Investoren
24. September 2019

Standard statt Kakophonie

Auf dem Fund Forum in Kopenhagen Ende Juni gab es ein großes Thema, das sich durch die gesamte Konferenz zog: Nachhaltigkeit. In einem Panel gingen deutsche Investoren auf die Herausforderungen ein, die sie durch die Integration von ESG in ihre Treuhandpflichten zu bewältigen haben und wie sie zur EU-Taxonomie stehen.

Reputationsrisken durch ESG-Themen, kritischere Kunden und der regulatorische Druck der EU – alle diese Faktoren sehen deutsche ­institutionelle Investoren als gleichermaßen bedeutend an, wenn es um die Umwälzungen geht, die sie in Punkto ESG gerade durchlaufen. So auch die Hamburger Sparkasse, deren Abteilungsleiter ­Kapitalanlagen, Dr. Joachim Köhne, auf dem Fund Forum in Kopenhagen die Entwicklung wie folgt beschrieb: „In den Kundenportfolios wurde ESG schon sehr früh umgesetzt, weil es da eine Nachfrage gab. ESG war ein zusätzliches Verkaufsargument. Bezüglich des gesamten Hauses hat ESG viele Aspekte gehabt, angefangen bei Elektroautos, mit denen unsere Mitarbeiter zu den Kunden fahren. Dass ESG zu ­einer breit angelegten Strategie geworden ist, ist erst in jüngster Zeit der Fall und ist stark vom EU-Aktionsplan, aber auch durch Mifid ­getrieben. Die Regulierung trägt dazu bei, ESG zu einem breiten ­Thema zu machen.“

Wie Fondsmanagerin Doris Märzluft beschrieb, hat das Deutsche ­Oppenheim Family Office vor 15 Jahren damit angefangen, sich dem Thema Nachhaltigkeit verstärkt zu widmen. Heute seien es vor allem junge Menschen, die sich für Nachhaltigkeit engagierten. Auch in ­Bezug auf die Initiativen der EU und die Setzung neuer Regeln sei es zwar heute leichter, über Nachhaltigkeit zu diskutieren. „Dennoch müssen Sie wirklich mit Ihren Kunden sprechen, denn je enger die Nachhaltigkeitskriterien gefasst sind und je mehr Ausschlüsse sie ­haben, desto enger wird die Liste der infrage kommenden Assets. Am Ende des Prozesses sollte ein gut funktionierendes Portfolio stehen und das müssen Sie vorab wirklich genau mit ihren Kunden ­besprechen.“ Die Soka-Bau als Pensionskasse der Bauwirtschaft sieht in einem stärkeren Fokus auf ESG auch Chancen für auskömmliche Renditen: „Unser Ansatz ist es, dass ESG ein besonders risikoadjustierter Treiber für Anlageerträge sein kann“, sagte Maria Leitzbach, Head of Portfolio Management bei der Soka-Bau. Und für Nachhaltigkeit spreche auch die langfristige Ausrichtung des Investors: „Gerade in der Baubranche, wo Menschen schon im sehr frühen Alter ins ­Berufsleben starten und perspektivisch mit 63, 65 oder 67 Jahren ­ihre Rente erwarten, sind die Verbindlichkeiten sehr langfristig. Dieser Punkt spricht für Nachhaltigkeit.“

Erhöhte Transparenz als Risiko

Moderator Oliver Roll vom Asset-Management-Beratungshaus 4-Alpha­drivers stellte mitunter humorig einige „provokative“ Fragen. Zum Beispiel die, wie Asset Manager den deutschen Investoren ­helfen könnten, ihre ESG-getriebenen Erfordernisse zu erfüllen. Und ob mit der neuen Regulierung durch die EU nicht ein neues „bürokratisches Monster“ entstünde. Seit Januar sind deutsche Einrichtungen der ­betrieblichen Altersvorsorge zum Beispiel angehalten, ESG-Aspekte in ihr Risikomanagement zu integrieren. „Es gibt im Moment eine Menge Veränderungen in den Reportinganforderungen“, gab Maria Leitzbach zu. Doch letztlich gehe es darum, eine neue Basis zu legen für einen grundlegenden Reportingstandard. „Wenn sie zurück ­schauen, dann hat sich in der Welt im Vergleich zu vor 60 Jahren ­alles ­verändert. Und wenn etwas Neues implementiert wird, gibt es ­anfangs immer viele Bedenken. Aber es ist aus meiner Sicht ein normaler ­Prozess der Entwicklung.“ Und mit Blick auf die Asset-Management-Branche formulierte Maria Leitzbach klare Wünsche: „Von den ­Vermögensverwaltern würde ich erwarten, dass sie durch die Investorenbrille auf die neuen ESG-Bedürfnisse schauen. Und dass sie sich auf Augenhöhe mit dem Investor über die heute geltenden Standards austauschen.“

Auch die neuen Offenlegungspflichten bezüglich Nachhaltigkeit ­waren auf dem Panel Thema. Zum Thema Transparenz nahm insbesondere Joachim Köhne Stellung. Durch wachsende Anforderungen an die Transparenz fürchtet Köhne, dass eine stete Anlagepolitik ­tagespolitischen Nachhaltigkeitstrends zum Opfer fallen könnte: „Mehr Transparenz im Portfolio ist nicht per se nur von Vorteil. Es kann eine öffentliche Diskussion über die Portfolioausrichtung entstehen, die zu häufigen Neuausrichtungen im Portfolio führen kann. Dann geht es in einem Jahr vielleicht um Atomkraft, im nächsten Jahr um Kohle und in einem anderen Jahr beispielsweise um Lebensmittel. Als öffentliche Institution kann es sehr schwer sein, diesem oder jenem Aspekt zu folgen. Es gibt den Menschen kein ­Vertrauen, wenn wir unsere Ziele zu oft ändern.“

Gesetzliches Rahmenwerk gegen die Kakophonie

So brach Köhne denn auch eine Lanze für den EU-Aktionsplan für Sustainable Finance und das Ziel eines regelbasierten Rahmens, einer Taxonomie für nachhaltige Geldanlagen. „Ich denke, dass der EU-­Aktionsplan eine gute Sache ist, wenn durch ihn eine Standardisierung darüber gelingt, wie ESG implementiert werden soll. Im ­Moment zwingt der EU-Aktionsplan nur uns als Investoren, dass wir unsere ­eigenen Standards umsetzen sollen. Und das birgt für eine große ­Institution die Gefahr, dass man am Ende zu viele einzelne Aspekte diskutiert und das Thema ESG etwas vage wird.“

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