Investoren
26. Dezember 2017
Ten years after … und die Vermögenslandschaft von morgen
Die Finanzkrise von 2008 jährt sich zum zehnten Mal. Ihre Folgen zeigen sich in der Asset-Allokation und deren Organisation sowie in der Dienstleister-Landschaft. Indexierungen einerseits, Multis und Alternatives andererseits erwiesen sich als Trendsetter. Doch was bringt die kommende Dekade für die Kapitalanlage?
Vor einer Dekade trug sich das Jahr 2008 als annus horribilis in die Geschichtsbücher der institutionellen Kapitalanlage ein. Die Kapitalverluste waren enorm, deutsche Aktien verloren etwa 40 Prozent.Außer Staatsanleihen strebten alle Asset-Klassen gen Süden. 2008 war aber auch ein Schreckensjahr für die Asset Manager. Der Industrie ging mit den fallenden Notierungen auf den Kapitalmärkten nicht nur ein großer Teil ihrer Management-Fee-Basis verloren. Sie erlitt zudem auch einen großen Verlust an Vertrauenskapital.
Der große Vertrauensverlust
Hedgefonds und Rohstoffe, damals als Diversifikator und unabhängig stetig sprudelnder Renditequell beziehungsweise als Inflationsschutz vermarktet, sind in den meisten Portfolios ausgestorben. Dieses Schicksal erlitten auch klassische CPPI-Systeme, die erst zu spät absicherten und dann den im März 2009 ausgestoppten Investoren den Wiedereinstieg in Aktien zum Tiefpunkt vermasselten. Offene Immobilienfonds, Immobilienfonds mit gemischter Anlegerschaft und ABS-Strukturen finden allenfalls langsam wieder das Zutrauen von Investoren. Seit dem damaligen Fiasko achten sie nun viel sorgfältiger auf Leverage und Liquidität. Mindestens ebenso groß ist aber der Vertrauenskapitalverlust, den Rating-Agenturen erlitten.
Mit dem gestiegenen Misstrauen gegenüber Dienstleistern wurde auch die – mit den Anfang des Jahrtausends eingeführten Master-KAGen – Errungenschaft der Aufspaltung der Wertschöpfungskette beziehungsweise der Spezialisierungsgedanke hinterfragt. Nicht zuletzt führten Zweifel an der Währungsunion immer wieder schubweise zu Denksportaufgaben, wie sich wahlweise entweder das Auseinanderbrechen der Währungsunion oder die Einführung von Eurobonds auf das Portfolio auswirken wird.
Der große Sprung nach vorn
Aus dieser Gemengelage entwickelten sich in den Nachkrisenjahren neue Anlagestrukturen. Insbesondere rückten bei Investoren Überlegungen zum Nutzen und effizienten Einsatz von Asset Managern in den Vordergrund. Unternehmensanleihen, deutsche Wohnungen, Wind- und Solarparks wanderten in den Direktbestand. Zutrauen in die hohen Renditen, die Einsicht, dass man für auskömmliche Renditen die Ärmel hochkrempeln muss und das Vertrauen in die deutsche Einspeisevergütung des EEG waren die jeweiligen Hintergründe. Auch Finanzierungen für Immobilienentwicklungen oder Infrastruktur-Assets im Do-it-yourself sind Beispiele für die in der Nachkrisenzeit ohne Asset Manager eingeschlagenen Wege. Dafür verpartnerte man sich in diesen Fällen in der Regel mit Projektentwicklern, Versorgern, spezialisierten Consultants und Banken.
Diese Wege wurden zwar nicht häufig beschritten, erschienen aber als erfolgversprechender, als weiterhin lediglich auf dem klassischen Weg Mandate für liquide Wertpapiere und geschlossene Fonds auszuschreiben. Ein explizites Misstrauensvotum in das aktive Tun stellen aber die stark gewachsenen Investments in ETFs und Indexfonds dar. Auch viele Smart-Beta-Investments werden über ETFs umgesetzt. Allerdings behaupten auch aktive Manager mit Smart-Beta-Strategien ihr Terrain oder gewinnen dieses zurück.
Andererseits bot die zinsarme Nachkrisenzeit der Asset-Management-Industrie auch viele deutlich lukrativere Potenziale als nur die Abbildung von Indizes oder die Umsetzung von Faktorprämien-Allokationen. Abgefallen vom Glauben an die Aufspaltung der Wertschöpfungskette, oder vielmehr auf Grund von Zweifeln an die eigenen Allokationsfähigkeiten, kauften Investoren Lösungsanbieter wie Multi-Asset-Mandate, Absolute-Return-Strategien – beides Wiedergeburten der ausgemusterten Mischfonds beziehungsweise Hedgefonds im zeitgemäßen Gewand – und auf Fixed-Income-Ebene Unconstrained-Strategien ein. Auch Global-Equity-Mandate liefern Zeugnis davon ab, dass mehr Entscheidungen an Asset Manager delegiert werden.
Die Musik spielte aber nicht nur im liquiden Bereich. Vielmehr erfuhren sogenannte Real Assets einen großen Bedeutungszuwachs. Während das Interesse an Private Equity eher konstant blieb, erfreute sich die Asset-Klasse Infrastruktur einer stark steigenden Beliebtheit, die auch die im Vergleich zu liquiden Assets relativ hohen Fondsgebühren übertünchen konnte. Die Fondsgebühren und das allgemein gewachsene Preisbewusstsein waren aber nicht zuletzt ein Grund für die Abkehr von Dachfonds und hin zur Suche nach dem einen oder anderen Co-Investment.
Wirklich viele neue Asset-Klassen sind in den zinsarmen Nachfinanzkrisenjahren nicht entstanden, vielmehr handelte es sich um Subsegmente von Fixed Income, Immobilien oder Infrastruktur wie Emerging Market Corporate Bonds, Parkhäuser oder PV-Parks. Die Umsetzung der Investments hat sich aber verändert. Diese Entwicklung war schon 2012 erkennbar. Anlässlich einer Gesprächsrunde zum zehnjährigen Jubiläum von portfolio institutionell sagte Herwig Kinzler von Mercer: „Ich stimme zu, dass es künftig mehr Diversifikation geben wird – aber nicht revolutionär. Asset-Klassen sind endlich, und auch die Trennung zwischen den entwickelten Märkten und den Schwellenländern wird verschwinden. Bei der Weiterentwicklung spielt die Musik woanders. Ein großes Thema wird der intelligente Zugang zu Asset-Klassen sein. Außerdem wird es deutlich mehr taktische und auch opportunistische Entscheidungen geben.“
Summa summarum hat sich die Kapitalanlage deutlich verkompliziert. Statt von Illiquiditätsprämien wird mehr und mehr von Komplexitätsprämien gesprochen, und Komplexitäten erfordern Konzentration, die Konzentration auf bestimmte Asset-Klassen, aber auch auf Dienstleister. „Im Endeffekt lässt sich dem nur Rechnung tragen, indem man sich auf eine immer geringere Zahl von vertrauenswürdigen Partnern konzentriert, die eine ähnliche Anlagephilosophie verfolgen“, sagte Dr. Andreas Kretschmer von der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe im damaligen portfolio-Gespräch.
Was ist für die kommenden zehn Jahre zu erwarten? Mit dem lower for longer in Europa werden sich die oben beschriebenen Entwicklungen fortsetzen – bei einer immer professionelleren Umsetzung. Dies dürfte zunächst das Thema Nachhaltigkeit betreffen, welches bereits in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen hat. ESG-Strategien wandelten sich von der Underperformance-Befürchtung zur Treuhänderpflicht sowie zu einem Bestandteil des Risikomanagements. Von simplen Ausschlüssen entwickelt sich Nachhaltigkeit auch mehr und mehr zu einer Impact-Suche, insbesondere bezüglich des Klimawandels. Es bewahrheitete sich, was Dr. Rolf Wickenkamp – heute Wickenkamp Consulting – in der damaligen Interviewrunde zum Zehnjährigen von portfolio institutionell prophezeite: „Ich erwarte auch, dass die Themen ‚Clean Energy‘ oder ‚Climate Change‘ eine viel größere Rolle spielen und sich in verschiedenen Asset-Klassen – Aktien, Private Equity, Infrastruktur oder Finanzierung – niederschlagen werden.“
Die kommenden Veränderungen / Ten years upcoming
Was ist für die kommende Dekade zu erwarten? Der Ausbau von Alternatives dürfte weitergehen und illiquiden Assets somit eine immer größer werdende Quote zukommen. Der Trend hin zu Alternatives führt zu neuen Strukturen bezüglich des Portfolios, der Organisation und der Kosten. „Ich gehe davon aus, dass Satellites Core werden und umgekehrt“, so Wickenkamp im damaligen Gespräch. Teil der neuen Portfoliostrukturen wird aber auch eine stärkere Einteilung der Allokation in liquide und illiquide Asset-Klassen sein. Dem entspricht auch, dass zwischen Infrastruktur, Immobilien und Private Equity je nach Assets die Abgrenzungen verschwimmen. Absehbar ist damit auch, dass dem Wirtschaftsprüfer wegen der Bewertung der illiquiden Assets künftig mehr Bedeutung zukommt.
Portfolio-, Organisations- und Kostenstrukturen
Künftige Organisationsstrukturen werden sich einmal stärker an internen und externen Kapazitäten beziehungsweise am Maß von In- und Outsourcing orientieren sowie an Club Deals und Konsortien wie beim Starkstromnetz Amprion und an der Finanzierung des Offshore-Windparks Gode Wind 1 ein Beispiel nehmen. Bei diesen Co-Investments von Finanzinvestoren mit einer großen Versicherung wie der Talanx beziehungsweise mit RWE und Commerz Real blieben liquide Asset Manager außen vor. Extern eingekauft wird vielmehr die Expertise von Wirtschaftsprüfern und Ingenieuren.
Der Aufbau von internen Strukturen, der allein schon für das Verständnis von alternativen Assets notwendig ist, wirkt sich ebenso wie die höheren Verwaltungsgebühren für alternative Asset Manager auf die Kostenstrukturen aus. Durch passive Wertpapierstrategien erzielte Einsparungen werden von den durch die zunehmende Allokation in Alternatives steigenden Kosten überkompensiert. Intern und extern werden aber auch Kapazitäten zur Verlängerung der Wertschöpfungskette aufgebaut. Expertisen für Immobilien und Erneuerbare Energien werden erweitert, um Entwicklungsrisiken nehmen und Zielrenditen zumindest konstant halten zu können. Gleichzeitig bauen Investoren auch Know-how für neue Asset-Klassen auf. Ein Leitstern ist dabei auch die Skalierungsfähigkeit, also der Abgleich des Volumens an investierbarem Material mit dem Aufwand für Know-how-Aufbau und Neue-Produkte-Prozess. Auf der Anbieterseite meldete jüngst die KGAL, dass man die Wertschöpfungskette mit einer neuen Value-Add-Einheit verlängert habe. Größere Asset Manager wie Blackstone, Apollo oder Partners Group erweitern zudem ihr Angebots-Portfolio über Asset-Klassen hinweg zu One-Stop-Shopping-Solutions.
Unter dem Strich werden die Kapitalanlagekosten steigen. Um die Kostenstrukturen trotzdem einzudämmen, dürfte man für Alternatives über neue Zugangswege sinnen – umso mehr, wenn die Zielrenditen für Private Equity und Immobilien weiter sinken und die General Partner weiter auf ihren Gebührenvorstellungen beharren können. Was für Aktien passive Investments sind, könnten dann für Alternatives kostengünstige Direktinvestments sein. Bereits bestehende Beispiele sind neben Amprion die Beteiligungen der Versicherungskammer Bayern an der gelisteten Private-Equity-Gesellschaft Indus und die Beteiligung der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe an der ebenfalls an der Börse notierten Deutsche Wohnen. Statt Management Fees zu zahlen, bekommen die Investoren bei einer solchen Portfoliostrukturierung Dividenden und Aufsichtsratsvergütungen. Solche Directs sind auch einfacher in der Umsetzung als die viel beschworenen Public Private Partnerships.
Von höheren Komplexitäten und Kosten profitieren die Angestellten auf Anbieter- und Nachfrageseite. Sicherer werden die Arbeitsplätze aber insbesondere wegen des Konsolidierungsdrucks und auch auf Grund von Run-off-Ambitionen der Versicherer nicht. Ob hierzu das Entstehen von neuen Arbeitsplätzen im Private Wealth und bei Family Offices eine Gegenbewegung sein kann?
2084: Schweiz, Niederlande oder Kanada
Für ein solches – angelehnt an George Orwell – 2084 wird auf Seiten der Anbieter der Trend vom Produkt- zum Lösungsanbieter zunehmen, die Asset Manager werden Partnerschaften suchen und/oder Preiskämpfer sein. Zudem müssen sie sich davor wappnen, dass Investoren attraktive Anlagestrategien auch einkaufen und nicht nur abgucken. Spezialisierte Consultants werden mehr und mehr als Dealsourcer gesucht sein, große Berater werden sich mehr und mehr als Produktanbieter positionieren. Dafür müssen sich die Anforderungsprofile wandeln.
Und auf der Anlegerseite? Die Szenarios können Schweiz, Niederlande oder Kanada lauten. In der Schweiz – und nicht in Japan – lassen sich die Auswirkungen des Lower-for-longer-Zinses studieren. Die Kapitalanlagen der Eidgenossen sind breiter diversifiziert, also weniger zinslastig. Dafür entfällt auf Alternatives eine größere Quote. Zudem wird die Allokation in Bandbreiten aufgestellt, und es sind in einem gewissen Rahmen Möglichkeiten für Unterdeckungen gegeben, was prozyklisches, renditeschädliches Management reduziert. Eine Voraussetzung zur Umsetzung in Deutschland wäre ein weniger am Bilanzstichtag orientiertes Denken.
Die Alternative zu groß angelegten Internalisierungen wäre à la Niederlande ein Outsourcing an einen Fiduciary Manager, was eine naheliegende Reaktion auf immer anspruchsvollere Kapitalmärkte und Regulierungsvorgaben wäre. Der Investor kann sich dann idealerweise auf Allokationsfragen und auf das Controlling konzentrieren. Das Fiduciary-Modell bietet sich insbesondere für kleinere Kapitalsammelstellen an, hat sich in den Niederlanden aber nicht immer bewährt. Als Schwachstelle zeigte sich, dass Treuhänder dazu neigen können, ihre Position zum Vertrieb eigener Asset-Management-Produkte zu nutzen. Das Fiduciary-Modell bewahrte die dortigen Pensionsfonds auch nicht davor, Rentenziele zu reduzieren. Hierzulande bestehen zudem traditionell große Ängste vor einem Verlust an Kompetenz und auf persönlicher Ebene an eigener Bedeutung im Falle des Outsourcings an einen Fiduziar.
Bei den zig Milliarden schweren Pensionsfonds in Kanada ist das do-it-yourself sehr ausgeprägt. Es bestehen eigene Investmentteams für verschiedene Asset-Klassen, Infrastruktur-Assets werden ohne Umwege gesucht, Aktien auch von deutschen Mittelständlern geshorted. Beispielweise managt ein internes Team des Pensionsfonds der Lehrer in Ontario deren Immobilienportfolio, zu dem auch Aktien von Immobilienunternehmen und ein großes Portfolio in Brasilien zählen. Auch für das Dealsourcing werden alle Register gezogen: Die Lehrer unterhalten ein Global Strategic Relationship Department, welches für die Entwicklung und Pflege der weltweiten Investment-Beziehungen verantwortlich zeichnet. Der Leiter dieser Abteilung wirkte zuvor als Special Assistant des Premiers von Ontario.
Wichtige Determinanten für den weiteren Weg der Kapitalanlage und deren Organisation in Deutschland sind die weitere Entwicklung des Gaps zwischen benötigten und erzielbaren Renditen sowie das Aufsichtsrecht. Auf Grund der verschiedenen Ausgangspositionen der einzelnen Kapitalsammelstellen ist nicht zu erwarten, dass diese alle in die gleiche Richtung laufen. Somit erscheinen sowohl ein Niederlande, ein Schweiz oder ein Kanada als möglich.
Autoren:
Patrick EiseleSchlagworte: Jahreskonferenz portfolio institutionell | Strategische Asset Allocation (SAA) | Wirtschafts- und Finanzkrise
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