Strategien
9. Oktober 2017
US-Aktienmarkt schrumpft
T. Rowe Price: Herausforderungen für Investoren. Unternehmenssicht: Private Equity bietet Finanzierungsalternative, Hedgefonds nerven.
Die Zahl der Aktiengesellschaften in den Vereinigten Staaten hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehr als halbiert. „Der stark schrumpfende Aktienmarkt bedeutet große Herausforderungen für Investoren, insbesondere für solche, die in Nebenwerte investieren“, wird Frank Alonso, Portfoliomanager des T. Rowe Price Small-Cap Stock Fund, in einer Mitteilung des Asset Managers zitiert. So sei die Anzahl der Aktiengesellschaften im Wilshire 5000 Total Market Index, in dem alle Unternehmen mit Hauptsitz in den USA gelistet sind, von ihrem Höchststand im Juli 1998 mit 7.562 gelisteten Unternehmen auf 3.465 Unternehmen im Juni 2017 gefallen. „Das letzte Mal, als tatsächlich 5000 Titel in diesem Index gelistet waren, war Ende 2005.“
T. Rowe streicht zwei Entwicklungen heraus: Zum einen gäben immer weniger Aktiengesellschaften Anteile aus, zum anderen sei die Gesamtzahl der auf dem Markt gehandelten Anteile zurückgegangen. „Die niedrigen Zinsen und das langsame Wirtschaftswachstum regen die Firmen dazu an, ihre eigenen Anteile zurückzukaufen“, sagt Frank Alonso. „Dadurch sind noch weniger Aktien in Umlauf.“ Die sinkende Anzahl verfügbarer Anlagemöglichkeiten ließe sich zudem auf andere Entwicklungen zurückführen: es gebe mehr Übernahmen und Fusionen sowie mehr Private Equity Deals, eine wachsende Zahl an Vorschriften, einen starken Rückgang an Firmen, die überhaupt an die Börse gehen – vor allem in den vergangenen Jahren, sowie einige Misserfolge auf Unternehmensseite. „Die niedrigen Kapitalkosten sowie der Mangel an wirtschaftlichem Wachstum waren ein gutes Umfeld für Übernahmen und Fusionen“, sagt Alonso. „Größere Unternehmen haben kleinere mit einem ordentlichen Aufpreis gekauft und so versucht, die eigenen Wachstumsziele zu erreichen. Das niedrige Zinsniveau hat diese Vorgehensweise gefördert.“
Komplexes Umfeld: Anspruchsvolle Aktionäre und wenig Anreize für Börsengänge
Bei Fusionen und Übernahmen seien strategische Investoren aber nicht die einzigen Interessenten. So hätten auch Private-Equity-Fonds derzeit viel Investmentkapital zur Verfügung. Aber auch auf der Verkäuferseite gebe es Bewegung: „Durch höhere regulatorische Anforderungen, und die damit einhergehenden höheren laufenden Kosten, wollen weniger Firmen an die Börse gehen oder aber dort verbleiben“, sagt Alonso. „Hinzu kommt, dass Hedgefonds und andere Investoren derzeit sehr aktiv sind und den Druck auf Unternehmen erhöhen, bessere Ergebnisse zu erzielen. Das bewegt einige notierte Firmen dazu, sich von der Börse zurückzuziehen und private Investoren ins Boot zu holen, während nicht-notierte Firmen deshalb gar nicht erst an die Börse gehen.“ Einige Firmenchefs scheuten zudem den mit einem Börsengang verbundenen Verlust von Kontrolle – insbesondere, wenn sie auch anderweitig Geldgeber fänden.
„Während sich mehr und mehr Firmen von der Börse zurückziehen, gibt es gleichzeitig einen Mangel an neuen Börsengängen“, sagt Alonso. Seit der Hochzeit der Börsengänge in den späten 1990er-Jahren seien die Zahlen um mehr als die Hälfte gesunken. Dieser Rückgang sei auch dadurch verschärft worden, dass es in der Vergangenheit mehr Venture Capital Investments gegeben habe und Firmen, die expandieren wollten, nicht mehr zwangsläufig auf die Börse angewiesen waren, um neue Mittel zu erhalten. Zudem umgingen sie so die mit einem Börsengang verbundenen Transparenz- und Kontrollpflichten. „Beim eigentlichen Börsengang sind einige Firmen schon dem Segment der Nebenwerte entwachsen und somit außerhalb der Reichweite von Small-Cap-Investoren.“
Diese Entwicklung zeige sich auch in den Statistiken: „Zwischen den Jahren 1976 und 1996 waren Firmen zum Zeitpunkt ihres Börsenganges im Schnitt 7,8 Jahre alt. Dieser Schnitt liegt im Zeitraum von 1997 bis 2016 bei 10,7 Jahren“, sagt Alonso. Das entspricht einem Anstieg von 37 Prozent. „Außerdem gab es in den USA im August dieses Jahres 120 sogenannte Unicorns. Das sind Start-ups, die mit Venture Capital finanziert werden und deren Bewertung höher als eine Milliarde US-Dollar ist. Im Jahr 2013 gab es von diesen Unicorns gerade einmal 40.“
Die Auswirkungen des schrumpfenden Aktienmarktes zeigten sich auch beim Russell 2000. Dieser Nebenwert-Index wird jedes Jahr im Juni so angepasst, dass er 2000 Titel enthält. „Die Firmen, die in den vergangenen Jahren in diesen Index aufgenommen wurden, sind tendenziell kleiner, weniger liquide und von geringerer Qualität als die Firmen, die sie ersetzen“, sagt Alonso. „Etwa ein Drittel der in diesem Index gelisteten Unternehmen haben in den vergangenen zwölf Monaten kein Geld verdient, was in dieser Ausprägung normalerweise nur während einer Rezession vorkommt.“
Auch die Verschuldungsquote sei im vergangenen Jahrzehnt gestiegen. Die Renditen auf Aktien und investiertes Kapital in die Firmen des Russell 2000 Index wären heute deutlich niedriger als noch vor zwanzig Jahren. „Aktive Fondsmanager schauen skeptischer auf die Aktien von Firmen mit geringerem qualitativem Niveau“, sagt Alonso. „Passive Investoren wie ETFs und Indexfonds sind hingegen die natürlichen Käufer solcher Titel, verstärkt noch durch den Zulauf, den passives Anlegen momentan erfährt.“ Dadurch seien die Kurse eher mittelmäßiger Unternehmen gestiegen, zum Teil sogar stärker als die Kurse der eigentlich besser aufgestellten Konkurrenz. „Diese Fehlbewertung kann für passive Investoren ein signifikantes Risiko bedeuten.“
Dieses Risiko werde noch durch die relativ hohe Bewertung von Nebenwerten verschärft. Der schrumpfende und in der Qualität abnehmende Small-Cap-Markt berge auch Risiken für aktive Investoren. „In diesem Umfeld müssen Asset Manager konzentriert darauf achten, gute Unternehmen, mit einer guten Führung und angemessen bewerteten Aktien zu finden. Ein Fokus auf hochqualitative Aktien zahlt sich mittel- und langfristig aus.“ Die Anteile solcher Firmen würden zunächst zwar möglicherweise als zu teuer erscheinen, in drei bis fünf Jahren könnte sich das aber schon völlig anders darstellen. Investoren mit einem langfristigen Ansatz könnten außerdem kurzfristige Schwierigkeiten von ansonsten soliden Unternehmen nutzen. „In den Small-Cap-Markt zu investieren ist zwar schwieriger geworden“, sagt Frank Alonso, „mit einer intensiven Analyse und erwiesener Expertise lassen sich aber auch in diesem schrumpfenden Markt die attraktivsten Anlagemöglichkeiten aufspüren.“
portfolio institutionell 09.10.2017/Patrick Eisele
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