31. Januar 2012
Teil III des ETF-Roundtable-Gesprächs
„Sowohl das Swap-basierte als auch das Wertpapierleihe-basierte Modell fahren bei vernünftiger Handhabung juristisch relativ wenig Risiko.“
Tobias Bürger: Es gibt auch institutionelle Investoren, die bei der Frage der Übersicherung Verständnisschwierigkeiten haben.
Michalik: Das ist jetzt nur die halbe Geschichte. Das Problem ist doch, dass viele, vor allem die Medien, sich nur ETFs anschauen, aber keine anderen komplexen Produkte. Wir als ETF-Branche sagen, was wir tun und wir zeigen das auch, aber keiner fragt die Anbieter von Riester-Renten oder Garantiefonds, wie sie vorgehen. Ich finde es ein Unding, wenn immer nur die ETF-Industrie kritisiert wird bezüglich Swaps und Wertpapierleihe.
Herkströter: Sowohl das Swap-basierte als auch das Wertpapierleihe-basierte Modell fahren bei vernünftiger Handhabung meiner Meinung nach juristisch relativ wenig Risiko. Es hängt von der einzelnen Ausgestaltung und insbesondere von den Sicherheiten, respektive der Tatsache ab, wann die Swaps glattgestellt werden. Wenn ich das täglich tue und den Swap-Anteil begrenze, dann ist das Ausfallrisiko handhabbar. Aber das ist wirklich – da haben Sie absolut recht – in der Diskussion, die am Markt geführt wird, völlig unter den Tisch gefallen.
Klee: Jetzt, nachdem wir in Sachen Besicherung nachgebessert haben, sind ETFs der Goldstandard der Investment-Produkte. Aber wir haben ein Kommunikations-problem. Wir müssen uns einfach bewusst sein, dass unsere Produkte heute zu-nehmend von Privatkunden gekauft werden und dass wir uns darum bemühen müssen, diese Produkte verständlicher zu machen und auf die Risiken adäquat hinweisen. Aber noch mal, wir sind hier die Speerspitze und nicht die, die irgendwelche besonderen Probleme haben. Es gab in der ETF-Industrie noch keinen Blow-up, trotz dieser Finanzkrisen.
Masarwah: Die Tatsache, dass so wild hin und her diskutiert wird, liegt auch ein Stück weit an der Diskussion, die Sie intern führen und die immer wieder nach außen getragen wird. Da wurde oft nicht differenziert argumentiert, wie an dieser Stelle. Was hat Sie eigentlich davon abgehalten, den mehrfach diskutierten ETF-Verband zu gründen? Wenn Sie so einig sind in Ihrer Einschätzung, dass ETFs der Goldstandard sind, hätten Sie ja die Chance, das auch nach außen klarer zu dokumentieren als sich heftige Auseinandersetzungen zu liefern.
Klee: Wir haben in der Branche unterschiedliche Modelle und wollten auch diese Differenzierung für Kunden deutlich machen. Darüber hinaus gelingt es uns sehr gut, unsere Themen auch gemeinsam zu artikulieren. Für mich ist ein Verband auch etwas, was Geld kostet, wo es eine Kosten-Nutzen-Analyse geben muss. Außerdem haben wir ja alle ein Interesse daran, dass unsere ETFs im UCITS-Kontext bleiben. Eben weil all das, was wir machen, auch jeder andere UCITS-Fonds macht. Ich sehe in dieser Verbands-Diskussion auch die Gefahr, dass wir einen Vorwand liefern, dass wir doch getrennt angeschaut und reguliert werden. Ich glaube, dass wir unsere Themen sehr gut im Rahmen der Fonds-Industrie und der UCITS-Diskussion besprechen können. Da gehören sie nämlich hin.
Herkströter: Dass sie börsengelistet sind, bedeutet, dass es noch zusätzliche Regularien gibt, die für ETFs gelten.
Michalik: Deswegen wäre ein Verband nicht so schlecht. Ich stimme bei vielem mit Herrn Klee überein, bei dieser Frage aber nicht. Ich glaube, dass es sogar schädlich ist, dass es keinen ETF-Verband gibt. Die ETF-Industrie tut sich keinen Gefallen, weil ein ETF ein hybrides Modell ist. Auf der einen Seite steht natürlich der Invest-ment-Gedanke. Aber ETFs betreffen vor allem die Handelsseite, das wurde ja vorhin schon angesprochen. Und ETFs werden in Europa künftig noch viel, viel mehr im Handel eingesetzt werden. Die EFAMA oder der BVI haben gar kein Interesse, sich damit zu beschäftigen, weil das gar nicht ihre Kernkompetenz ist, und dementspre-chend brauchen wir einen Verband, in dem die ETF-Anbieter gebündelt gegenüber den Indexanbietern und den Börsen auftreten können.
Klein: Die Zeit ist offenbar nicht reif, die Vertriebsinteressen Einzelner stehen vielleicht noch zu sehr im Vordergrund. Das ist ein Fehler. Wir haben gesehen, was mit der Diskussion synthetisch gegen voll replizierend angestachelt wurde. Jetzt erlässt jeder Anbieter eigenen Standards. Das kann andere, vielleicht schwächere Anbieter, die nicht die Ressourcen haben, in den Schatten stellen. Der Endanleger hat aber von den Selbstverpflichtungen profitiert. Ich glaube, die Produkte sind auf der UCITS-Seite sehr gut reguliert und sie werden noch besser reguliert werden. Die meisten Fehler werden dagegen im Handel gemacht. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass ETFs im Schnitt nur drei Monate gehalten werden, viele sogar nur ein paar Tage, dann ist das eine potenzielle Gefahr für Anleger. Außerdem gibt es in Europa verschiedene Modelle beim ETF-Handel. Die Euronext hat einen Stop-Loss-Mechanismus auf indikative Net-Asset-Values und ist hier schon deutlich weiter als zum Beispiel Xetra. Dennoch handeln die meisten Kunden hauptsächlich auf Xetra. Da ist noch Aufklärungsarbeit zu leisten. Wenn man sieht, dass die einzelnen Börsen jetzt anfangen, den Handel zum Net Asset Value anzubieten, dann ist das für Anleger hochrelevant. Wie Wertpapierbörsen reguliert werden, ist Ländersache. Das ist unser Nachteil im Vergleich zu Amerika, wo es nur einen Börsenplatz gibt. Wir haben elf verschiedene, und das vermindert auch die Liquidität.
Masarwah: Haben wir Sie richtig verstanden, dass Sie mit den immer spezielleren ETF-Themen im Fondskontext der Efama unterzugehen drohen?
Klein: Genau. Der Handel wird ja nicht unter UCITS reguliert.
Michalik: Ja, das kann man auch ganz offen aussprechen. Wie viel Hilfestellung kam bis jetzt von der EFAMA oder vom BVI für die ETF-Industrie? Da kam nicht all-zu viel, weil es einfach nicht ihre DNA ist, und deswegen gehört ein ETF-Verband nicht dort hin.
Klee: Das sehe ich anders. Der BVI und auch die EFAMA haben die ETF-Industrie schon sehr stark unterstützt. Es gibt Arbeitsgruppen, und es gab viel mehr Aufmerk-samkeit als wir sie früher hatten. Zugegebenermaßen sind spezielle ETF-Themen für die Fondsindustrie, die ja überwiegend aktiv geprägt ist, neu, aber die Fondsverbände sind nun einmal die wichtigen Sammelbewegungen, wo es Immobilienfonds-Ausschüsse genauso wie ETF-Ausschüsse gibt. Ich denke, dass entscheidende Fortschritte gemacht wurden, und dass das Thema ETF im Rahmen der Fondsverbände mittlerweile eine sehr hohe Priorität hat.
Herkströter: Sie haben vorhin ja gefragt, warum gerade die ETFs heute in den Fokus geraten sind. ETFs sind in den Fokus geraten, weil es dort so plastisch und transparent wird, wie es funktioniert. Wertpapier-Fonds, die alles Mögliche machen, Swaps einsetzen, ein bisschen Wertpapierleihe tätigen, werden nicht so beäugt. Und plötzlich ist den Regulatoren aufgefallen, dass ETF-Anbieter diese Instrumente in ihrer gesamten Produktpalette einsetzen. Die Aufsicht ist aufmerksam geworden, nicht weil ETFs böse sind, sondern weil es dort besonders klar wird.
Bürger: Da muss ich Ihnen recht geben. Mir ist erst im Rahmen der ETF-Diskussion klar geworden, dass ein synthetisch replizierender DAX-ETF mitunter nicht einen einzigen DAX-Wert in seinem Sicherheitsportfolio hält.
Michalik: Das kann bei einem voll replizierenden ETF auch so sein.
Klee: Nein. Bei uns hält der DAX-ETF die 30 DAX-Anteile, fertig.
Herkströter: Nur bis er verliehen hat.
Klee: Wertpapierleihe und Derivateeinsatz zu vergleichen, ist völlig absurd.
Michalik: Nicht aus der Perspektive des Risiko-Managers. Was wäre denn mit dem ETF, wenn am Abend nach Börsenschluss derjenige, an den die Dax-Aktien verliehen wurden, aus irgendeinem Grund nicht mehr da ist? Was hat dann der Fonds?
Klee: Der Fonds hat die Sicherheiten und ist übersichert.
Michalik: Ich denke, der Fonds hat die Aktien aus dem Index?
Klee: Das ist eine sehr theoretische Debatte. Wir könnten die Wertpapierleihe jederzeit sofort einstellen, während die Swap-ETF eben nicht den Einsatz von Derivaten beenden können, denn dann würden diese Fonds nicht mehr funktionieren. Das ist der ganz wichtige Unterschied. Wir verleihen Wertpapiere, weil wir damit mehr Ertrag für den Kunden erwirtschaften.
Klein: Die meisten synthetischen ETF halten ja auch physische Assets. Bei uns stimmen die Holdings zwar nicht 1:1 mit dem Index überein, aber die Korrelation ist in der Regel hoch. Es geht uns um die perfekte Indexabbildung, und wenn ich ohnehin das Risiko des Swaps regelmäßig auf null setzte, kann ich kein Risiko für den Kunden erkennen.
Michalik: Bei unserem DAX-ETF sind vielleicht nicht die DAX-Aktien drin, aber wenn wir State Street anweisen, die DAX-Aktien sofort zu kaufen, dann sind die umgehend drin. So, jetzt frage ich Sie, Herr Klee, wo das Problem mit dem Swap sein soll?
Klee: Mir geht es darum, nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Man muss Fonds-konstruktion, die auf Derivaten basieren, von Zusatzerträgen, die aus der Wertpapierleihe kommen, auseinanderhalten.
Michalik: Ich wollte die Problematik Ihrer Aussage darstellen. Sie können nicht behaupten, dass in einem physischen ETF das drin steckt, was im Index ist. Das stimmt einfach nicht.
Herkströter: Ich möchte diese Frage hier nur aus juristischer Sicht betrachten. Es hängt vom einzelnen Produkt ab und der Frage, wie die Besicherung erfolgt. Wenn Wertpapierleihe nicht gemacht wird, dann sind die Indexpapiere im Fonds. Sollten die Wertpapiere verliehen werden, dann stellt sich die Frage nach der Zusammen-setzung des Sicherheiten-Korbs. Auch daran finde ich nichts Schlimmes. Vielleicht erfährt der Korb in Zukunft auch gewisse Regularien, damit kann man gut arbeiten. Ich halte die Wertpapierleihe bei vernünftiger Besicherung für ein fantastisches Instrument, dagegen ist nichts zu sagen. Dasselbe gilt für einen Swap, wenn er ordentlich eingesetzt wird. Gegen beides ist wegen der Ertragsverbesserung für den Anleger nichts einzuwenden, wenn die Risiken für den Kunden transparent gemacht sind und minimiert werden.
Michalik: Wir haben kein Problem mit der Wertpapierleihe. Ich glaube sogar, dass Wertpapierleihe etwas Gutes ist und auch im Krisenfall funktioniert. Beim Fall Lehman hat man in einigen Fällen gesehen, dass die Existenz von Collaterals bei verliehenen Wertpapieren wichtig waren. Ich finde es nur absolut nicht richtig, sich hinzustellen und zu behaupten, dass in physischen ETFs drin ist, was draufsteht. Und das ist eine Diskussion, die ich jetzt Ihnen, Herr Klee, gar nicht zuschreiben will, sondern generell der Branche der physischen Replizierer. Deswegen glaube ich, dass die Transparenz-Diskussion 2012 eher die physischen ETFs und die aktiven Fonds betreffen wird.Hierfinden Sie den vierten und letzten Teil des Roundtable-Gesprächs ("Die Sicherheitsdebatte wird den ganzen Fondsmarkt betreffen, einschließlich ETFs").
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portfolio institutionellSchlagworte: Kreditmärkte
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