Summit I: Ohne Zinseszins, aber mit Opportunitäten
Wer auf stabile Erträge und festverzinsliche Wertpapiere nicht verzichten kann, sollte einen Blick auf „Bond Proxys“ werfen, wie Investoren auf dem ersten portfolio institutionell Summit im Jahr 2016 erfahren haben.
In den guten, alten Zinszeiten vor der Finanzkrise war die Welt für Anleiheninvestoren noch in Ordnung. Es gab damals nicht nur eine Investmentbank namens Lehman, sondern auch gleichnamige Bond-Indizes. „Diese matchte man mit meist euphorischen Renditeerwartungen von fünf Prozent mit den Verbindlichkeiten“, berichtete Thomas Bauerfeind von der Beratungsgesellschaft Protinus auf dem Anleihen-Summit von portfolio institutionell Ende Juni in Köln. „Entscheidungen über Abweichungen bei Laufzeiten, Bonitäten und so weiter wurden meist vollständig an Asset Manager übertragen.“
Nach 2008 war die Welt dann eine andere. Laut Bauerfeind waren Risikoaversionen teilweise massiv gestiegen und Risikotragfähigkeiten gesunken, vor allem auf den entwickelten Märkten kam es zu einer Abkehr von der Benchmark-Orientierung und man fokussierte sich auf den regulatorischen Worst Case. „Hinzu kamen eine weitere Öffnung für taktische Abweichungen, Entscheidungsverschiebungen an Asset Manager beispielsweise über Absolute-Return-Mandate und die Aufnahme von Märkten mit höheren Erwartungswerten inklusive einer Öffnung des Bonitätsspektrums nach unten sowie der Beimischung von FX-Risiken“, so Bauerfeind. Teilweise sei es auch zu einer Abkehr von der Verbindlichkeitsorientierung und einer stärkeren Fokussierung auf reine Zielrenditen gekommen. Was früher an Segmenten beziehungsweise Risikoprämien noch taktisch beigemischt wurde, entwickelte sich in den folgenden Jahren zu einem Strategiebestandteil, wozu auch mehr und mehr illiquide Märkte zählen.
„Durch die Erholung der Märkte ab 2009 und das weiter sinkende Zinsumfeld ohne nennenswerte Inflation fühlten sich die Investoren in ihren Entscheidungen für hochsegmentierte Anlageuniversen bestätigt“, so Bauerfeind. Die Folge: „Nebeneffekte, die nur für wenige ersichtlich waren.“ Dazu gehören die Erkenntnis, dass die neuen Marktsegmente weiterhin ein anteiliges, kurzes Basiszins- oder Equity Exposure teilweise diffus in sich tragen, und die Einschätzung, dass auch Zinssenkungen ein hohes Risiko bergen – nämlich für die Pensionsverbindlichkeiten. Darum kam es laut Bauerfeind zu einem „Strategic Financial Engineering“, welches die explizite Aufnahme von Hedging-Positionen über Derivate in die SAA-Modellierung vorsieht, wodurch die damit verbundenen Entscheidungen teilweise oder vollständig aus der Hand der Asset Manager genommen werden. Grundsätzlich soll dann mit den derivativen Komponenten eine maßgeschneiderte Gesamtstrategie für den gewünschten Liability-Hedge und die gewünschte Höhe an Exposure gegenüber Basisrisiken entstehen. Strategieentscheidungen umfassen somit drei Bestandteile: Verbindlichkeiten, Asset-Allokation und die Derivate. Notwendig werde dabei eine noch weiter verbesserte Abbildung der gemeinsamen, diffus inhärenten Risikofaktoren sein. Hinzukommen müsse die Identifikation neuer beschreibender Faktoren, auch im Zusammenhang mit Regimedefinitionen und der Entwicklung entsprechender Modelle. Ebenfalls geklärt werden muss beim Derivateeinsatz die Kostenfrage.
Nicht mit einem Szenario-basierten, stochastischen Planungsansatz mit flexiblen Simulationskomponenten und integrierten Optimierungsalgorithmen konnte man im Bond-Management aber die Fälle „Heta“ und „Paragraf 489“ abbilden. Hier ging es mehr um den Faktor Mensch beziehungsweise den bei der Rückzahlung von Anleihen entscheidenden Punkt, dass man nicht nur zahlungsfähig, sondern auch zahlungswillig ist. Der Faktor Mensch zeigte sich bei der Diskussion über diese Fälle auch bei dem auf der Summit-Veranstaltung anwesenden Dutzend an Investoren von Pensionskassen, Versicherungen und Corporates: Diesen stieg bei den Themen „Heta“ und „Paragraf 489“ der Blutdruck. Wenn wie bei Heta in einem europäischen Kernland zuvor gegebene staatliche Garantien plötzlich nichts mehr wert sein sollen, dann zeigt dies auch, dass die guten alten Zinszeiten von vor der Finanzkrise vorbei sind. Ins Bild passt auch, dass Banken langlaufende, gut verzinste Schuldscheindarlehen, ohne ein Kündigungsrecht vereinbart zu haben, vor Fälligkeit zurückzahlen. Dies ist nach Paragraf 489 BGB möglich, der für Darlehensnehmer ein gesetzliches Kündigungsrecht nach Ablauf von zehn Jahren vorsieht. Nach Einschätzung von Juristen gilt der Paragraf 489 BGB auch für Vollkaufleute. „Diese Kündigung verursachte bei uns einen enormen Schaden“, teilte der Vertreter einer betroffenen Pensionskasse mit. Besonders ärgerlich war für die Investoren dabei, dass die Kündigungsschreiben nur bei Gläubigern eingingen, die nicht zum jeweiligen Stammkunden- oder Mitgliederkreis der Banken zählen. Vorsichtiger muss man mittlerweile aber nicht nur mit den Schuldnern sowie deren Garantien und Versprechen sein, sondern auch mit den Dienstleistern. „Die Settlement-Probleme haben in den vergangenen sechs Monaten zugenommen und man streitet sich mittlerweile schon wegen 500 Euro“, berichtet der Vertreter einer größeren Versicherung zu seinen Erfahrungen aus dem Handelsraum.
Spread-Paradies USA
Passend zum Marktumfeld präsentierte Vontobel Asset Management auf der Summit-Veranstaltung seinen Global-Mid-Yield-Ansatz, der europäische und amerikanische Unternehmensanleihen in der Bonitätsrange A bis BBB allokiert. Dieses Mid-Yield-Segment ist seit der Finanzkrise durch Rating-Migrationen von oben nach unten deutlich gewachsen. „Für spürbare Renditesteigerungen muss man den Schritt ins Globale machen“, so Christian Hantel, Senior Portfolio Manager Fixed Income bei Vontobel. Er verweist auf die Relative-Value-Opportunitäten in den Vereinigten Staaten. Während der Spread für European Credits auf ein Prozent geschrumpft ist, liegt dieser für den Global Investment-Grade Bond Index immerhin noch bei 2,6 Prozent. Die Yield to Maturity des Portfolios liegt bei 3,2 Prozent. Die Historie zeige auch, dass US-Credit verlässliche Renditen über den Zyklus hinweg bietet. Zudem liefert der globale Index einen Durationsbeitrag von 6,5 Jahren. Ängste vor einem schnellen Zinsanstieg bestehen laut Christian Hantel nicht mehr.
Für die Berücksichtigung von Bonds von US-Unternehmen sprechen aber nicht nur Diversifikationsüberlegungen und die im Vergleich zu den europäischen Pendants höheren Renditen, sondern auch die bessere Liquidität. Hantel verweist auf die Übernahme von SAB Miller durch Anheuser-Busch Inbev, die mit der Emission von Anleihen im Wert von beachtlichen 64 Milliarden Dollar finanziert wurde. Das Volumen der am längsten laufenden Anleihe beträgt elf Milliarden Dollar.
Der Handel trocknet aus
Prinzipiell ist Liquidität zu einem immer kritischeren Punkt geworden. „Entweder man behält einen Bond oder man verschenkt ihn“, so die fatalistische Liquiditätseinschätzung eines Investors. Christophe Frisch, der die Liquidität auch bei US Credits eher kritisch sieht, erläuterte in seiner Präsentation, dass das absolute Handelsvolumen in US Investment-Grade Corporates in den vergangenen Jahren zwar deutlich zugenommen hat, allerdings ist der relative Anteil am ausstehenden Volumen im gleichen Zeitraum weit zurückgegangen. Kein Bond im Universum werde jeden Tag in einem Volumen von über fünf Millionen Dollar gehandelt. Institutionelle Größen beziehungsweise Volumina von über einer Million Dollar werden für die Hälfte der ausstehenden Bonds an nur maximal 20 Prozent der Handelstage gehandelt. Für den Großteil der Credits finde im Laufe eines Jahres an keinem einzigen Handelstage ein Trade statt. Liquiditätsabhängigkeiten konstatiert die Talanx Asset Management von den Laufzeiten und dem Spread eines Bonds. Die Turnover-Ratio steigt, wenn das Fälligkeitsdatum fünf, zehn, 20 oder 30 Jahre entfernt liege. Einerseits werden hoch geratete Bonds mit niedrigen Spreads deutlich häufiger gehandelt. Andererseits werden Bonds mit schwachem Rating – auch in Erwartung eines Downgrades in den Junk-Bereich und damit in sehr weite Spreads – deutlich häufiger gehandelt. Zudem gelte die Regel, dass die Liquidität gerade in den ersten Tagen nach einer Emission rapide abnimmt. Die Konsequenz: „Die immer schwächer werdende Liquidität an den Kreditmärkten wird Investoren auch künftig dazu zwingen, Liquidität im Portfolio nur noch in wirklich liquiden Bonds vorzuhalten“, so Frisch. Dies werde die Nachfrage nach Treasuries und Bunds weiter ankurbeln. Dem stimmte Thomas Bauerfeind zu: „Es stellt sich die Frage, ob man nicht verzinste Risiken ins Portfolio nimmt, um Illiquiditätsrisiken abzufedern.“
Die Renditeprämie für amerikanische Anleihen müssen Euroinvestoren jedoch in Form von Wechselkursabsicherungen bezahlen. Unter dem Strich bleibt das Investmentkalkül jedoch trotz der geschrumpften Spread-Unterschiede zwischen USA und Europa bestehen. „US-Credits bleiben auch nach FX-Hedge-Kosten attraktiv“, so Hantel, der als Beispiel in Euro und Dollar denominierte Anleihen von Daimler mit noch etwa je acht Jahren Laufzeit anführt, bei denen auch währungsgesichert eine attraktive Relative-Value-Opportunität der Dollaranleihe erkennbar ist. Dass in der Regel der in heimischer Währung emittierte Bond eine höhere Liquidität aufweist, führe bei Blue Chips nicht zu dramatischen Differenzen. Auf ähnlichem Level mit der etwa 2,5-fachen Bruttoverschuldung im Verhältnis zum Ebitda liegen amerikanische und europäische Unternehmen dagegen bei der Verschuldung. Bei der Kreditqualität, hier gemessen als Verhältnis von Problemkrediten zu den gesamten Krediten, stehen die amerikanischen Unternehmen jedoch deutlich besser da als ihre europäischen Pendants.
Sicher ist bei Zinsprognosen nur, dass diese in der Vergangenheit in der Regel falsch waren. Bei heute getroffenen Zinsprognosen ist nur sicher, dass der Vorteil, mit einer Prognose auf weiter fallende Zinsen richtig zu liegen, viel zu klein ist im Vergleich zum Nachteil, bei einer solchen Prognose falsch zu liegen. Darum spricht – Bilanzierungsfragen außen vor – viel für ein Asset-Liability-Management oder derivative Absicherungsstrategien. Erwünscht wäre natürlich ein moderater Zinsanstieg. „Dieser Wunsch wird sich aber nicht erfüllen“, so Christophe Frisch. Argumentationspunkte sind die Priorität der Notenbanken auf der Deflationsbekämpfung, dass sich Wirtschaftsräume durch Währungsabwertungen schützen wollen und natürlich, dass in der Eurozone ein Zinsanstieg zu Schuldenschnitten oder dem Ende der Eurozone führen würde. Frisch: „Es tut mir leid. Die Zinsen werden niedrig bleiben.“ Präsentationen und Bilder der Veranstaltung finden Sie hier.
Von Patrick Eisele
portfolio institutionell, Ausgabe 07/2016
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