Recht, Steuer & IT
10. August 2011

Solvency II: Europaparlament will ein Jahr Schonzeit

Die Verschiebung wäre keine Überraschung. Laut einer Studie zweifelt die Mehrheit der deutschen Versicherer am pünktlichen Start.

Solvency II lässt sich nicht mehr stoppen, vielleicht jedoch verzögern. Diese Hoffnung beruht auf einem Vorschlag, den das Europaparlament Ende Juli der Kommission vorgelegt hat. Dieser sieht vor, dass Solvency II zwar wie geplant zum Januar 2013 in Kraft treten soll, bis Januar 2014 jedoch die alten Regeln im Zweifelsfall Priorität genießen. Der Aufschub soll vor allem kleinen und mittelgroßen Versicherern nutzen. „Eine Marktbereinigung allein aufgrund des regulatorischen Anforderungskatalogs soll schließlich nicht das Ergebnis von Solvency II sein“, zitiert die FAZ den Abgeordneten Burkhard Balz. Unternehmen mit einer schlanken Verwaltung werden durch die geplanten Berichtspflichten überproportional beansprucht.
Offenbar käme eine Verzögerung bei den Dokumentationspflichten aber auch den großen Versicherungen zupasse. In einer gemeinsamen Pressekonferenz forderten Führungskräfte von Allianz und Zurich eine Schonfrist. „Wir wollen einen pünktlichen Start von Solvency II, bei den Dokumentationspflichten sollte aber sichergestellt sein, dass wir genügend Zeit haben, umzustellen“, sagte Allianz-Vorstand Oliver Bäte der FAZ. Dieter Wemmer, Finanzvorstand der Zurich, kritisierte zudem, dass Solvency II aus unterschiedlichen Versicherungsrisiken entstehende Diversifikationsvorteile zu wenig abbilde.
Die Zurich steuert ihr Geschäft bereits nach dem Swiss-Solvency-Test und sieht sich deutlich stärkeren Schwankungen ausgesetzt. In einzelnen Quartalen habe man Schwankungen der Solvenzkapitalquote von 20 Prozentpunkten beobachtet. Entspannter sieht man mittlerweile aber die Diskussion um die Zinsstrukturkurve, für deren Modellierung es an greifbaren Daten mangelt. „Für die Zinsstrukturkurve werden wir eine Anpassung bekommen, mit der wir zufrieden sind“, so Bäte.
Überraschend käme eine Solvency-II-Verschiebung nicht. Laut einer Studie des Assekuranzdienstleisters PPI zweifeln 96 Prozent der deutschen Versicherer am pünktlichen und vollumfänglichen Start von Solvency II. 79 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass beim Start Anfang 2013 Übergangsfristen zur vollständigen Umsetzung gewährt werden. PPI befragte 103 Mitarbeiter der ersten und zweiten Führungsebene in Versicherungsunternehmen aus Risikomanagement, Controlling und Revision.
Ob Versicherern mit einem (Teil-)Aufschub oder weniger strengen Vorgaben aber geholfen ist? 64 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass die Zahl der Anbieter sinken wird. Wolfram Spengler, PPI: „Einige europäische Unternehmen könnten sich vom stark umkämpften deutschen Markt zurückziehen. Und kleinere Anbieter, die zur Fortsetzung ihres Geschäftsbetriebs plötzlich mehr Eigenkapital benötigen, werden lohnende Übernahmekandidaten für die Branchengrößen.“
portfolio institutionell newsflash 10.08.2011/pe/kbe

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