1. April 2014

Seitenwechsel auf der Insel

Großbritanniens Sellside entdeckt die heimische Pensionswelt für sich – als Arbeitgeber. Die Ex-Investment­banker setzen ihre Vorstellungen um und bringen­ smarte Strategien­ mit. Aber auch in Kontinentaleuropa finden Pensionseinrichtungen Gefallen an alternativen­ Beta-Strategien.

„Lern was Gescheites, mein Junge, werde Banker!“ So oder so ähnlich lauteten einst die gutgemeinten, elterlichen Ratschläge an ihre­ Sprösslinge, wenn es um deren berufliche Zukunft ging. Heute ist das anders. Um den Ruf der Banker ist es längst nicht mehr gut ­bestellt. Für Deutsche sind Banker – neben Fernsehmoderator – der unbeliebteste Berufsstand. Das besagt zumindest eine Allensbach-Umfrage. Auch andernorts sieht es mit dem Image kaum besser aus. Am Pranger steht vor allem die Spezies „Investmentbanker“. Sie gilt als besonders geldgierig und gewissenlos. Dies hat nicht zuletzt noch einmal der Holly­wood-Streifen „The Wolf of Wall Street“ – die Film­biografie des Jordan Belfort – eindrucksvoll vor Augen geführt.

Sellside ade
Obwohl es sich bekanntermaßen ungeniert lebt, ist der Ruf erst ruiniert, gibt es den ein oder anderen Investmentbanker, der offenbar die Nase voll hatte und lieber die Seite gewechselt hat. Einer von ihnen­ ist Barry Kenneth. Acht Jahre lang war er Managing Director bei Morgan Stanley, im Sommer vergangenen Jahres heuerte er dann in der Pensionswelt an, und zwar als Chief Investment Officer beim britischen Pension Protection­ Fund. Auf der Insel ist er damit kein Exot. Auch die London Pension Fund Authority (LPFA), die rund 4,6 Milliarden Pfund schwer ist, fand ihren derzeitigen CIO auf der Sellside. Im Oktober 2012 übernahm Alex Gracian, zuvor bei Gulf Investment Management, den Posten von Vanessa James und krempelt seither den Pensionsfonds kräftig um.

Der LPFA, der seit 1993 in zwei Subfonds mit jeweils eigenen Invest­mentstrategien gesplittet ist, „soon“ aber wieder verschmolzen werden soll, meldete im Oktober 2013 erfreuliche Performance-Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr: 12,6 Prozent für den Active Sub-Fund, 9,6 Prozent für den Pensioner Sub-Fund. Diesen Erfolg kann sich Gracian natürlich nur schwer an seine Brust heften, zu kurz ist seine Amtszeit. Sein Scherflein dazu beigetragen hat er dennoch; vornehmlich auf der Kostenseite. Abgeschafft wurde unter ihm zum Beispiel der Zins-Hedge, was 178 Millionen Pfund in die Kasse spülte. Auf der Agenda ganz oben stehen bei Gracian nun die externen Berater. Die Abhängigkeit von diesen ist ihm ein Dorn im Auge. Das will er schleunigst ändern, worin er sich mit dem Chairman, Edi Truell,­ der Anfang 2013 zur LPFA kam, einig ist. „One of the LPFA’s Priorities­ at present is to built out inhouse and Board capabilities,­ reducing the need for external advisers“, erklärte Truell Ende­ 2013. Die ersten Schritte sind bereits getan. Der Umbau des Boards ist in vollem ­Gange. Im Verlauf des vergangenen Jahres wurden mehrere „top tier industry experts“ angeheuert. Jüngstes Beispiel: Robert Vanderluis. Im November 2013 stieß der Director der Global Pension Investment von Glaxo-Smith-Kline zum LPFA-Board. Mit den jüngsten Entwick­lungen im Board scheint Gracian zufrieden zu sein. Im Gespräch mit dem Online-Medium „top1000funds.com” sagte er kürzlich: „The board has a lot more experience and there is clear delegation­ which means decisions can be made a lot more quickly.”

Das war in der Vergangenheit anders. Gracians Vorgängerin, Vanessa­ James, erklärte vor eineinhalb Jahren im Interview mit unserem englischen Schwester­magazin „portfolio institutional”, dass die meisten Investmententscheidungen an ein Investmentkomitee delegiert werden. Dieses treffe sich vierteljährlich und entscheide, wie viel Geld an die jeweiligen Manager vergeben wird. Schnelle Entscheidungen lassen sich so wohl eher nicht treffen. Das Investmentteam, das damals vier Leute umfasste, war lediglich für das Monitoring der Manager­ zuständig und erstellte Reports für das Komitee. Mit solchen Überwachungstätigkeiten will sich Gracian nicht begnügen. Als Quant – mit Abschluss in theoretischer Physik – managte er in den vergangenen 18 Jahren Gelder bei Lehman Brothers,­ der Deutschen Bank, TRW Pension Fund sowie Gulf International Bank. Diese ­Erfahrungen will er nun der LPFA zugutekommen lassen, daran ließ er im Interview mit portfolio zu seinem Amtsantritt keinen Zweifel. Er werde seine speziellen Fähigkeiten, insbesondere auf der Quant- Seite, nutzen und einen „quantamental“ Ansatz­ – eine Kombination aus quantitativ und fundamental – einführen.

Gesagt, getan! Der Selektionsprozess für alle Manager erfolgt ­inzwischen über einen quantitativen Filter. Gegenüber top1000funds.com erklärte Gracian: „The initial screens throw up some interesting names, and we’re calling them instead of them calling us.“ Sein ­Investmentteam – sechs Leute inklusive ihm – arbeitet dabei eng mit den Managern zusammen, speziell im Bereich „Aktien“ und „Asset Liability Matching“, wie Gracian betonte. Apropos Aktien: Gracians Fokus liegt auf dem Beta. Laut top1000funds.com hat der LPFA-CIO bereits einiges an Arbeit investiert, um alternative Indizes ins Portfolio­ einzubinden. Gracian hält Risk-Parity- und Minimum-Varianz-Port­folien für perfekt geeignet, um durch das aktuelle Marktumfeld zu ­navigieren. Auf der Insel ist Gracian im Übrigen nicht der einzige Smart-Beta-Fan. Als solcher erweist sich auch der 1,5 Milliarden Pfund schwere­ Wiltshire Pension Fund. Im Sommer 2013 entschied dessen Investmentkomitee, das aktiv gemanagte Aktienmandat von Edinburgh Partner zu kündigen und stattdessen Legal & General mit einem­ Fundamental-Indexation-Mandat zu betrauen. Bei diesem Switch ging es um rund 112 Millionen Pfund.

Europa ist smarter als Nordamerika
Die beiden britischen Pensionsfonds befinden sich in guter ­Gesellschaft. Immer mehr institutionelle Investoren springen auf den Smart-Beta-Zug auf. Laut Towers Watson haben allein deren Kunden bereits über 20 Milliarden US-Dollar in solche Strategien investiert. Bestätigt findet sich dies auch in einer Umfrage von State Street Global Advisors,­ an der Ende 2013 rund 300 institutionelle Investoren­ aus Nordamerika und Europa, darunter Versicherungen, Pensionseinrichtungen und Stiftungen, teilnahmen. Das Ergebnis: 42 Prozent der Befragten nutzen alternative Beta-Strategien, weitere 24 Prozent haben­ entsprechende Investments in Planung. Lediglich 17 Prozent zeigten sich skeptisch. Interessanterweise sind die Europäer ihren nordamerikanischen Kollegen bei diesem Thema voraus. Während fast ein Drittel der europäischen Investoren angibt, dass 20 Prozent oder mehr ihrer Aktieninvestments aus alternativen Beta-Strategien bestehen, sind es in Nordamerika nur vier Prozent. Auch beim Wissens­stand offenbaren sich Unterschiede. So antworten sieben von zehn Europäern, ein ausgeprägtes Bewusstsein für alternative Beta-Strategien als Investmentkonzept zu haben. In Nordamerika ist es nur etwa jeder Zweite. Aber auch jenseits der westlichen Welt ist das „smarte“ Konzept bereits angekommen. Der taiwa­nesische Labour Pension Fund (über 55 Milliarden Dollar an Assets) gehört auf dem asiatischen Kontinent zu den Vorreitern. Im Jahres­bericht von 2012 lässt das Investmentkomitee des Pensionsfonds beispielsweise wissen, dass man angelehnt an den fundamentalen­ Index „Taiwan Rafi­ Emp 99“ ein Mandat initiiert hat.

Zurück nach Europa: Für den niederländischen Pensionsfonds APG ist Smart Beta schon lange kein unbekanntes Terrain mehr. Immerhin stieß dieses Thema bei Chefanleger Ronald Wuijster bereits vor fünf Jahren auf offene Ohren. Seit 2009 verfolgt das Alters­vorsorge-Schwergewicht (343 Milliarden Euro an Assets) in ihren Rohstoffinvestments eine – wie es auf der Homepage heißt – „smart beta focused alpha strategy“. Im Aktienbereich fährt Wuijster ebenfalls eine­ entsprechende Strategie: Als eigene Asset-Klasse wurde der Minimum-­Volatility-Ansatz etabliert. Dieser soll auf den Credit-­Bereich und Emerging-Market-Aktien ausgeweitet werden. An der Umsetzung werde allerdings noch gefeilt.

Die Frage der Umsetzbarkeit war für Norwegens Staatsfonds lange­ Zeit mit Ungewissheit behaftet. Und so blieb man der Smart-Beta-Welt bislang fern. Schließlich sind für einen Investor seiner Größenordnung – rund 580 Milliarden Euro – Investierbarkeit und Liquidität von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Klarheit sollte MSCI bringen. Norwegens Finanzministerium beauftragte den Indexbauer im vergangenen Jahr mit einer entsprechenden Studie. Für ein hypothetisches 100-Milliarden-Dollar-Portfolio wurde sodann getestet, wie es mit der Machbarkeit von Investments in vier verschiedenen Smart-Beta-Indizes (Low Volatility, Low Size, Momentum und Value) bestellt­ ist. Das Ergebnis lässt sich wie folgt herunterbrechen: Auch große ­Investoren können erfolgreich und ohne Liquiditätssorgen mit alter­nativen Indizes arbeiten. Die MSCI-Studienautoren verhehlen aber nicht: „Den Einfluss auf Spreads und Preise können wir nicht vorhersagen.“ Das seien wichtige Komponenten, die sich erst erschließen lassen, wenn große Investoren tatsächlich Smart-Beta-Indizes nutzen. Ein Teufelskreis für Großinvestoren wie den norwegischen Ölfonds.­ Echte Daten gibt es erst, wenn sie investieren. Geplant ­haben die Norweger bislang noch nichts, man wolle sich aber mit den Ergebnissen von MSCI befassen. Man darf gespannt sein, ob bald schon mehrere Milliarden die Welt der alternativen Indizes fluten. Ein Faible­ hat man in Norwegen übrigens für den deutschen Mittelstand, der am M-Dax, S-Dax und Tex-Dax notiert ist. Wie eine Anfang dieses Jahres veröffentlichte Studie des Beratungshauses Cometis zeigt, hat kein anderer institutioneller Anleger so viel Geld in frei handelbare Aktien deutscher Mittelständler angelegt wie der Vermögensverwalter des Ölfonds.­ Ende September 2013 waren es fast fünf Milliarden US-­Dollar. Nur zu rund einem Viertel ist der institutionelle Streubesitz in deutscher Hand.

Vom Glauben abgefallen
Seinen Glauben an Alpha verloren hat offenbar die dänische Alters­vorsorgeeinrichtung ATP. So lässt sich zumindest die Entscheidung interpretieren, das vor rund acht Jahren eingeführte, separate Alpha-­Portfolio wieder mit dem Beta-Teil zu vereinen. Im Zuge dessen soll die Mitarbeiterzahl des Alpha-Teams von einst 35 Personen fast halbiert werden, wie einer Pressemitteilung zu entnehmen ist. In dieser hieß es weiter: ATP Alpha hat bisher einen aggregierten Profit von fast 1,5 Milliarden DKK geliefert und sich in derselben Zeit zu einer­ erstklassigen Investmentplattform entwickelt. Diese Aussage steht in gewissem Widerspruch zur geplanten Restrukturierung der Alpha-Plattform und muss wohl als euphemistisches PR-Geplänkel eingeordnet werden. Das bestätigt sich auch durch Worte, die Henrik Gade Jepsen, CIO von ATP, im Herbst 2013 bei einem Symposium in Amsterdam verlauten ließ. Absolut gesehen seien die Renditen einfach zu niedrig gewesen. Und gegenüber dem Online-Portal „top1000funds.com“ räumte Jepsen­ ein: „There is very little pure Alpha.” Dieses sei viel kleiner­ als gedacht. Sehr oft sei das, was als Alpha­ angesehen­ wurde, eine Art Beta gewesen. Als Zwitter zwischen Alpha und Beta wären Smart-Beta-Strategien womöglich ein probater Mittelweg für die dänische Pensionseinrichtung.

portfolio institutionell, Ausgabe 3/2014

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