Probleme im Zusammenhang mit den Lizensierungspraktiken der Rating-Agenturen mit Nachdruck angehen sollten. Der Verband empfiehlt in seiner Stellungnahme, die Dritte Rating-Verordnung (CRA III) zu überarbeiten und klarzustellen, dass alle Tochtergesellschaften von Rating-Konzernen in den Geltungsbereich der CRA III-Verordnung fallen.“ Ferner werde eine strenge und transparente Kostenregulierung von Rating-Informationsdiensten, die nicht von den Analyseeinheiten der Rating-Konzerne vermarktet werden, als notwendig angesehen.
Autoren: Daniela EnglertSchlagworte: Politik/Regulierung | Versicherer
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