Tausend und eine Nacht
Die Staatsfonds aus dem Mittleren Osten gehören zu den einflussreichsten Finanzakteuren der Welt. Der Quell ihres Aufstiegs war einst das Öl, doch darauf lassen sie sich schon lange nicht mehr reduzieren. Ein Einblick in die geheimnisvolle Welt der Scheichs.
Der Nachschub fließt unaufhörlich, die Lager sind übervoll. Nur die Konsumenten machen sich rar. Sorgen um die Entwicklung der chinesischen Wirtschaft haben den Ölpreis in den vergangenen Monaten mächtig unter Druck gesetzt. Das wirft die Frage auf: Wie verkraften die Staatsfonds im Mittleren Osten den Preisverfall? Gerade die kurzfristige Finanzierung kann dadurch erheblich erschwert werden. Doch die Sorgenfalten sind offenbar klein. Das lässt sich zumindest der im Juni veröffentlichten Global-Sovereign-Asset-Management-Studie 2015 von Invesco entnehmen, für die mehr als 50 öffentliche Investoren aus aller Welt befragt wurden. Entgegen aller Erwartung sehen vor allem Staatsinvestoren aus Nordamerika, denen hohe Rohstoffpreise in der Vergangenheit die Kasse füllten, eine Belastung ihrer kurzfristigen Neufinanzierung. Am geringsten schätzen ölfinanzierte Staatsinvestoren im Mittleren Osten die Auswirkungen der Ölpreisentwicklung ein. „Die Staatsinvestoren sind heute ganz klar besser aufgestellt als vor der globalen Finanzkrise von 2008“, so Nick Tolchard, Vorsitzender der Global Sovereign Group von Invesco und Head of Invesco Middle East. Verbesserungen, die seither umgesetzt wurden, seien eine größere Betonung von Liquiditätszielen, ein besseres Risikomanagement und bessere Kontrollstrukturen. Auch die Portfolios seien breiter diversifiziert.
Die Zeiten, in denen sich Scheichs damit zufriedengaben, teure deutsche Autos zu kaufen, sind längst passé. Sie beteiligen sich stattdessen lieber direkt an deutschen Autokonzernen. Der Staatsfonds von Katar ist zum Beispiel seit 2009 drittgrößter Aktionär bei Volkswagen. Da die Familien Piëch und Porsche mehr als die Hälfte der Anteile und das Land Niedersachsen weitere 20 Prozent halten, hat die Qatar Investment Authority (QIA) mit ihren rund 17 Prozent zwar keine direkte Macht, aber zumindest ein strategisches Mitspracherecht. Etwas anders sieht es bei Daimler aus. Bereits vor vier Jahrzehnten stieg der kuwaitische Staatsfonds bei dem Stuttgarter Automobilkonzern ein, was 2014 mit einem großen Festakt im Mercedes-Museum gefeiert wurde. Mit einem Anteil von rund sieben Prozent ist die Kuwait Investment Authority (KIA), die mit einem Vermögen von rund 592 Milliarden Dollar fünftgrößter Staatsfonds der Welt ist, der größte Einzelaktionär bei Daimler.
Ein bisschen Luxus darf es sein
Die arabischen Staatsfonds haben viel Geld, das es anzulegen gilt. Mit geschätzten 256 Milliarden Dollar zählt die QIA dabei eher zu den kleinen ihrer Zunft – sie ist halb so groß wie ihr kuwaitisches Pendant, dafür aber deutlich jünger. Die Katarer starteten ihren Staatsfonds vor zehn Jahren, und er ist inzwischen zum neuntgrößten Staatsfonds der Welt herangewachsen. Längst hat sich die QIA als einflussreicher Finanzakteur etabliert, der sich auf der Suche nach renditeträchtigen Investments nicht allzu wählerisch zeigt. Die Palette an Beteiligungen ist bunt gemixt. Neben dem Volkswagen-Engagement gehören weitere deutsche Adressen, wie Siemens, Hochtief und Solarworld, Banken, wie Credit Suisse und Barclays, die Royal Dutch Shell, Lagardère und die Londoner Börse zum Portfolio der Katarer. Für ein bisschen Luxus im Portfolio ist ebenfalls gesorgt. So hält die QIA fast 13 Prozent an Tiffany’s und Anteile an der LVMH Group. Als Luxus lassen sich auch einige Immobilien einordnen. Die QIA nennt beispielsweise das Fünf-Sterne-Hotel Grand Hyatt am Potsdamer Platz in Berlin ihr Eigen, das über die Tochtergesellschaft Al Faisal Holding von dem in Auflösung befindlichen offenen Immobilienfonds „Immoinvest“ der SEB erworben wurde. Zu dem Deal gehörte noch ein zweites Objekt in Berlin, das Maritim am Tiergarten.
Die QIA ist nicht der einzige Staatsfonds aus dem Mittleren Osten, der auf Europas Immobilienmarkt Objekte mit attraktivem Rendite-Risiko-Profil sucht. Auch der 1976 gegründete Staatsfonds aus Abu Dhabi, der mit einem Vermögen von rund 773 Milliarden Dollar die Nummer zwei im Ranking des Sovereign Wealth Funds Institute ist, tut dies. Dieses immense Volumen weckt im Lager der Asset Manager natürlich Begehrlichkeiten. Anbieter, die sich Wachstum auf die Fahne geschrieben haben, können hier – so die landläufige Meinung – aus dem Vollen schöpfen. Doch die Luft wird dünner. Die Abu Dhabi Investment Authority (Adia), die über die vergangenen 30 Jahre im Schnitt 8,4 Prozent Rendite pro Jahr erzielt hat, setzt immer stärker auf eigenes Know-how. Das lässt sich aus dem Geschäftsbericht 2014 herauslesen. So wurden im vergangenen Jahr rund 65 Prozent der Assets von externen Managern verwaltet, nachdem es ein Jahr zuvor noch 75 Prozent und 2013 sogar 80 Prozent waren. Diese Entwicklung „spiegelt unsere Anstrengungen der letzten Jahre wider, die Inhouse-Investment- und Analyseexpertise der Organisation zu stärken“, schreibt Scheich Hamed bin Zayed Al Nahyan, Managing Director bei Adia, im Geschäftsbericht. Um einen größeren Anteil des Vermögens intern managen zu können, wurde personell aufgerüstet. So wurden 2014 erstmals die Posten des Global Head of Research und ein Global Head of External Equities besetzt. „Wir werden 2015 weiterhin selektiv Leute einstellen“, lässt bin Zayed Al Nahyan wissen. Die Mitarbeiter stammen im Übrigen aus über 60 verschiedenen Nationen.
Nicht nur die Belegschaft von Adia ist global breit diversifziert, sondern auch die Investments, wobei mit 55 Prozent der Großteil in indexreplizierenden Strategien steckt. Neben Aktien, die mindestens 43 Prozent des Portfolios ausmachen, spielen Real Assets eine wichtige Rolle. Eine eigene Einheit mit „dedicated teams“ kümmert sich um die Immobilien- und Infrastrukturinvestments, die fünf bis zehn beziehungsweise ein bis fünf Prozent des Gesamtvermögens ausmachen. Investiert wird im Bereich Real Estate direkt, wobei auch Joint Ventures mit erfahrenen lokalen Partnern und Fondsmanagern, die das Inhouse-Team „closely monitored“, eingegangen werden. Neuestes Objekt im Portfolio ist ein Vier-Sterne-Hotel in Prag, das wohl zur weiteren Diversifikation der Asset-Klasse „Hotel“ dient. Allein in Großbritannien nennt Adia drei Hotels ihr Eigen. Im Januar 2014 kam die London Edition von Marriott International hinzu, die im Paket mit der Miami Beach und New York Edition für gut 815 Millionen Dollar von Marriott International gekauft worden sein soll. Zum Portfolio gehören seit April 2015 auch drei Hotels in Hongkong: Grand Hyatt, Renaissance Harbour View und Hyatt Regency. „Wir kaufen überall auf der Welt, auch in Europa. Deutschland ist bei uns unter den Top drei“, erklärte Ralf Klann, Manager in der Immobilien- und Infrastruktureinheit von Adia, auf einer Handelsblatttagung 2014.
Ob er diese Aussage heute immer noch so treffen würde, muss bezweifelt werden. Gerade Deutschland scheint für den Staatsfonds zuletzt deutlich an Attraktivität eingebüßt zu haben. Im April trennte sich Adia von ihrer Beteiligung an der Deutschen Annington, was laut Reuters gut 725 Millionen Euro in die Kasse gespült haben soll. Was den Anstoß zum Verkauf gab, ist nicht bekannt. Klar ist nur, dass die eingestrichenen Gelder wohl nicht in Prime-Büroimmobilien in Frankfurt oder London fließen werden. Im Gespräch mit Bloomberg ließ Klann im Frühjahr dieses Jahres durchblicken, dass er die Märkte in Deutschland und London für überteuert hält. „Für uns, die wir auf Core Assets mit guter Lage fokussiert sind, bedeuten die höheren Preise, dass wir uns Projektentwicklung zuwenden“, so Klann. Diesen Worten sind bereits Taten vorausgegangen. In London hat sich Adia im vergangenen Jahr dazu committet, 200 Millionen Pfund in den Bau von Mietapartments zu investieren. Eine weitere Projektentwicklung findet sich in Luzern. Dabei handelt es sich um das Projekt „Mall of Switzerland“, das mit einem Volumen von umgerechnet 400 Millionen Euro veranschlagt ist und 2017 fertig sein soll.
Kooperation statt Konkurrenz
Während Adia im Immobilienbereich für europäische Investoren Konkurrenz um attraktive Objekte ist, sieht die Sache bei Infrastrukturinvestments anders aus. „Unsere Strategie ist es, Minderheitsbeteiligungen neben bewährten finanziellen und strategischen Partnern zu erwerben“, erklärt der Staatsfonds in seinem Geschäftsbericht. Eine solche Partnerschaft wurde jüngst mit den Münchner Versicherungskonzernen Allianz und Munich Re sowie Borealis, einer Infrastrukturplattform des kanadischen Pensionsfonds Omers, geschlossen. Gemeinsam übernahm man die Autobahn-Tank & Rast-Holding. Für die Allianz ist dies nicht die erste Kooperation mit dem Staatsfonds aus Abu Dhabi. Bereits 2009 investierten die beiden gemeinsam mit Morgan Stanley über eine Milliarde Dollar in Chicagoer Parkuhren.
Andere Staatsfonds aus dem Mittleren Osten haben ebenfalls Infrastrukturinvestments im Visier. So will auch der kuwaitische Staatsfonds seinem Portfolio mehr Infrastruktur verpassen. Wie die Khaleej Times Mitte August berichtete, sollen in den nächsten drei bis fünf Jahren fünf Milliarden Dollar direkt in Infrastruktur fließen, Schwerpunkt sei Großbritannien. Direktinvestments sind für die Kuwait Investment Authority dabei kein völliges Neuland. In diesem Feld ist sie seit 2013 unterwegs. In diesem Jahr wurde auch eine neue Einheit gegründet, die Wren House Infrastructure Management. Eigene Einheiten gibt es auch für Real Estate und Private Equity. In diese beiden Asset-Klassen wird allerdings nicht direkt, sondern über extern gemanagte Fonds investiert, wie der Internetseite des KIA zu entnehmen ist. Tiefergehende Informationen zur Asset Allocation lassen sich dort jedoch nicht finden. Es gibt zwar einen eigenen Pressebereich, lesen kann man die dortigen Mitteilungen jedoch nur, wenn man des Arabischen mächtig ist. Bei aller Aufgeschlossenheit für globale Investments und internationale Kooperationen scheinen die Staatsfonds aus dem Mittleren Osten doch noch nicht bereit, ihren Schleier ganz zu lüften.
Von Kerstin Bendix
portfolio institutionell, Ausgabe 09/2015
Autoren: Kerstin BendixSchlagworte: Versicherer
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