Versorgungswerke
27. September 2017

Titelgeschichte: Die Suche nach der Zielfunktion

Regulierungsthemen und der daraus erwachsende Anlagespielraum stehen im Fokus institutioneller Investoren. In dieser Titelgeschichte sezieren wir Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Investorengruppen.

Sie lesen uns, um Antworten zu bekommen. Nichtsdestotrotz muss diese Geschichte mit Fragen beginnen, mit sehr essenziellen Fragen in diesem Fall. Und zwar mit folgenden: Wie lautet Ihre Zielfunktion im Tagesgeschäft? Und was sind die Nebenbedingungen, die Sie beachten müssen? 
Arbeiten Sie für einen kleinen Versicherer oder eine Pensionskasse, die beide weiterhin unter den Aufsichtsstandard Solvency I fallen, und haben Sie deshalb die Anlageverordnung im Blick? Oder ist für Sie die euro­päische Solvency-II-Rahmenrichtlinie maßgebend, die mit dem Ver­sicherungsaufsichtsgesetz in nationales Recht umgesetzt wurde? 
Wenn wir schon dabei sind, die Nebenbedingungen der institutionellen Kapitalanlage aufzulisten, dann aber bitte in extenso, in aller Ausführlichkeit und vollständig. Denken Sie bitte an die Interessen Ihrer Stakeholder (Versicherte, Risikokapitalgeber, Finanzamt, Mitarbeiter), vergessen Sie dabei die bilanziellen Rahmenbedingungen bis hin zur Risikotragfähigkeit nicht und führen Sie sich last but not least auch die Flut von Regulierungsvorhaben vor Augen. Anhand einer Übersicht finden Sie hier einen Ausschnitt dessen, was mal den Investor schärfer trifft und mal dessen Diestleister, deren Aufgabe im ureigensten Sinne doch wohl eher darin besteht, und daran muss man immer wieder erinnern, Gelder zu mehren und weniger darin, Gesetze zu wälzen. Nur damit wir uns richtig verstehen: Manchmal neigt man dazu, Zielfunktion und Nebenbedingung zu verwechseln. 
Nationales und internationales Investmentrecht – ein Update 
Mit diesen und weiteren regulatorischen Vorhaben müssen sich institutionelle Investoren und deren Dienstleister befassen:
– Alternative Investment Fund Managers Directive (AIFMD) 
– AIFM-StAnpG – Gesetz zur Anpassung des Investmentsteuergesetzes und anderer Gesetze an das AIFM-Umsetzungsgesetz 
– ARUG – Aktionärsrechterichtlinie 
– Benchmark Regulation 
– CRD IV CRR (Basel III) – Capital Requirements Directive IV / Regulation 
– CSDR – Central Securities Depositories Regulation 
– Derivateverordnung 
– European Long-term Investment Funds Regulation
– European Market Infrastructure Regulation 
– Emir-Ausführungsgesetz 
– EU-Fatca
– Finanztransaktionssteuer
– Grünbuch – Schaffung einer Kapitalmarktunion 
– Hochfrequenzhandelsgesetz 
– Regulierung von Geldmarktfonds 
– Regulierung von Rating-Agenturen 
– Solvency II 
– Transparenzrichtlinie 
– Ucits V Directive
– Verwahrstellen-Rundschreiben 
Quelle: PWC, Update nationales und internationales Investmentrecht, Stand April 2017
Wenn man Großanleger aus der Versicherungswirtschaft nach Ihrer Zielfunktion oder auch nach dem Ziel des täglichen Tuns fragt, bekommt man beispielsweise von Dr. Peter-Henrik Blum-Barth folgende Antwort: „Meine Zielfunktion ist mein HGB-Ergebnis. Denn die HGB-Bilanz determiniert die Ausschüttung an unsere Versicherungsnehmer und an unsere Holding.“ Das HGB, so der Haupt­abteilungsleiter Kapitalanlagen Liquide Assets bei der SV Sparkassen-Versicherung, sei immer noch der Rechnungslegungsstandard, den die einzelnen Unternehmen in der deutschen Lebensversicherung haben. Kurzum: Blum-Barth betrachtet auf Unternehmensebene das HGB-Ergebnis als Steuerungsfunktion. 
Alte und neue Welt 
Dr. Peter-Henrik Blum-Barth kennt spätestens durch seinen 2016 erfolgten Wechsel von einem der Anlageverordnung unterliegenden Versorgungswerk in eine Solvency-II-regulierte Versicherung beide Seiten und kann hüben wie drüben sowohl die Zielfunktion als auch die Nebenbedingungen herleiten. Er sagt: „Man darf nicht den Fehler begehen, eine Nebenbedingung mit der Zielfunktion zu verwechseln.“ Dazu ein Beispiel: Angenommen, ein Versicherer möchte seinen Solvenzkapitalbedarf auf ein Minimum reduzieren, um von den Stakeholdern als besonders stabil wahrgenommen zu werden, dann investiert er 100 Prozent seiner Mittel in den Zinsträgerdirektbestand und insbesondere europäische Staatsanleihen. Was das für das Gesamtergebnis und seinen Ertrag in Zeiten von Nullzinsen ­bedeutet, steht auf einem anderen Blatt.
Doch wie kalkuliert man die individuellen Nebenbedingungen so in die Gesamtrechnung ein, dass am Ende eine sinnvolle Ableitung der Gesamtstrategie möglich ist und auch die Rendite stimmt? Nach Einschätzung Blum-Barths kommt es zunächst einmal darauf an, alle Nebenbedingungen zu berücksichtigen, sie aber nicht individuell zu maximieren, sondern sie in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu stellen. Danach befragt, woran er die Attraktivität von Investments in Zeiten von Solvency II festmacht, entgegnet Blum-Barth: „Wenn Ihre Zielfunktion das HGB-Ergebnis ist, dann orientieren Sie sich an Rendite und Sharpe Ratio, beides Kennzahlen, die klassischerweise auf der HGB-Seite zu finden sind.“
Die im Zuge des Aufkommens von Solvency II entstandene Kennzahl Return on Solvency Capital Requirement, bei der die Optimierung der Kapitalanlagen vor dem Hintergrund der damit verbundenen Risikobudgets im Mittelpunkt steht, spiele bis dato eine eher untergeordnete Rolle. Die Kennzahl setzt die erzielte annualisierte Rendite eines Portfolios ins Verhältnis zu den Solvenzkapitalanforderungen (SCR) aus Marktrisiken, welche dem Value at Risk auf Jahreshorizont mit einem Konfidenzniveau von 99,5 Prozent entsprechen. Zur Begründung für diese Sichtweise erläutert Peter-Henrik Blum-Barth: Die SV Sparkassen-Versicherung und viele andere Versicherer hätten genügend Solvenz-Kapital in der Hinterhand, wie sich anhand aktueller Bafin-Zahlen zur Über­deckung der SCR-Quoten ablesen lasse. 
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hatte die Jahreszahlen und die Solvabilitäts- und Finanzberichte (Solvency and Financial Condition Report, SFCR) der Versicherer zum ersten Geschäftsjahr unter Solvency II vertieft analysiert. Demnach belief sich die SCR-Quote der Branche gemäß der Erhebung, deren Ergebnisse im August 2017 veröffentlicht wurden, auf 344 Prozent, wobei der ­Anstieg gegenüber dem Vorjahreswert von 283 Prozent unter anderem auf die leichte Erholung des Zinsniveaus, den Anstieg der Aktienmärkte und die Reduzierung der Spreads zurückzuführen war.
Die höchste SCR-Bedeckung lag bei 3.560 Prozent, während das Minimum 117 Prozent betrug. Der Median belief sich auf 330 Prozent. Bei 13 Unternehmen sei für die Bedeckung der SCR-Anforderungen die Anwendung von Übergangsmaßnahmen notwendig gewesen. Den Zahlen nach konnten alle berichtspflichtigen Einzelunter­nehmen die neuen Anforderungen an die Bedeckung erfüllen. Demzufolge konnten Ende 2016 alle 84 Lebensversicherungsunternehmen, von denen elf ein (partielles) internes Modell verwenden, eine den Anforderungen entsprechende SCR-Bedeckung nachweisen. 
Von Nebenbedingungen und der Zielfunktion 
Welche Bedeutung unter der Nebenbedingung „Solvency II“ der Anlagestruktur zukommt, zeigt folgendes Beispiel: „Wenn ich als Versicherer unter Solvency II ausschließlich den Zinsträgerdirektbestand mit 100 Prozent Pfandbriefen mit Spitzen-Rating befüllt hätte, würde ich meinen Eigenkapitalbedarf auf der Anlageseite minimieren, weil dort auf der SCR-Seite besonders wenig reserviert werden müsste“, erläutert Peter-Henrik Blum-Barth. „Wenn ich dagegen eine aggressivere Allokation eines berufsständischen Versorgungswerkes auf­weisen würde, bei der beispielsweise 20 Prozent Aktien und zehn Prozent Alternatives nicht ungewöhnlich sind, müssten mir meine Aktionäre ein höheres Maß an Eigenkapital bereitstellen.
Beim Versorgungswerk sind die Diversifikation der Kapitalanlagen und die ­Suche nach Rendite ebenfalls zentrale Aspekte, doch anders als bei der Versicherungswirtschaft wird die Allokation im Hinblick auf Eigenkapital nicht eingeschränkt – solange die Anlagegrenzen der Anlageverordnung eingehalten werden, etwa die Risiko­quote von 35 Prozent für Aktien, Private Equity und Beteiligungen. 
Hypotheken mit langer Zinsbindung 
Der langjährige Abteilungsleiter Unternehmensplanung und Controlling bei der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse Rheinland-Westfalen (KZVK) und der Gemeinsamen Versorgungskasse für Pfarrer und Kirchenbeamte (VKPB), einer mittelständische geprägten ­Organisationseinheit, verantwortet nach seinem Weggang aus Dortmund nach Stuttgart zur SV Sparkassen-Versicherung im April 2016, also unmittelbar nach Beginn der Solvency-II-Ära, mit zwei Teams 20 Milliarden Euro in Form von Wertpapieren. Hinzu kommen etwa 1,5 Milliarden Euro im unmittelbaren Geschäft mit Sparkassen, davon gut eine Milliarde Euro in unzähligen, kleinteiligen Hypotheken.
Neben der Anlage liquider Mittel ist bei Blum-Barth auch die ­Konzeption der Gesamtstrategie, der Strategischen Asset Allocation angeflanscht. In seinen Zuständigkeitsbereich fallen außerdem das Kurs- und das Währungs-Overlay. Dabei betrachtet Blum-Barth den Dialog mit den Sparkassen als „vornehmste Aufgabe“ in seiner neuen Funktion.
Ungeachtet seines Wechsels zur SV Sparkassen-Versicherung und dem dadurch veränderten Aufgabenspektrum setzt Peter-Henrik Blum-Barth seine wissenschaftliche Nebentätigkeit in Form eines Lehrauftrags an der Wiesbaden Business School fort. Das sei ihm sehr wichtig, betont er. Dabei wird deutlich, wie ungewöhnlich – oder ­sagen wir – speziell ein Versicherer ist, der von Sparkassen getragen wird: Die SV Sparkassen-Versicherung sei, anders als seine aus dem Sparkassenlager stammenden Aktionäre und Geschäftspartner ohne weiteres in der Lage, eine Zinsbindung von 30 Jahren für Hypotheken anzubieten.
Die Krux: Eine Basel-III-regulierte Sparkasse dürfte sich schwer tun, auf der Darlehensseite langlaufende Hypotheken ­auszureichen. Wegen des Fristentransformationsrisikos kann sie nicht so lange Zinsbindungsfristen anbieten, da die Sparer bevorzugt in kurzfristige Einlagen statt in längerfristige Sparkassenbriefe investieren. Im Umkehrschluss heißt das für die Institute, dass sie nicht ohne weiteres 20- oder 30-jährige Zinsgarantien aussprechen können. „Uns fällt das aber relativ leicht“, erläutert Blum-Barth mit Blick auf die feinen Unterschiede, die er als Solvency-II-Anwender im ­Gegensatz zu den unter Basel III agierenden Sparkassen hat.
Danach befragt, wie sich die Entscheidungsprozesse bei einer Ver­sicherung von denen einer Versorgungskasse unterscheiden, holt Blum-Barth weit aus: „Da die Versicherten bei der Versorgungskasse meistens ein Leistungsrecht haben, das extern beispielsweise durch einen Tarifvertrag vorgegeben ist, sind sie schnell bei der Entscheidungssuche, wie man das optimal refinanzieren kann.“
Bei einer ­Versicherung seien die Entscheidungsprozesse interaktiver, eine Analogie sei das Tischtennis, nur dass man hier den Ball zwischen Aktiv- und Passivseite hin und her spielt. „Bei der KZVK hatte ich es mit der Anlageverordnung zu tun, bei der – anders als unter Solvency II – Anlageobergrenzen vorgegeben werden. Solange man diese Grenzen nicht überschreitet, hat man aus Sicht der Finanzaufsicht Bafin nichts zu befürchten.“ Für Solvency-II-Anwender wiederum gibt es keine ­Anlagegrenzen mehr, wie man sie aus der Anlageverordnung kennt, die heute noch immer für die kleinen Versicherer und ­bestimmte Pensionseinrichtungen gilt. 
Neue Anlagen identifizieren und verstehen 
Unter Solvency II wiederum muss man nicht nur das regulatorisch vorgeschriebene Eigenkapital der jeweiligen Anlageklassen mitbringen, sondern man muss auch nachweisen, dass man die Anlageklassen beherrscht. Insofern müssen die Anwender beispielsweise eine sogenannte Investmentrisikoleitlinie aufstellen. Sie ist Teil des Own Risk and Solvency Assessment (Orsa), der neben den Aktiva auch die Passivseite ins Visier nimmt. Dabei sollen Versicherungsunternehmen regelmäßig ihre unternehmenseigene Risiko- und Solvabilitätssituation beurteilen. Laut Bafin müssen die Unternehmen dafür ­sorgen, dass sie ständig ihre Solvabilitätskapitalanforderung und ihre Mindestkapitalanforderung (MCR) mit anrechnungsfähigen Eigenmitteln bedecken können. Ob dies der Fall ist beziehungsweise ­welche Maßnahmen notwendig sind, wird im Rahmen des Orsa beurteilt.
Bei der Investmentrisikoleitlinie wiederum handelt es sich um ein eigenes Regelwerk, das die Solvency-II-Anwender unter der Aufsicht ihrer Vorstände formulieren müssen. Dort müssen sie ihre Prozesse und die Aufbauorganisation dokumentieren – vergleichbar mit einer internen Kapitalanlagerichtlinie. Das letzte Wort hat dann aber die Bafin. „In dem Sinne definiert die Aufsicht heute viel stärker qualitative ­Anforderungen. Und sie spricht verbindliche Empfehlungen aus. Man muss es aber selbst in eine Operationalisierung bringen“, sagt Peter-Henrik Blum-Barth. 
Zinsträgerdirektbestand schrumpft, dominiert aber weiter 
Ein zentrales Aufgabenspektrum, mit dem sich der Anlageprofi nun intensiv beschäftigt, ist demnach die vergleichsweise straffere Regulation in der Versicherung im Vergleich mit dem Versorgungswerk. Es bestünden zudem mehr Berührungspunkte zur Steuergesetzgebung, zumal Versorgungswerke als Selbsthilfeeinrichtungen in der Regel keine Gewinnerzielungsinteressen verfolgen und teilweise steuer­befreit sind. „Für uns als Lebensversicherung in der Rechtsform der Aktiengesellschaft gilt das natürlich nicht“, sagt Blum-Barth und ist nun mitten in seinem Element. „Mehr Regulation bedeutet zunächst einmal, dass die Strategiefindung komplexer wird, weil die Neben­bedingungen zunehmen. Mehr Regulation erfordert auch eine intensive Methodendiskussion, auch und gerade für die Herleitung der Strategischen Asset Allocation.“ Blum-Barth sagt das nicht, als sei das eine zusätzliche Belastung im Arbeitsalltag, sondern ein Aspekt, den man hinnehmen und gestalten kann. 
Im Tagesgeschäft als institutioneller Investor verantwortet Peter-Henrik Blum-Barth in erster Linie den Zinsträgerdirektbestand, auf den etwa zwei Drittel der gesamten Kapitalanlagen der SV Sparkassen-Versicherung entfällt. Er ist zwar im Schrumpfen begriffen und liegt inzwischen unter dem Marktdurchschnitt, dennoch bildet er unverändert einen klassischen Baustein für die Kapitalanlage des Versicherungsunternehmens und wirft kontinuierliche Erträge ab. „Die fortschreitende Diversifizierung des Zinsträgerdirektbestandes ist eine Daueraufgabe. Angesichts der EZB-Politik und im Hinblick auf unterschiedliche Bail-in-Regime müssen wir hier besonders zielstrebig agieren“, sagt Blum-Barth.
Dazu gehört es, sich Gedanken darüber zu machen, wie man die Investitionen über Sub-Asset-Klassen verteilt, etwa in Staatsanleihen, Corporate Bonds, Covered Bonds und über Ländergrenzen hinweg. Vor dem Hintergrund der damit einhergehenden Aufgaben betrachtet Blum-Barth den Zinsträgerdirekt­bestand als das am meisten unterschätzte Anlagesegment. „Ich bevorzuge es, transparente Risikoprämien zu vereinnahmen. Im Zinsträgerdirektbestand fokussiere ich mich auf die Laufzeitprämie. Das heißt, ich versuche Kreditrisiken weitgehend zu vermeiden und kaufe nur Anleihen bester Bonität.“
Hinzu kommen aktiv gemanagte Spezialfondsinvestments in Aktien und Renten, die ganz bewusst auch Credits enthalten. „Dann ist das sauber abgegrenzt“, sagt Blum-Barth zur Begründung. Die Entscheidung für oder gegen ein Investment macht der Profi daran fest, welche Prämien vom Kapitalmarkt derzeit relativ am höchsten vergütet werden. Danach befragt, was eine Lebensversicherung auf der ­Anlageseite besonders gut könne, entgegnet er, die Laufzeitprämie auf Anleihen vereinnahmen.
„Wir als Versicherung sind so etwas wie eine Einkaufsgemeinschaft. Als Institutioneller kaufen wir Anlagen einfach günstiger ein“, sagt Blum-Barth und zieht damit zwischen dem kollektiven Sparen bei Versicherungen die Grenze zum individuellen Sparen bei Banken. „Als institutioneller Anleger kann ich einen komplexen, aktiv gemanagten Aktienfonds kaufen und zahle dafür weniger als 30 Basispunkte Gebühren. Das können Sie als Privatmann nicht darstellen.“ Bei der SV Sparkassen-Versicherung investiert man auch in alternative Asset-Klassen. Und auch dort spiele der Gedanke der Einkaufsgemeinschaft eine Rolle, so Blum-Barth, und zwar in Kombination mit der Erkenntnis, dass es Asset-Klassen gibt, zu denen Privatanleger nur begrenzten Zugang haben. 
Mehr Nebenbedingungen bedeuten mehr Fixkosten 
Das Intensivieren von regulatorischen Anforderungen oder auch das Ansteigen der Komplexität auf der Kapitalanlageseite sowie bei organisatorischen und operativen Prozessen kann Versicherungsunternehmen mittlerer Größe in Schwierigkeiten bringen. Nach Einschätzung von Dr. Carl-Heinrich Kehr, Principal im Investment Consulting bei Mercer Deutschland, haben die großen Unternehmen die entsprechenden Kapazitäten und Abteilungen aufgebaut, um ihre Chancen am Markt durch gute Kapitalanlageergebnisse sicherzustellen. Bei den mittelgroßen Versicherern steht indessen immer wieder die Frage im Raum, ob sie die Anlage selbst gestalten oder – in Teilen oder zur Gänze – auslagern sollten.“
Das sei eine grundsätzliche ­Frage, die sich insbesondere bei Alternatives stelle, erläutert Kehr. Die Begründung dafür deutet auf einen Zielkonflikt hin: Man dürfe einerseits die höheren Fixkosten für mehr Fachpersonal nicht vergessen, andererseits sei der interne Aufbau von Know-how ein langfristiger Prozess.
Für Anleger, die die Verwaltung ihrer Kapitalanlagen auslagern, ergeben sich neue Aufgaben im Vergleich dazu, was in der Vergangenheit bei traditionellen Asset-Klassen nötig war: Stichworte sind „Dienstleistersteuerung“ und „Dienstleister-Monitoring“, so Kehr. Der langjährige Berater meint, dass die Versicherungsunternehmen dazu ­ohne weiteres in der Lage sind. „Aber es kommt darauf an, sich an ein erweitertes Spektrum an Kennzahlen heranzuarbeiten“, betont er. Zumal die Begriffsvielfalt im Bereich alternativer Anlagen viel größer sei und bisweilen von den Dienstleistern unterschiedlich ausgestaltet werde.
Als Beispiel verweist Kehr auf das Akkronym „IRR“ und fragt gezielt: Ist es vor Steuern, nach Steuern, auf Anlegerebene, auf Ebene des Zielinvestments und vor oder nach Fremdwährungs-Hedging? Es gebe viele Einflussfaktoren, die auf Anbieterseite nicht immer gesondert oder präzise genug herausgestellt werden. Als Anleger müsse man seinen Dienstleister aktiv hinterfragen. Das müsse man natürlich schon bei deren Auswahl berücksichtigen, so Kehr. 
Investoren sollten sich die Antwort auf folgende Frage vor Augen halten: Verstehe ich eigentlich, was der Anbieter mir an Reports liefert? Sie müssten sich schließlich auf dem richtigen Zielpfad sehen anhand der Informationen, die sie aus den Berichten ziehen können. Je länger die Liste der Nebenbedingungen wird, die ein Investor im Tagesgeschäft berücksichtigen muss, umso effizienter dürfte ihm der Spagat fallen, wenn er ein großes Anlagevolumen unter seinen Fittichen hat. Denn die Vielfalt der Nebenbedingungen unter einen Hut zu bringen, kostet zusätzliche Basispunkte. Im Umkehrschluss heißt das im Hinblick auf die Vergaben von Spezialfondsmandaten an ­Asset Manager, je größer der Topf ist, der gemanagt werden soll, umso eher dürfte der Manager bereit sein, Sonderwünsche des Investors ohne Zusatz­kosten zu erfüllen.
Das betrifft beispielsweise die zunehmenden Reporting-Anforderungen unter Solvency II. Insofern macht es kostenseitig einen Unterschied, ob der Investor ein mit Sonderwünschen und Nebenbedingungen gespicktes 50-Millionen-Euro-Mandat vergibt oder ob er eine halbe Milliarde im Gepäck hat. Der Trick: „Je länger die Liste der Nebenbedingungen wird, umso einfacher ist es für große Häuser, die damit einhergehenden Zusatzkosten weg zu verhandeln und ihren Mehrwert als Einkaufsgemeinschaft zur Geltung zu bringen“, sagt Peter-Henrik Blum-Barth. 
Eine Nebenbedingung, die keinesfalls vergessen werden darf, betrifft schließlich und endlich die Integration neuer Anlagen in ein bereits diversifiziertes Portfolio. Als Leser von portfolio institutionell können auch Sie sicher ein Lied davon singen, wie komplex und langwierig ein Neuer-Produkte-Prozess sein kann. Und wer dabei alles berücksichtigt werden muss. Wenn ein Großanleger im Rahmen einer Asset-Liability-Studie beispielsweise zu der Erkenntnis gelangt, dass er sich neuen Anlageklassen öffnen muss, dann muss zunächst der Vorstand grünes Licht erteilen. Im Anschluss daran kann intern ein Neue-Produkte-Prozess (NPP) gestartet werden. Wie der ausgestaltet ist, ist von Anleger zu Anleger unterschiedlich. 
NPP als langwieriger Testlauf 
Wie im Markt zu hören ist, kann ein solcher Prozess in der internen Abstimmung überaus herausfordernd sein. Man müsse mit einer Zeitspanne von sechs Monaten rechnen, bis der Neue-Produkte-Prozess die Versicherung durchlaufen hat, plaudert die Anbieterseite aus dem Nähkästchen. Der Grund: Alle beteiligten Abteilungen müssten involviert werden. Das betrifft neben der Kapitalanlageseite auch das Risikomanagement und die Rechtsabteilung sowie die operativen Abteilungen. Im Raum steht beispielsweise die Frage, wie das neue Produkt intern gebucht und anschließend überwacht wird.
Der NPP dient vereinfacht gesagt dazu, einen Testlauf zu absolvieren. Es wird überprüft, ob man als Organisation für das zu investierende Produkt alle Anforderungen intern erfüllen kann. Und zwar in der Art und Weise wie das Investment allokiert und gesteuert wird. Es geht um die korrekte interne Berücksichtigung von der Entscheidungsfindung bis hin zur Zeichnung, angefangen beim Investor über dessen Back-Office bis hin zur Compliance, und auch in der Buchhaltung muss man das Produkt verstehen (lernen). Das ist auch bei Produkten der Fall, die wie eine Anleihe konzipiert sind. Es ist, sagen Anbieter, ein sehr komplexer Prozess, neue Produkte bei den Kunden zu installieren. Auch dürfe man die Computersysteme nicht vergessen. Nur so könne auf Knopfdruck ein Reporting erstellt werden. 
Für neue Produkte alle Nebenbedingungen durchdeklinieren 
Peter-Henrik Blum-Barth betrachtet die Herausforderungen auf der Anlageseite mit kühlem Kopf: „Wenn Sie als mittelgroße Versicherung eine neue Anlageklasse hinzunehmen und mit einem Anteil von 0,5 Prozent am Portfolio loslegen, müssen Sie damit rechnen, dass Ihnen der Anbieter wegen des geringen Volumens einen schlechteren Preis bietet, als wenn Sie ein höheres Volumen beisteuern.“ Was der Fachmann damit sagen will, ist: Trotz der prozentual sehr überschaubaren Größe des Mandats müssen intern beim Investor alle Nebenbedingungen durchdekliniert werden. „Insofern stellt sich die Frage, inwieweit ein Portfoliobaustein von einem halben Prozent unter ­Kosten- und Komplexitätsgesichtspunkten nützlich ist. Zumal ich Kompetenzen aufbauen muss, um auch diesen geringen Anteil am Portfolio rational zu betreuen. Ich muss mich entscheiden, ob ich mich wirklich für eine neue Asset-Klasse interessiere und damit in kleinen Schritten anfange. Wenn ich aber von Vornherein weiß, dass ich nie über die 0,5-Prozent-Schwelle gehen werde, dann kann ich es auch gleich lassen“, sagt Blum-Barth.
Man müsse sich als Investor überlegen, an welcher Stelle man das Mehr an Komplexität vergütet bekommt und wo es vor allem ein Kostenfaktor ist. „Komplexität ist für mich ein ambivalentes, doppeldeutiges Wort. Bei Hypotheken könnte ich kurzerhand einen deutschen Pfandbrief kaufen. Aber ich bekomme einen nachweislichen Mehrwert dafür, dass ich die Kleinteiligkeit in Kauf nehme und Hypotheken an Sparkassenkunden vergebe. Dafür bekomme ich einen gewissen Aufschlag. Hinzu kommt, dass diese Komplexität nicht risikoerhöhend ist.“ Halten wir fest: Die Nebenbedingungen rund um die institutionelle Kapital­anlage werden vielfältiger und komplexer. Dabei gilt es einerseits, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Und andererseits, eine Nebenbedingung nicht in den Rang einer Zielfunktion zu erheben. 
portfolio institutionell, Ausgabe 9/2017 
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