Strategien
29. Juli 2019

Schwellenländer: Vom Dunkel ins Licht

Emerging Markets sind nicht zuletzt wegen der Diversifikation als Anlageklasse interessant. Aber kann man hier überhaupt nachhaltig investieren? Rohstoffproduzenten und Energieunternehmen spielen in einigen Regionen (noch) eine große Rolle und meist sind dies „dreckige“ Industrien. Doch auch hier gibt es große Unterschiede und ein geschicktes Engagement kann auch in Emerging Markets für Fortschritte sorgen.

Wer aktuell an Brasilien denkt, der kommt an Jair Bolsonaro nicht vorbei: Der brasilianische Präsident spart nicht mit markigen Worten, wenn es um die weitere Ausbeutung des Regenwaldes am Amazonas geht oder der Verteilung von mehr Waffen an die Bevölkerung. So erklärte denn auch die Soka-Bau auf der 22. Jahrestagung Portfoliomanagement, brasilianische Staatsanleihen seien unter Nachhaltigkeitsaspekten aktuell nicht investierbar. Und das ist nur ein Beispiel für die Emerging Markets als Ganzes: Schon wegen der Ausschlusskritierien kommen viele Staatsanleihen aus Schwellenländern für Investoren, die Wert auf Nachhaltigkeit legen, nicht in Frage: „Bei Staatsanleihen haben Sie oft das Problem, dass Sie schon alleine wegen der Ausschlusskritierien, beispielsweise der Todesstrafe, in eine ganze Reihe von Ländern nicht investieren dürfen“, sagt Helmut Kotschwar, Geschäftsführer der Evangelischen Bank – Sustainable Investment Management. Bei EB-SIM hat man sich bei den Emerging Markets deshalb auch für einen Fonds in Unternehmensanleihen entschieden: „Die Corporate-Bond-Märkte sind gut diversifizierbar und die Unternehmen geben uns auch die Risikoprämien, die wir uns erhoffen“, begründet das Kotschwar. André Höck, Head of Fixed Income bei EB-SIM, erläutert: „Die Anleihenmärkte der Emerging Markets sind sowohl in der Breite als auch in der Tiefe stark gewachsen. Wir sehen am Markt Opportunitäten.“ Die Bilanzen der Unternehmen seien oft solide, aber durch eine Obergrenze im Länderrating beschränkt, daher seien die Unternehmensanleihen oft günstiger -bewertet. Dabei meidet die EB-SIM Anleihen vieler großer Energie- und Bergbau-Unternehmen. Die Erkenntnis: Nachhaltige Portfolien haben eine geringere Schwankungsbreite. Die Integration der Nachhaltigkeit in den Investmentprozess erfolgt dreistufig, nach den Ausschlusskritierien, wie zum Beispiel Kinderarbeit, folgt ein angepasster Best-in-Class-Ansatz. Die Unternehmen müssen einen ESG-Mindestscore aufweisen, um investierbar zu sein. Das nachhaltige Anlageuniversum bilden dann 800 von ursprünglich 1.400 Anleihen, die zuerst quantitativ und dann in einer dritten Stufe qualitativ explizit auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit bewertet werden. „Wir haben zum Beispiel bei Financials eine höhere Governance-Bewertung, bei energieintensiven Branchen werden ökologische Faktoren höher gewichtet“, sagt André Höck. Auf KPIs verzichtet man aber derzeit: „Wir nutzen im Moment keine KPIs, weil wir hier noch keinen signifikanten Impact auf die Investments gesehen haben“, so Höck. Am Ende investiert der Fonds in etwa 70 Anleihen, die in ihrer Seniorität unterschiedlich sind, darunter circa zehn Prozent an Nachranganleihen.

Schon bei Anleihen zeigt sich: Die Emerging Markets sind keine einheitliche, sondern eine sehr heterogene Gruppe: „Russland, Türkei, Vereinigte Arabische Emirate, der Oman und Katar sind Länder mit schlechten Werten für die Governancekriterien, gerade bei Financials“, sagt Helmut Kotschwar. In Asien und Lateinamerika sei dagegen die Offenlegung von ESG-Daten am besten. Und Südkorea und Hongkong werden immer noch als Emerging Markets klassifiziert, obwohl sie längst auf dem Niveau von Industrieländern angelangt seien. „Vielleicht wird es noch zehn, zwanzig Jahre dauern, aber ich erwarte, dass dieser Begriff der Emerging Markets sich irgendwann auflösen wird, weil die Länder sich weiter entwickeln. Und das ist gut so“, zeigt sich Helmut Kotschwar überzeugt. Auch bei den Real Assets investiert man in Schwellenländern: über einen Fonds der EB-SIM in Kooperation mit der DEG, einer Tochter der KfW, unter anderem in ein Wasserkraftwerk in den peruanischen Anden. „Ökologische Probleme durch den Staudamm sind ausgeschlossen, weil er in einer Höhe liegt, in der keine Menschen leben und es kaum Vegetation gibt. Und die Arbeitsplätze und die zur Verfügung gestellte Elektrizität sind für die Bevölkerung ganz entscheidend“, sagt Kotschwar.

Und was ist mit dem klassischen Aktieninvestment in Emerging Markets? Lässt sich hier nachhaltig investieren, ohne Rendite aufzugeben, wenn man in die großen Ölkonzerne und Energieversorger nicht investieren kann? Portfoliomanagerin Alison Shimada bei Wells Fargo Asset Management glaubt das nicht: „In den Schwellenländern ist die Outperformance ohne die Einbeziehung großer Sektoren wie Energie und Rohstoffe langfristig schwierig. Deshalb möchte ich mir nicht so viele Beschränkungen auferlegen.“ Mit dem Emerging Market Equity Income Funds, den Shimada managed, ist man 2012 gestartet. „Das Problem ist, dass die Ratings sehr subjektiv sind. Wir arbeiten mit den Daten und Berichten von Sustainalytics und MSCI, aber wir denken, dass sie nicht objektiv genug sind“, sagt Shimada. „Also machen wir unsere eigene Analyse zusätzlich zu unserer fundamentalen Bewertung.“ Betrachtet werden Unternehmen, die in MSCI-Ratings ein Triple-C- oder Triple-B-Rating haben und deren Auswirkung auf den Klimawandel. „Wir versuchen herauszufinden, wie hoch der Value at Risk durch den Klimawandel ist“, sagt Shimada.

Auch zeigten sich große Unterschiede nach Regionen. In Lateinamerika seien viele große Unternehmen in Sachen ESG weit besser aufgestellt, als man es in den Industrieländern erwarten würde, meint Shimada: „Petrobras veröffentlicht zum Beispiel regelmäßig seine CO₂-Emissionen und tut auch viel im Bereich Governance, um zum Beispiel den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen.“ Dagegen hinkten Südostasien, darunter speziell Malaysia, die Philippinen und Indonesien mit den alten und dreckigen Kohleindustrien, weit hinterher. „Auch Indien ist hier im Vergleich noch nicht weit“, weiß Shimada. In China hingegen habe die wachsende Mittelschicht, die eine bessere Gesundheitsversorgung, Bildung, saubere Luft und bessere Finanzdienstleistungen wolle, einen zunehmenden Einfluss. Das sieht Shimada positiv. Ihr Fonds hält 34 Prozent seines Portfolios in China und Hongkong (Stand: März 2019).

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