Corporates
30. März 2016

SRI: Noch viel Luft nach oben

Nachhaltigkeitsbestrebungen sind weltweit bei vielen Unternehmen mangelhaft. Laut einer Oekom-Research-Analyse erhalten nur wenige Prime-Status. Am weitesten sind die Franzosen, sie lassen Großbritannien und Deutschland hinter sich. Dennoch sind zumindest leichte Fortschritte erkennbar.

Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt in der institutionellen Kapitalanlage zunehmend an Bedeutung. Immer mehr Investoren beziehen soziale, ethische und ökologische Kriterien in ihre Anlagepolitik mit ein. Dies spiegelt sich unter anderem in der Fossil-Fuel-Divestment-Bewegung wider, deren Unterzeichnerkreis bis Ende 2015 auf 500 Institutionen mit mehr als drei Billionen Euro an Assets stieg. Während bei immer mehr institutionellen Investoren eine Klimastrategie vorhanden ist, fehlt es in den meisten Unternehmen daran. Dies ist eine zentrale Erkenntnis des neuen Corporate Responsibility Review 2016, für den die unabhängige Rating-Agentur Oekom Research 1.600 international tätige Großunternehmen mit Sitz in den Industrieländern analysiert hat und nur langsame Fortschritte in Sachen ökologischer und sozialer Unternehmensverantwortung feststellen kann. Nach wie vor erfüllen nur etwas mehr als 16 Prozent der Unternehmen weltweit die  Mindestanforderungen von Oekom Research an Nachhaltigkeitsmanagement und -leistungen und wurden daher 2015 mit dem Prime Status ausgezeichnet. 
„Und in der Tat, wenn wir die Entwicklung der Nachhaltigkeitsbestrebungen der Unternehmen betrachten, ist noch viel Raum nach oben“, räumt Robert Haßler, CEO der Oekom Research, ein. Dennoch sieht er das Bild nicht ganz so düster, wie es auf den ersten Blick erscheint. So ist der Anteil der Prime-Unternehmen zwar genauso niedrig wie im Vorjahr, insgesamt sei jedoch ein langsamer Trend hin zu einer generellen Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistungen zu sehen: Mit knapp 36 Prozent zeigt inzwischen etwas mehr als ein Drittel der Unternehmen erste Ansätze zum Engagement auf diesem Gebiet. Umgekehrt ging der Anteil der als schlecht bewerteten Unternehmen leicht zurück, und zwar von rund 50 Prozent (2014) auf nun knapp 48 Prozent. 
Frankreich hat die Nase vorn
Grund zum Überschwang besteht trotzdem nicht. Denn wie in den vergangenen Jahren erreichten selbst die besten Branchen im Durchschnitt nicht einmal die Hälfte der Maximalpunktzahl von 100. Vielmehr liegen die meisten Branchen bei etwa einem Drittel und die besonders schlechten bei deutlich weniger als einem Viertel. Unverändert als Vorreiter im Umgang mit den nachhaltigkeitsbezogenen Herausforderungen erweist sich die Branche „Household & Personal Product“. Sie erreicht eine durchschnittliche Bewertung von 47,4 Punkten auf einer Skala von null bis 100. Den Spitzenplatz innerhalb dieser Branche nimmt ebenfalls unverändert der deutsche Konsumgüterhersteller Henkel mit einer Bewertung von immerhin 74,5 ein. Spitzenreiter sind deutsche Unternehmen auch in drei weiteren Branchen: Software & IT (SAP), Telecommunication (Deutsche Telekom) und Transport & Logistic (Deutsche Lufthansa). Deutschland ist in der Nationenwertung damit gleichauf mit Frankreich und Großbritannien, die ebenfalls jeweils in vier Branchen den Spitzenreiter stellen. Nimmt man in dieser Betrachtung jedoch auch die Zweit- und Drittplatzierten hinzu, lässt Frankreich alle anderen Nationen hinter sich – mit 16 Top-Drei-Platzierungen. Es folgen Großbritannien (13) und Deutschland (11). An zweiter Stelle hinter Haushaltsprodukten steht im Branchen-Ranking die Automobilindustrie mit einer Bewertung von 44,4. Mit Peugeot stammt der Spitzenreiter aus Frankreich und verweist BMW auf den zweiten Platz.  
„Die meisten Branchensieger stammen aus Frankreich. Ist das ein Zufall? Nicht unbedingt. Das Land stellt den größten SRI-Markt in Europa dar, in dem die Politik schon früh klare Anreize setzte, Nachhaltigkeitskriterien auf Unternehmens- und Investorenebene zu integrieren“, merkt Haßler an.  Als Beispiele nennt er die Einführung einer ESG-Berichtspflicht für Unternehmen im Jahr 2001 oder ganz aktuell die Transparenzvorschriften für Investoren im Rahmen des neuen Energiewendegesetzes. 
Wie Oekom Research in ihrem Review weiter feststellt, wurden kontroverse Geschäftspraktiken und Verstöße gegen die im UN Global Compact definierten Prinzipien einer verantwortungsvollen Unternehmensführung 2015 vor allem im Rohstoffsektor festgestellt. Hier häufen sich Landnutzungskonflikte, Menschenrechtsverletzungen und schädliche Auswirkungen auf Ökosysteme und die Umwelt. Involviert seien dabei besonders Öl- und Gasunternehmen, deren Ausrüster und Serviceunternehmen sowie die Metall- und Bergbaubranche.
Eine Chance zur Verbesserung der Nachhaltigkeits-Performance kann nach Ansicht von Oekom Research in den UN Sustainable Development Goals (SDG) liegen, die im Rahmen der „Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung“ Ende September 2015 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurden. Voraussetzung dafür ist, dass diese als Richtlinien für mehr Nachhaltigkeitsengagement verstanden werden. „Der politische Rahmen für den Umgang mit den ökologischen und sozialen Herausforderungen ist gesteckt und muss nun von der Wirtschaft und den Investoren mit Leben erfüllt werden“, so Haßler. Eine zentrale Rolle im Kampf gegen den Klimawandel kommt dabei der Kohle zu. Laut Oekom Research haben jedoch lediglich 18 Prozent derjenigen  Energieversorgungsunternehmen, die in ihrem Erzeugungsmix noch zu mehr als 30 Prozent auf Kohle setzen, umfangreiche Pläne zur Emissionsreduzierung.
Wie die Nachhaltigkeits-Rating-Agentur weiter feststellt, ist zur Erreichung des beim Weltklimagipfel in Paris verabschiedeten Zwei-Grad-Ziels eine Neustrukturierung des weltweiten Energiesystems hin zur verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien nötig. Hier sei ein positiver Trend erkennbar, bei dem derzeit die Wasserkraft den größten Anteil stellt. Sie nimmt bei der weltweit installierten Leistung erneuerbarer Energien mit über 64 Prozent den weitaus größten Anteil ein, gefolgt von Windenergie mit 20 Prozent und Solarenergie mit zehn Prozent.
weiterführender Link zur Studie: 
http://oekom-research.com
portfolio institutionell newsflash 30.03.2016/Kerstin Bendix
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