Stiftungsvertreter fordern „neues Mindset“
Virtueller Tag für das Stiftungsvermögen thematisiert die Bedeutung einer SAA auch für Stiftungen. Veränderte Risikobetrachtung weg von Volatilitäten hin zu Ausfallrisiken.
Bald ist es so weit: Zum 1. Juli 2023 tritt die Stiftungsrechtsreform nun in Kraft. Mit dem langen vorbereiteten Gesetz, das bereits im Juni 2021 vom Bundestag beschlossen wurde, wird das bisherige Landesstiftungsrecht durch ein bundeseinheitliches Stiftungsrecht abgelöst. Die Bundesländer müssen ihre Landesaufsichten an die neuen Regeln anpassen. Auch bringt die Stiftungsrechtsreform Veränderungen für die Vermögensanlage mit sich, unter anderem wird die sogenannte Business Judgement Rule kodifiziert, die besagt, dass Stiftungsorgane nicht für eine Fehlentscheidung haften, wenn sie geltende Gesetze sowie die Stiftungssatzung beachtet haben und auf Grundlage angemessener Informationen davon ausgehen durften, dass sie beispielsweise mit der Vermögensanlage zum Wohle ihrer Stiftung handeln.
Was aber folgt aus der neuen Gesetzgebung für die Anlagepraxis von Stiftungen und wie sollten diese, die ja naturgemäß Anleger mit einem Ewigkeitshorizont sind, ihre Vermögensanlage insbesondere in Zeiten steigender Zinsen, hoher Volatilität und Inflation aufstellen?
Verantwortliche brauchten eigene Marktmeinung
Antworten darauf gab bei der virtuellen Veranstaltung aus dem Studio in Heidelberg unter anderen Dr. Stefan Fritz, Co-Geschäftsführer im Stiftungszentrum der Erzdiözese München und Freising und auf dem Podium als Finanzverantwortlicher der Bischof-Arbeo-Stiftung vertreten. Inmitten einer in der Öffentlichkeit sehr großen Empfindlichkeit für regulatorische Eingriffe habe der Gesetzgeber mit der Stiftungsrechtsreform genau den Gegenweg beschritten und den Verantwortlichen Freiräume gelassen, wie sie ihre Vermögensanlage aufstellen und gestalten wollen, sodass diese zwischen ihrer Aufgabe, das Vermögen zu erhalten und zugleich der Verpflichtung, für das Gemeinwohl tätig zu sein, gut nachkommen können.
Notwendigkeit einer SAA
Dabei betonte Fritz die Notwendigkeit, in der Vermögensanlage weg von der Verwaltung des Vermögens hin zu einem Vermögensmanagement zu kommen. „Verantwortung bedeutet für mich in einer Stiftung, dass man sich die strategischen Rahmenbedingungen gibt und dass man sich eine Marktmeinung bildet.“ Oftmals finde gerade die finanzielle Meinungsbildung zu selten aktiv statt und Empfehlungen von Vermögensverwaltern oder Bankberatern würde einfach gefolgt. „Das ist mir zu passiv, das reicht nicht“, so Fritz. Hierbei betonte er auch die Bedeutung von Anlagezielen, in denen Stiftungen sich Ziele für den Vermögenserhalt und den zu erwirtschaftenden Ertrag geben und ebenso definieren sollten, welche Risiken sie nicht zu überschreiten bereit sind. Auch bestimmte Nachhaltigkeitsthemen gehörten mit zu den Anlagezielen. „Das sind meine ich, Mindestanforderungen, wenn eine Stiftung vom Verwalten ins Management kommen möchte“, so Fritz.
Weg von Volatilitätsrisiken
Durch den Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen führten Tobias Karow, Gründer und Geschäftsführer der Stiftungsplattform Stiftungsmarktplatz.eu, gemeinsam mit Karin Tönshoff als Moderatoren. In einer der vielseitigen Diskussionsrunden des Online-Events waren sich Dr. Fritz und Trutz Rendtorff, Vorstand Vermögen der Karg-Stiftung, einig in der Frage, wie sich die Risikobetrachtung vieler Stiftungen ändern muss. Für Stiftungen als Langfristinvestoren träten Volatilitätsrisiken, wie zum Beispiel bei Aktien, gegenüber Ausfallrisiken (unter anderem von Anleihen) in den Hintergrund. Zudem sei die Risikobetrachtung der Verantwortlichen nicht langfristig genug. „Die wirtschaftliche Risikotragfähigkeit einer Stiftung ist meistens größer, als die Gremien annehmen“, so Rendtorff. Häufig präge die Sicht der einzelnen Verantwortlichen, die meist für fünf Jahre ins Amt gewählt sind, die Sicht auf Risiken und nicht der Ewigkeitshorizont, den eine Stiftung eigentlich hat. „Das führt dazu, dass Stiftungen nach wie auf Risiken abstellen, die tatsächlich für sie ungeeignet sind.“ Auf 20 Jahre gehen sei die Volatilität einer Aktie als Risiko vernachlässigbar gegenüber dem „tatsächlichen Risiko einer Ausfallwahrscheinlichkeit“.
Aktien und Immobilien
Den Blick zurück auf die Zeit vor hundert Jahren wagte Petra Träg, Geschäftsführerin der SOS-Kinderdorf-Stiftung. Der Ewigkeitscharakter sei oftmals wenig greifbar – daher habe sie sich die Frage gestellt, was zum Beispiel in den vergangenen hundert Jahren für die Vermögensanlage von Stiftungen wichtig war. So hat Träg sich die Situation von Stiftungen vor etwa hundert Jahren angeschaut und diese mit unterschiedlichen Asset Allokationen analysiert. Das Ergebnis: „Wer als Stiftung damals zu 100 Prozent in Rentenpapieren angelegt hatte, für den war die Stiftung im November 1923 erledigt“, so Träg. Als größte Risikofaktoren in der Rückschau hat sie identifiziert: „In den vergangenen hundert Jahren waren vor allem Deflation und Hyperinflation für Stiftungen gefährlich.“ Träg brach daher eine Lanze für einen deutlichen Aktienanteil im Portfolio (bis zu 40 Prozent darf ihre Stiftung gemäß der Anlagerichtlinien halten) wie auch für Immobilien als Inflationsschutz.
Beim Thema Alternative Anlagen gingen die Meinungen stärker auseinander, wobei Infrastrukturanlagen mitunter noch der größte Diversifikationseffekt zugesprochen wurde. Welche Allokation die richtige ist, müsse jede Stiftung letztlich anhand ihrer Verbindlichkeiten entscheiden. „Stiftungen sollten eine Asset-Liability-Simulation durchführen, also schauen, wieviel Geld brauche ich wann und wie variabel sind meine Verpflichtungen?“, mahnte Trutz Rendtorff von der Karg-Stiftung. Das sei unabdingbar, um für sich die richtige Asset Allokation zu finden. Die Beiträge des Online-Events sind abrufbar unter: vtfds.de.
Autoren: Daniela EnglertSchlagworte: Aktien | Anleihen | Risikomanagement | Stiftungsrechtsreform | Strategische Asset Allocation (SAA) | Volatilität
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