Strategien
21. September 2016

The One Billion Dollar Club

Calpers, Nycers, AIG und Met Life: Immer mehr Investoren in den USA haben genug von Hedgefonds und bevorzugen stattdessen ­alternative Betas. Sind sie Vorboten einer anstehenden Massenflucht oder nur Einzelphänomene?

„Mal verliert man, mal gewinnen die anderen“, wusste Trainer­legende Otto Rehagel. Diese fußballerische Lebensweisheit passt übertragen auf den Finanzsektor wohl auf keine Asset-Klasse besser als auf Hedgefonds. Nachdem der Branche bereits im September 2014 mit dem kalifornischen Pensionsriesen Calpers einer ihrer größten Anhänger verloren ging, folgten in diesem Frühjahr weitere Hiobsbotschaften. Im April entschied der 51 Milliarden Dollar schwere Pensionsfonds für Angestellte von New York City (Nycers) sein komplettes­ Hedgefonds-Portfolio – rund 1,5 Milliarden Dollar – auszurangieren. Betroffen sind Namen wie Brevan Howard, D.E. Shaw & Co. und Perry­ Capital. Die frei werdenden Mittel sollen in andere Asset-Klassen gesteckt werden. Der Grund: Die Performance war nicht gut genug, um die hohen Gebühren zu rechtfertigen. Ursprünglich hatte Nycers an Hedgefonds-Investments die Erwartung geknüpft, einen Mehrwert in der Performance zu erzielen – einerseits durch höhere Renditen und andererseits durch geringere Risiken mittels Downside Protection. „I have seen little evidence of either“, zitierte Bloomberg die enttäuschte Letitia James, Trustee bei Nycers. Im vergangenen Jahr verlor das Hedgefonds-Portfolio von Nycers 1,88 Prozent.

Nur wenige Tage später folgte der nächste Nackenschlag für die Hedgefonds-Branche. Der Versicherungskonzern AIG ließ in seiner Quartalskonferenz Anfang Mai 2016 wissen, dass ein Großteil seiner Hedgefonds-Manager auf der Abschussliste steht. Bis Ende 2017 sollen die Bestände in dieser Asset-Klasse, die Ende 2015 noch über zehn Milliarden Dollar betrugen, halbiert werden. Gut 1,2 Milliarden Dollar seien bereits aus Hedgefonds abgezogen worden. Als Grund für die Trennung nannte Doug Dachille, Chief Investment Officer bei AIG, die Regulierung. Die Kapitalanforderungen seien mit rund 50 Prozent und mehr sehr hoch. Deshalb sollen die frei werdenden Gelder vornehmlich in Investment-Grade-Bonds und Commercial Mortgage Loans fließen, die regulatorisch deutlich besser behandelt werden.    

Die Nase voll von Hedgefonds hat auch ein anderer US-Versicherungskonzern. Einige Tage nach AIG teilte Met Life mit, vielen seiner Hedgefonds-Managern zu kündigen. Laut einem Artikel im Wall Street Journal sollen die Bestände von 1,8 Milliarden auf 600 Millionen Dollar abgebaut werden. Geschuldet sei dieser Schritt den inkonsistenten Renditen dieser Asset-Klasse – „with up and down years“, wie Steven Goulart, Investmentchef von Met Life, konstatierte. Der Anfang wurde bereits im vergangenen Jahr gemacht, in dem 600 Millionen Dollar­ an entsprechenden Investments veräußert wurden. 

Alternatives Beta statt Hedgefonds
Doch nicht nur einstige Weggefährten gehen der Hedgefonds-Branche verloren, potenzielle Neulinge werden gar nicht erst gewonnen. Der Pensionsfonds eines großen US-Industrieunternehmens beauftrage Anfang dieses Jahres Bfinance mit einem Manager Search für alternative Beta-Strategien. Bei dem Auftrag ging es um eine strategische Allocation von zehn Prozent des Gesamtportfolios – rund eine­ Milliarde Dollar. Bevor der Pensionsfonds Smart Beta als neuen Bestandteil seiner strategischen Asset Allocation auswählte, standen zunächst Investments in Hedgefonds auf dem Prüfstand. Dieser Gedanke wurde aus Gründen der Transparenz, Kosten und Illiquidität sowie Sorge vor potenziellen Headline-Risiken schnell wieder ver­worfen. Als tragfähige Alternative zu Hedgefonds wurden alternative Beta-­Strategien auserkoren. Definiert sind diese als liquide, voll systematische­ Multi-Asset-Strategien, die langfristig weitgehend unabhängig­ von der Richtung des Underlying-Marktes sind. Bevor Bfinance auf die Suche nach passenden Managern ging, wurde eine zusätzliche Unterteilung in zwei Sub-Kategorien vorgenommen: alter­native Risikoprämien,­ wie Value, Momentum, Carry, Low Risk und Quality, und Hedgefonds-Betas. Bei letzterem lag der Fokus auf den drei verbreitetsten Strategien: Merger Arbitrage, Trendfolge und Convertible Bond Arbitrage. Nachdem jede Risikoprämie und jedes Hedgefonds-Beta auf seinen Diversifikationsnutzen für das Gesamtportfolio und relativ zu einer korrespondierenden Allokation in globale­ Aktien untersucht wurde, empfahl Bfinance seinem Kunden den Fokus auf Manager mit breiten, alternativen Multi-Asset-Risiko­prämienstrategien und Core-Trendfolge-Manager zu legen. Der Pen­sionsfonds folgte dem Rat. Im Februar startete der Search-Prozess.

Für die Longlist hatte Bfinance zunächst rund 60 Manager identifiziert, die dazu in der Lage wären, systematische, alternative Beta-­Strategien anzubieten. Das Universum schrumpfte schnell, weil sich viele dieser Manager entweder noch im Entwicklungsprozess ihrer Angebote befanden oder entschieden hatten, keine entsprechenden Produkte aufzulegen. Es blieben 34 Manager. Zum Knock-out wurden für weitere zehn die Mindestanforderungen des US-Pensionsfonds, die unter anderem eine Milliarde Dollar­ Assets under Management auf Unternehmensebene und fünf Jahre Erfahrung mit besagten Strategien oder systematischen Faktor-Investments vorsahen. Faktor­basierte Hedgefonds-Index-Replikationen waren nicht akzeptiert. Dieser Filter reduzierte das Universum auf 24 Manager, die Bfinance einlud, den umfassenden und maßgeschneiderten RFP auszufüllen. „Unrealistisch starken Backtests wurde mit Skepsis begegnet“, erklärte­ Bfinance in seiner dazugehörigen Fallstudie „DNA of a Manager Search“. Auf die Shortlist für die Vor-Ort-Due-Diligence schafften es letztlich elf Manager. Weil der US-Pensionsfonds eine Überdiversifikation in der Anzahl der Manager vermeiden wollte, wurde weiter ausgesiebt. Am Ende wurden zwei Manager alternativer Risikoprämien­ und zwei Trendfolgemanager ausgewählt. Um welche Adressen es sich konkret handelt, verriet Bfinance nicht. Derzeit laufen die Vorbereitungen für die Zielinvestitionen, die Anfang des vierten Quartals dieses Jahres erfolgen sollen.

Ihre Liebe zu smarten Betas hat kürzlich auch die Public Employees Retirement Association of New Mexico (Pera) entdeckt, die ein Vermögen von rund 14 Milliarden Dollar verwaltet und sich im April dieses Jahres eine neue strategische Asset Allocation verpasst hat. In dieser sind 43,5 Prozent für globale Aktien vorgesehen – zehn Prozent weniger als zuvor. Im Zuge der veränderten Aktienstrategie integrierte­ Pera eine Low-Volatility- und andere faktorbasierte Strategien.­ Sie machen laut dem Internetportal „top1000funds“ 4,4 Prozent des gesamten Portfolios aus – sprich: 268 Millionen Dollar. Ein Freund von Smart Beta ist auch die Alberta Investments Management Corporation­ (Aimco), die rund 70 Milliarden Dollar verwaltet. „It’s been successful. I like smart beta“, sagte Dale MacMaster, Investmentchef von Aimco, Anfang Juli gegenüber top1000funds. Dem Smart-Beta-Ethos widmet er sich in einer intern gemanagten Portable-Alpha-Strategie.

Dabei wird leveraged Exposure zu einem Index mit Investments in höher rentierliche Assets oder Strategien kombiniert, die mit dem Index­ unkorreliert sind. Ersterer biete Beta, letzterer soll Outperformance liefern – sprich: Alpha. Laut MacMaster geht es darum, einen globalen Alpha-Pool zu erzeugen, der dann über das Beta-Exposure von Aimco allokiert wird: „Wir können sagen, dass wir kanadisches Beta haben und dann Alpha aus einem globalen Alpha-Pool erhalten, der einen diversifizierten Mix an Exposures hat. Es geht nur darum, den kosteneffizientesten Weg zu finden, Alpha und Beta zu liefern.“ Und weiter: „Ich möchte keine exorbitanten Fees für einfache Hedgefonds-Strategien, die einfach repliziert werden können. Wir versuchen, smarter zu sein in der Art, wie wir Hedgefonds nutzen. Vielen von dem, was sie tun, können wir intern machen.“

Balsam für die Hedgefonds-Seele
Angesichts dieser Worte stellt sich die Frage: Lauert in Kanada ein nächster Nackenschlag für die Hedgefonds-Branche? Vielleicht! Vorerst droht hier noch keine Hiobsbotschaft. MacMasters weiß, dass er nicht alles replizieren kann und ist bereit, für „enhanced strategies with high conviction managers“, die zusätzliche 200 bis 250 Basispunkte versprechen, zu zahlen. „Wir suchen nicht nach besonders hohen Hedgefonds-Renditen, stattdessen suchen wir diversifiziertes, unkorreliertes Alpha bescheidener Renditen, das heißt zwischen sechs und acht Prozent auf einen Korb an Hedgefonds – überlagert mit Aktienmarkt-Beta“, so MacMasters gegenüber top1000funds.

Nicht nur MacMasters Worte dürften Balsam für die Hedgefonds-Seele sein, sondern auch die Studie „The One Billion Club“ des Daten­anbieters Preqin. Die zentrale Erkenntnis: Von einer Massenflucht der Großanleger aus Hedgefonds kann nicht die Rede sein. Noch nie zuvor gab es so viele Investoren, die eine Milliarde Dollar oder mehr in Hedgefonds allokiert haben, wie im Juni dieses Jahres. Preqin zählte­ 238 – das sind netto elf mehr als im Mai 2015. Die Mehrheit der Neuzugänge­ sind Pensionsfonds. Als Beispiel nannte Preqin den Mars Pensionsfonds, der in den vergangenen zwölf Monaten seine Hedgefonds-Quote von 14 auf 24 Prozent ausbaute und nun rund 1,1 Milliarden Dollar in dieser ­Asset-Klasse investiert hat. Auch einige Altmitglieder haben ihr En­gagement deutlich erhöht. Hier stechen die Pensionsfonds von ­Boeing und Delta Airlines mit zusätzlichen 2,4 beziehungsweise 1,7 Milliarden Dollar hervor. Auch im öffent­lichen Pensionssektor fand Preqin Hedgefonds-Freunde: Regents of the University of California und ­State of Wisconsin Investment Board haben beide ihre Allokation seit Mai 2015 um 1,2 Milliarden Dollar ausgebaut. Zusammen ist der „One Billion Club“ mit 763 Milliarden Dollar in Hedgefonds investiert – das sind rund 30 Milliarden Dollar mehr als im Mai 2015. Zu düster sollte die Lage der Hedgefonds-Branche also­ nicht gemalt werden. Dennoch: Dass einstige Clubmitglieder, wie Calpers und Nycers, abtrünnig ­wurden, sollten Hedgefonds-Manager ernst nehmen und sich den Bedürfnissen ihrer Investoren – insbesondere in puncto angemessenen Gebühren und Performance – anpassen. Wenn nicht: Die Anbieter von alternativen Beta-Strategien stehen bereits in den Startlöchern.

Von Kerstin Bendix

portfolio institutionell, Ausgabe 08/2016

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