Unternehmergeist
Fußballprofis haben ein schweres Leben. Denn ihre persönliche ALM-Struktur fördert Altersarmut. Clevere Profikicker, von denen es immer mehr gibt – heutzutage haben sie fast alle Abi –, sorgen rechtzeitig vor.
Millionengehälter und trotzdem Altersarmut? Das ist oft grausame Realität im Profifußball. Ein abgesichertes Leben im Alter verhindert nicht zuletzt – finanzielle Dummheiten, wie der Verlust von 75.000 Euro in bar von Nationalspieler Max Kruse in einem Taxi, außen vor – die persönliche ALM-Struktur von Profifußballern. In kurzer Zeit wird zwar viel verdient. Doch Anfang bis Mitte 30 ist damit meist Schluss. Es sei denn, man macht es wie Michael „Capitano“ Ballack und hält sich mit Werbeverträgen über Wasser. Bis zum Eintritt in die Rente gilt es jedoch noch einige Jahre zu überbrücken. Ex-Fußballprofi Thomas „Icke“ Häßler verdiente sich zuletzt mit Auftritten in der Unterhaltungssendung „Ewige Helden“ ein Zubrot und Thorsten Legat ging ins Dschungelcamp. Augenscheinlich haben sie es dringend nötig. Der Verdienst als Trainer in der 8. Liga (Häßler, Club Italia 80 Berlin) und in der Landesliga (Legat, FC Remscheid) ist offensichtlich nicht allzu üppig. Typische weitere Nach-Fußball-Karrieren: Posten im Management eines Klubs (Michael Preetz) oder TV-Co-Moderatoren (Mehmet Scholl, Oliver Kahn). Etwas in dieser Art ließe sich sicher auch für Philipp Lahm finden, der seine Fußballschuhe spätestens 2018 an den Nagel hängen will. Doch der Bayern-Profi will lieber Karriere als Unternehmer machen. Grundsteine dafür hat er bereits gelegt.
Als reger Nutzer von Twitter, Instagram und Co. ist Lahm kein Unbekannter in der Social-Media-Welt. Seit März dieses Jahres ist er nun auch als Investor dort aktiv. Das Berliner Startup „Fanmiles“ konnte den Bayern-Profi als Investor für sich gewinnen. Die Höhe seines finanziellen Engagements ist nicht bekannt. Und ob es ein lohnendes Investment sein wird, muss sich auch erst herausstellen. Auf den ersten Blick scheint es jedoch zu einem Philipp Lahm mit über 5,2 Millionen Facebook-Anhängern zu passen. Denn Fanmiles ist ein Payback-Programm für Fans. Das heißt: Über die Social-Media-Plattform „Fanmiles“ können Stars wie Mario Götze, Marco Reus oder eben Philipp Lahm ihre Anhänger für deren Treue und Unterstützung belohnen. Dazu hat das Berliner Startup eine eigene, weltweit gültige Fan-Loyality-Währung eingeführt. Ziel des 2013 gegründeten Startups ist es, ein „globales Ecosystem“ zur Belohnung von Fans zu schaffen.
Ein globales Ecosystem zur Belohnung von Fans? Früher – als noch alles besser war – sozialisierten sich Fußballer noch auf andere Weise: Helmuth Rahn, Siegtorschütze des WM-Finales von Bern 1954, musste in den Kneipen des Ruhrpotts bei dem ein oder anderen Pils jahrzehntelang der Aufforderung „Helmut, erzähl mich datt Tor“ nachkommen. 1860-Sturmlegende Rudi Brunnenmeier machte sich um das Sozialwesen verdient, in dem er nachts um drei Uhr einmal unterwegs einen Einbrecher ertappte und festhielt – dummerweise stand am gleichen Tag noch das Derby gegen Bayern München an. Günter Netzer betrieb in Mönchengladbach eine Disko. Heute trifft man seine Fans eben elektronisch.
Für Lahm ist die Beteiligung an Fanmiles „alles andere als eine reine Investition“, wie er im Interview mit Business Insider Anfang der Woche verriet. Als Gesellschafter und Markenbotschafter will er sich aktiv einbringen. Das gilt nicht nur für sein Engagement bei Fanmiles, sondern auch bei Sixtus, einem bayerischen Sport- und Pflegeprodukthersteller, in den Lahm bereits vor gut einem Jahr investiert hat. Probleme, seine Jobs als Fußballprofi und Investor unter einen Hut zu bringen, sieht er nicht. Morgens zum Training und abends ins Büro? Nein, so sieht Lahms Alltag nicht aus. „Ich bin ja nicht als Geschäftsführer eingestiegen, sondern als Gesellschafter und Markenbotschafter. Mir geht es darum, Schritt für Schritt nebenbei ein Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge zu erarbeiten. Dafür brauche ich keine festen Bürozeiten“, so Lahm gegenüber Business Insider. „Aber ich beschäftige mich regelmäßig mit den anstehenden Themen, tausche mich mit den Geschäftsführern, dem Vertrieb oder Marketing aus und erhalte Informationen, um Entscheidungen mit beeinflussen und mittragen zu können.“ Seinen gerade aus dem Gefängnis zurückgekehrten „Mentor“ Uli Hoeneß zieht er in Investitionsüberlegungen oder steuerlichen Angelegenheiten nicht zu Rate – das ist wohl auch besser.
Händeringend nach neuen Beteiligungen sucht der Bayern-Profi derzeit nicht. „Aber wenn es so gut passt, wie bei Sixtus und Fanmiles, kann schon noch das eine oder andere Unternehmen dazukommen“, erklärte Lahm. Doch allein sein Wille ist nicht entscheidend. Auch ein erfolgsverwöhnter Philipp Lahm musste schon eine Abfuhr hinnehmen. Mitte 2015 scheiterte ein Übernahmeversuch der Modefirma Bogner. Im Interview mit Business Insider relativiert Lahm dieses Unterfangen: „Um ein Unternehmen wie Bogner alleine zu übernehmen, müsste ich doch noch einige Jahre mehr auf dem aktuellen Niveau Fußball spielen.“ Aber es stimme, dass es Gespräche gab. „Bogner ist eine beeindruckende und weltweite Traditionsmarke im Sport, deshalb fand ich es sehr interessant. Es war also einfach eine Option, die sich ergeben hat und geprüft wurde. Willy Bogner hat sich dann aber gegen einen Verkauf entschieden”, erinnert sich Lahm.
Nicht klappen dürfte auch, ähnlich erfolgreich wie Mathieu Flamini unternehmerisch tätig zu werden. Der Mittelfeldspieler von Arsenal London investierte in seiner Freizeit in die kosteneffiziente Herstellung von Lävulinsäure, einen Ersatzstoff von Öl. Dies wird Flamini zwar nicht eine Berufung in die Nationalmannschaft, aber möglicherweise in den Kreis der Milliardäre einbringen. Vielleicht hätte Flamini zusätzlich aber wie Lahm auch in soziale Medien investieren sollen. Dann wäre es ihm wohl leichter gefallen, den Unmut der Arsenal-Fans abzumildern, die auf Twitter gegen seine Aufstellung im Champions-League-Spiel gegen Barcelona protestierten.
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein unternehmungsfreudiges, sportliches Wochenende.
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