Asset Manager
2. Dezember 2014

Trommeln für Paris und Europa

Wenn er nicht gerade daheim in Paris weilt, dann trifft sich Stéphane Janin mit Vertretern einer Aufsichtsbehörde oder Politikern. Wie der Direktor des französischen ­Asset-Management-Verbands AFG im Interview durchblicken lässt, will er eine Lanze für europäische Asset Manager brechen.

Tobias Bürger im Gespräch mit Stéphane Janin, Direktor des französischen ­Asset-Management-Verbands AFG

Herr Janin, dem französischen Asset-Management-Verband Association Française de la Gestion Financière haben sich mehr als 400 der insgesamt gut 600 französischen Asset Manager angeschlossen. Das klingt, als sei ihr Verband sehr schlagkräftig.
Und so ist es auch. Wenn man es genau nimmt, dann verwalten unsere Mitglieder 90 bis 95 Prozent der Assets under Management. Unsere Mitglieder stammen übrigens überwiegend aus dem Großraum Paris.

Bitte nennen Sie mir Details, die Ihren Verband skizzieren.
Bei unseren Mitgliedsunternehmen handelt es sich nicht nur um die ganz großen Player der Branche. Vielmehr haben wir ­neben den führenden Anbietern auch eine Vielzahl von Boutiquen in unseren Reihen. Weiterhin gehören zahlreiche Tochtergesellschaften namhafter Versicherer und Banken zu unseren Mitgliedsunternehmen. Beispielsweise gehören vier der 25 größten Asset Manager weltweit zu AFG.

Sind Ihnen die deutschen Verbände BVI und BAI bekannt?
Ja, wir haben exzellente Beziehungen zum BVI und kennen auch den BAI. Aber ­anders als beispielsweise der deutsche Fondsverband BVI repräsentieren wir in ­Frankreich die gesamte Anbieterpalette, also auch ­alternative Asset Manager. Das heißt, wir ­repräsentieren nicht nur Anbieter von Ucits-Fonds, sondern auch Hedgefonds und ­Dachhedgefonds. Auch Anbieter von Immobilienfonds sind darunter – hier gibt es allerdings einen eigenen Verband, ebenso wie für die Vertreter der Venture-Capital-Branche.

Sie haben sozusagen ein Monopol, was die Repräsentation des Asset-Management-­Sektors betrifft. Warum sind Sie heute, ­Anfang Oktober,  in Frankfurt?
Wir sind heute hier zu Gast, um den ­hiesigen Marktteilnehmern den Asset-­Management-Standort Paris und seine ­Expertise näherzubringen.

Dann schießen Sie mal los.
Paris ist eines der führenden Asset-­Management-Zentren in Europa. Das ist im europäischen Ausland bislang noch nicht ausreichend bekannt. Was allein die Anzahl der Asset-Management-Gesellschaften betrifft, repräsentieren wir rund 20 Prozent der europäischen Anbieter.
Wenn wir uns im Hinblick auf das verwaltete Vermögen vergleichen, repräsentieren wir ebenfalls fast 20 Prozent der Assets under Management für Fonds in Europa. Wenn wir uns außerdem noch im Hinblick auf die Domizilierung ­europäischer Fonds vergleichen, repräsentieren wir immerhin 17 Prozent aller in Europa domizilierten Investmentfonds.

Hierzulande haben wir es recht häufig mit den Fondsstandorten Luxemburg und Irland zu tun.
Der Hauptunterschied besteht darin, dass Luxemburg und Irland in erster Linie als rechtliche Domizilierungszentren betrachtet werden müssen. Allerdings gibt es in ­Luxemburg und Irland nur vergleichsweise wenige eigene Asset Manager. Beide Stand­orte ­haben sich auf die rechtliche Domizilierung von Fonds spezialisiert. Im Gegensatz dazu ­haben wir in Frankreich die gesamte Wertschöpfungskette. Neben den mehr als 600 Asset Managern verfügen wir auch über ­große Global Custodians. Sie sehen also, wir sind in vielerlei Hinsicht optimal aufgestellt und wollen ausländische Investoren darauf aufmerksam machen.

Welchen Stellenwert nehmen institutionelle Investoren in Frankreich ein?
Unsere Unternehmen sind ganz überwiegend mit institutionellen Investoren ­beschäftigt. Mehr als 70 Prozent der ­französischen Fonds-Assets werden im Auftrag professioneller Investoren gemanagt. Wenn wir zusätzlich noch Mandate für ­diskretionäres Asset Management einbeziehen, beträgt der Anteil der institutionellen Kundengelder ­sogar 90 Prozent. Viele unserer Anbieter wollen ihre Dienste verstärkt im Ausland ­anbieten.
Ich möchte deutschen Anlegern ­erläutern, warum es für sie interessant sein könnte, die Dienste der in Paris ansässigen Unter­nehmen in Anspruch zu nehmen. ­Sehen Sie, die in Paris ansässigen Asset ­Manager haben ­Fähigkeiten, die ganz ­speziell auf institutionelle Investoren zugeschnitten sind. Dabei geht es um Aspekte wie ­Reporting, Trans­parenz und Sicherheit. Der hohe Anteil ­professioneller Investoren unterstreicht die Kompetenz der französischen Gesellschaften:­ Sie können den Ansprüchen institutioneller Kunden in hohem Maße gerecht werden.
AFG ist zunächst einmal eine ­Asset-­Manager-Vereinigung. Aber wir haben mit der „Paris Fund Industry“ vor drei Jahren ­eine Marke entwickelt, die die gesamte ­Wertschöpfungskette repräsentiert und die von der AFG weiterentwickelt wird. Daneben ­haben wir aber auch die Association of ­Custodians an Bord, ebenso wie die ­französische ­Regulierungsbehörde AMF, das Finanz­ministerium sowie zahlreiche ­Anwaltskanzleien und Beratungsgesell­schaften.

Der französische Markt ist meines Erachtens ­gesättigt. Wie kommt es, dass jedes Jahr viele weitere Anbieter auf den Plan ­treten?
In der Tat wächst die Zahl der Anbieter ungebrochen. Im Jahr 2000 wurden genau 375 Asset-Management-Unternehmen in Frankreich gezählt. 13 Jahre später lag die Zahl bereits bei 613. Im laufenden Turnus dürften gleich mehrere Dutzend hinzukommen. Dessen ungeachtet gibt es natürlich auch Verschmelzungen innerhalb der An­bietergruppe. Ich bin allerdings der Auffassung, dass nicht die Anzahl der Asset ­Manager gesättigt ist, sondern vielmehr die französischen Investoren. Und das ist auch der Grund, weshalb alte wie neue Anbieter ins Ausland streben.

Warum sollten deutsche Investoren auf Frankreich setzen?

Wir haben einen sehr effizient arbeitenden Regulator in Frankreich. Im Hinblick auf die AIFM-Direktive hat die französische ­Finanzaufsicht, die Autorité des Marchés ­Financiers (AMF), sehr gute Arbeit geleistet. Um eine Lizenz zu erhalten, können die ­Unternehmen ihre Antragsunterlagen vollständig auf dem elektronischen Weg – sogar auf Englisch – einreichen. Vor diesem ­Hintergrund dauert es im Durchschnitt nur 75 Tage für einen Ucits- oder AIF-Manager, um eine Lizenz zu erhalten.
Wenn es darum geht, einen neuen Fonds zu initiieren und ­lizenzieren zu lassen, ­beträgt die Dauer für Retail-Fonds 21 Tage, für Fonds, die sich ­ausschließlich an professionelle Investoren wenden, sind es lediglich acht Tage. Und ­genau das ist einer der ­Gründe, weshalb viele Asset Manager ­grundsätzlich ihren Sitz in Frankreich haben möchten, um von hier ihre Produkte zu ­exportieren. Deshalb wird ein Großteil der Fonds in Frankreich aufgesetzt und von hier aus im Ausland vertrieben.

Wer steckt hinter den neuen Anbietern?
Zahlreiche Investmentbanken weltweit haben ihre Aktivitäten im Zuge der vergangenen Jahre reduziert. Aus diesem Grund ­haben sich viele ehemalige Finanzexperten der Banken dazu entschieden, ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Insofern profitieren die kleinen Asset-Management-Gesellschaften von den Fähigkeiten ihrer Gründer. 35 Prozent der Assets under Management von französischen Fondsboutiquen werden von ausländischen Investoren gehalten.

Warum sind ausländische Anleger in diesem Ausmaß investiert?
Wenn Sie mich danach fragen, ob ein ­bestimmtes Fondsvehikel dafür sorgt, dass professionelle Investoren aus dem Ausland bei französischen Managern viel Geld an­legen, dann verweise ich beispielsweise auf den „Professional Specialised Fund“, den PSF. Denn solange wir von Retail-Investoren sprechen, bestehen länderübergreifend an dieser Stelle keine Unterschiede. Denn ein französischer Ucits-Fonds ist wie jeder ­andere europäische Ucits-Fonds strukturiert. Wenn es aber um alternative Investmentfonds (AIF) – also um Non-Ucits-Fonds – geht, bestehen durchaus Unterschiede.

Das müssen Sie erläutern.
AIF gibt es in Frankreich schon seit ­geraumer Zeit. Aber mit der Umsetzung der AIFM-Richtlinie hat der französische Fondsregulierer die gesamte Palette französischer Fonds vereinfacht, um Investitionen ausländischer Investoren zu erleichtern. Genau ­genommen wurde ein äußerst effizientes ­Vehikel entwickelt, das ich eben schon kurz ansprach – der PSF.
Dabei handelt es sich um einen maßgeschneiderten Alternative-­Investmentfonds (AIF) für professionelle ­Investoren. Der Fonds ist reguliert unter der französischen Finanzaufsicht AMF. Unser AIF ist beispielsweise flexibler als der in ­Luxemburg konzipierte SIF oder der irische QIF.


Was müssen unsere Leser noch wissen?

Die französische Regierung hat zu Jahresbeginn 2014 eine Vereinbarung mit der Regierung der Volksrepublik China unterzeichnet. Dabei ging es darum, die neuste Art von chinesischer Lizenz zu erhalten, die sogenannte RQFII-Lizenz. Diese gestattet das direkte Investieren ausländischer ­Investoren in RMB-denominierte chinesische Titel, beispielsweise über Fonds. Vor ­wenigen Wochen wurden nun die ersten ­Lizenzen seitens der chinesischen Behörden an französische Asset Manager vergeben, ­darunter BNP Paribas Investment Partners und Carmignac Gestion.

Europa verliert demnach an Bedeutung.
Aus meiner Sicht liegt die Spielwiese längst nicht mehr nur in Europa, sondern vielmehr auch im fernen Ausland. ­Gleichwohl muss man sich die Frage stellen, wie die ­Asset Manager, und da rede ich zur Ab­wechslung einmal nicht nur von den ­französischen Häusern, den US-Markt ­erobern können.

Was ist so charmant am US-Markt?
Nun, auf den US-Markt entfallen rund 45 Prozent des weltweiten Markt­es für Fonds. Meiner Einschätzung nach sind wir als Asset Manager in Europa viel zu sehr mit regulatorischen ­Aspekten und Kosten konfrontiert. Ich vertrete die Ansicht, dass sich die EU-Kommission weniger auf die Regulierung konzentrieren und stärker für ­Handelsvereinbarungen engagieren, ­also den Blick über die europäische Grenze nach ­außen richten sollte.
Sehen Sie, in Europa gibt es praktisch kaum noch Wachstum. Der nächste Schritt muss ­also nach außerhalb gehen, und wir ­müssen dafür Sorge tragen, dass wir wett­bewerbsfähig sind. Problematisch ist ­dabei allerdings, dass es im Hauptmarkt USA Markteintrittsbarrieren gibt. Vor diesem Hintergrund führen wir sehr viele Gespräche mit den Vereinigten Staaten, damit meine ich das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP. Wir stehen in ständigem Kontakt mit der EU-Kommission.

Haben Sie in dieser Hinsicht ­Mitstreiter?
Meiner Einschätzung nach ist der Rest Europas in dieser Sache nicht aktiv genug. Daneben müssen wir aber auch Handelsvereinbarungen mit anderen Ländern treffen. Ich denke dabei unter anderem an Asien und Südamerika. Sehen Sie, in Brasilien – einem der größten Märkte weltweit – kann man nicht einfach Ucits-Fonds direkt vertreiben! Dort kann man nur brasilianische Fonds ­vertreiben, die wiederum von einem ­brasilianischen Asset Manager verwaltet ­werden. Man muss also eine grenzüber­greifende ­Master-Feeder-Struktur schaffen. Was China betrifft, verzeichnen wir nunmehr eine ­leichte Öffnung im Hinblick auf aus­ländische Asset Manager. Das hat aber ­politische ­Gründe. Denn die Chinesen ­wollen den ­Bereich für ihren RMB vergrößern. Für uns ist das gut! Aber trotzdem erwartet uns in China noch viel Arbeit.
Ich möchte betonen, dass ich die euro­päischen Regulierungsanstrengungen durchaus zu schätzen weiß. Aber wir müssen auch verstärkt über nicht-europäische Frage­stellungen nachdenken, die für uns als Europäer Barrieren darstellen, wenn es darum geht, unsere Produkte außerhalb Europas zu vertreiben.

Lassen Sie über den EU-Passport ­sprechen.
Der Passport bezieht sich auf das Gebiet Europas – und damit etwas weiter als das ­Gebiet der EU. Gleichwohl haben unsere A­sset Manager die Idee, ihren ausländischen Kunden auch außerhalb Europas zu zeigen, dass sie durch den französischen Regulierer beaufsichtigt werden, aber auch durch die europäische Regulierung. Man kann das als zusätzliches Marketinginstrument betrachten. Auf diese Weise versuchen sie ­Investoren aus dem Rest der Welt zu zeigen, dass sie umfassend reguliert werden.

Sollte die Politik aktiver werden?
Demnächst gibt es eine neue EU-­Kommission. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir mit den neuen Mitgliedern des EU-Parlaments in engem Kontakt stehen. Wir fordern: Denkt bitte an die Wettbewerbs­fähigkeit der europäischen Anbieter. Anhand der AIFM-Direktive soll 2015 ein sogenannter Third-Country-Passport eingeführt werden. Die Esma wird den Vorschlag noch 2014 ­konsultieren und 2015 einen ­Bericht vor­legen. Anschließend wird man ­einen Third-Country-Passport im Mifid-­Kontext prüfen.

Was verbirgt sich dahinter?
Man wird einen Third-Country-Passport einführen, der es Managern aus Drittstaaten erlaubt, Fonds aus Drittstaaten in Europa zu vertreiben. In puncto Mifid möchte ich noch auf eins verweisen: Nur wenige haben sich über einen ganz bestimmten Punkt in der Markets-in-Financial-Instruments-Direktive gesorgt: Mifid hat die Möglichkeit für ­Anbieter, nicht nur Fondsgesellschaften, ­sondern auch Broker, Banken, aus Dritt­staaten eingeführt, den europäischen Markt mit dem gleichen Passport zu erobern wie die europäischen Anbieter.
Dagegen haben wir uns hart gesträubt, aber wir waren in ­unserem Kampf als ­Verband in Europa sehr einsam. ­Gleichwohl haben fast alle Mit­glieder des EU-Parlaments für den Third-Country-Passport gestimmt und damit in gewisser Weise die Tore für ­Anbieter von außerhalb der EU geöffnet. Die EU-Parlamentarier müssen dafür sorgen, dass die Barrieren nicht nur in ­Europa, sondern auch im Rest der Welt fallen. Hintergrund für den Third-Country-Passport ist das Vorpreschen der EU-Kommission. Dort hält man es für eine Art Mission. Man will einen einheitlichen Markt, der jedem ­offensteht. Der europäische Investor soll ­davon profitieren. Aber man muss sicher­stellen, dass nicht-europäische Anbieter eben nicht in ­stärkerem Maße davon profitieren als einheimische ­Anbieter. Dummerweise ist das aber der Fall. Deshalb sprechen wir mit der EU-Kom­mission, damit Barrieren im internationalen ­Handel fallen.

Haben Sie eine Lösung parat?
Der neue EU-­Kommissar müsste dafür ­sorgen, dass man dieses Vorgehen stoppt, ­solange es nicht auf Gegenseitigkeit beruht.

portfolio institutionell, Ausgabe 11/2014

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