Studie: Europas Versicherer zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Um die Folgen des Niedrigzinsumfeldes abzufedern, soll stärker in alternative Ertragsquellen investiert werden. In der Praxis ist aber bisher kaum etwas passiert. Gleiches gilt für Absicherungsstrategien. Die Notwendigkeit ist erkannt, trotzdem betreiben viele Versicherer bisher keine Absicherung.
Viele Versicherungen in Europa haben noch nicht ausreichend auf das Niedrigzinsniveau, Regulierungsänderungen und neue Anforderungen an das Risikomanagement regiert. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie von Boston Consulting und Axa Investment Managers, für die Chief Investment Officers (CIOs) von fast 30 europäischen Versicherungen mit einem verwalteten Vermögen von insgesamt drei Billionen Euro befragt wurden, darunter auch einige deutsche Versicherer.
Das wichtigste Problem sehen zwei Drittel der befragten CIOs – wenig überrasschend – in den niedrigen Zinsen, danach folgen die Regulierungsänderungen und komplexe Risikomanagementanforderungen. Weniger beunruhigt zeigen sich die Versicherungen bezüglich Konjunkturunsicherheiten und der damit verbundenen Volatilität der Finanzmärkte. Die Studienautoren mutmaßen, dass sich die Versicherungen offenbar an die „neue Normalität“ gewöhnen.
Wie aus der Studie weiter hervorgeht, haben die Sorgen vor den Folgen des Niedrigzinsumfeldes aber noch nicht zu entsprechenden Konsequenzen in den Portfolios geführt. Die Mehrzahl der Versicherer will zwar bis zu zehn Prozent ihrer Portfolios in alternative Asset-Klassen investieren, doch in den meisten Portfolios haben alternative Investments bislang nur einen Anteil von zwei bis drei Prozent.
„Wer sein Anlageportfolio als erstes diversifiziert und dazu in die attraktivsten Asset-Klassen investiert, ist klar im Vorteil“, ist Laurent Seyer, Global Head of Multi-Asset Client Solutions bei Axa IM, überzeugt. „Wie diese Umfrage deutlich zeigt, reden die Versicherungsunternehmen zwar über Diversifikation, aber umgesetzt wurde bislang nur wenig. Wegen der Finanzkrise und aufsichtsrechtlicher Änderungen halten die Versicherer an ihren festverzinslichen Wertpapieren fest“, so Seyer weiter. Seiner Ansicht nach seien Satellitenanlagen wegen ihrer möglicherweise stetigeren Cashflows als börsennotierte Wertpapiere wichtig, weil es auch die nach IFRS erstellten Bilanzen stabilisiere.
Wie aus der Umfrage hervorgeht, haben auch die europäischen Versicherer erkannt, dass sie mit Absicherungsstrategien für mehr Bilanzstabilität sorgen müssen. Fast die Hälfte von ihnen betreibt aber derzeit noch keinerlei Absicherung. Begründet wird dies vor allem mit fehlendem eigenen Know-how, mangelnden Ressourcen und einer unzureichenden Infrastruktur. Ungeachtet dessen werden derzeit weniger als fünf Prozent des von europäischen Versicherungen verwalteten Vermögens von externen unabhängigen Anbietern gemanagt. Interessanterweise nannte kein europäischer CIO einen strukturellen Grund für den Verzicht auf Outsourcing. Ausschlagebend hierfür ist vielmehr, dass die Befragten „die Kontrolle über ihr Investmentportfolio nicht verlieren möchten“ und „weniger Transparenz und Risikokontrolle“ befürchteten.
Angesichts der Schwierigkeiten, die angestrebten Erträge zu erzielen, spielt das Asset-Liability-Management (ALM) für Versicherungsunternehmen eine immer wichtigere Rolle. So geben 75 Prozent der befragten großen Versicherungen an, ihre ALM-Aktivitäten aus den Niederlassungen auf die Konzernebene zu verlegen. Sie bilden große Abteilungen, die sämtliche Forderungen und Verbindlichkeiten aller Unternehmenseinheiten zentral managen.
Viele Versicherungen haben noch keinen ALM-Prozess
„Ein zentrales ALM oder auch nur das Verständnis für die Bedeutung von ALM ist bei weitem noch nicht für alle Versicherungen selbstverständlich. Viele Versicherungsunternehmen haben nach wie vor keinen ALM-Prozess. Unsere Analysen haben auch ergeben, dass es klare Unterschiede zwischen großen Versicherern auf der einen und mittleren bis kleinen Instituten auf der anderen Seite gibt, die sicherlich noch am Anfang des Weges stehen“, so Davide Corradi. Darüber hinaus stellte der Partner und Managing Director bei Boston Consulting fest: „Die Zentralisierung des Asset-Liability-Managements ist keine unbedeutende Veränderung für ein Unternehmen. Einige unserer Kunden hatten erhebliche Umsetzungsschwierigkeiten: interne Widerstände, notwendige Veränderungen der Performanceanalyse, neue Leistungskennziffern für Führungskräfte, umfangreiche Umbesetzungen von Stellen und der Mut, das Investmentportfolio an die angestrebte Asset-Liability-Struktur anzupassen. Um das ALM zu zentralisieren, müssen neue Führungskräfte gewonnen und ein spezielles Projektteam aufgebaut werden, um echten Wandel zu erreichen.“
portfolio institutionell newsflash 10.06.2013/kbe
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