Schattenbankenregulierung: Über das Ziel hinausgeschossen
Die European Banking Authority stellt für Investitionen in Vehikel, die als Schattenbanken qualifizieren, besondere Regeln auf. Ein wichtiger Anwendungsbereich sind Investmentfonds und Verbriefungsvehikel. Auf Investoren kommen damit je nach Einzelfall neue Anforderungen zu. Gastbeitrag von Dr. Ulrich Keunecke.
Im Dezember 2015 hat die European Banking Authority (EBA) ihre Leitlinie zur Begrenzung von Exposures an Schattenbanken veröffentlicht. Diese gilt vorbehaltlich der formalen Übernahme durch die nationalen Behörden (comply or explain) ab dem 1. Januar 2017. Hintergrund dieser Regulierungsmaßnahme: Die Finanzkrise wird nicht zuletzt auf ein Schattenbankensystem zurückgeführt. Allein für Deutschland registrierte der wissenschaftliche Dienst des Bundestages Anfang 2016 in einem Bericht über das Schattenbankensystem hierzulande eine Zunahme des Volumens zwischen Anfang 1999 und dem zweiten Quartal 2015 von nominal mehr als dem Dreifachen auf rund 2,6 Billionen Euro. Dies wird sowohl auf gestiegene Aktivitäten der Schattenbanken zurückgeführt als auch auf einen Rückgang der Vermögenswerte im Bankensektor (Deleveraging).
Als Schattenbanken bezeichnet die EBA Akteure und Aktivitäten auf den Finanzmärkten, die bankähnliche Funktionen insbesondere im Kreditvergabeprozess wahrnehmen, die aber keine Banken sind und nicht der Regulierung für Kreditinstitute unterliegen. Wesentlicher Fokus wird dabei auf Verbriefungsvehikel und Alternative Investmentfonds (AIF) gelegt.
Zwei Stufen zur Definition
Eine Herausforderung dürfte in der praktischen Umsetzung der Definition von Schattenbanken liegen. Die European Banking Authority stellt keinen abschließenden Katalog der relevanten Unternehmen oder Rechtsformen zur Verfügung, sondern sieht eine zweistufige Ermittlung von Schattenbanken vor. Auf der ersten Stufe werden bestimmte Bankaktivitäten, wie unter anderem Einlage- und Kreditgeschäft sowie Bürgschaften, genannt. Auf der zweiten Stufe werden bestimmte Ausnahmen genannt. Unternehmen, die keine dieser Ausnahmen erfüllen und eine der in dem vorgegebenen Handlungskatalog genannten Aktivitäten verfolgen, werden als Schattenbank klassifiziert. Dies gilt etwa für alle Zweckgesellschaften, die nicht in die bankaufsichtsrechtliche Überwachung auf konsolidierter Ebene einbezogen sind, sowie für Alternative Investmentfonds in der Form von Debt Funds, wenn sie in beträchtlichem Maße Leverage aufnehmen oder Darlehen erwerben oder ausreichen können. Sowohl European Long Term Investment Funds (ELTIF) als auch European Venture Capital Funds (EuVeCa) sind ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich ausgenommen, weil diesen Vehikeln aufgrund der entsprechenden EU-Regulierungen nicht die schattenbankspezifischen Risiken innewohnen.
Diese weitreichende Definition kann bis in die Realwirtschaft hineinwirken, denn Kreditgeschäftstätigkeiten finden beispielsweise in jeder Unternehmensgruppe mit einem zentralen Cash-Management statt. Die EBA schießt insoweit über das eigentliche Ziel hinaus. In der finalisierten und verabschiedeten Leitlinie ist bezüglich der Anwendbarkeit etwa auf Immobilien-, Infrastruktur- und Private-Equity-AIF insoweit ein wichtiger Schritt getan, da diese typischerweise nicht im Sinne der Leitlinie „beträchtlichen“ Leverage aufnehmen und damit zunächst nicht als Schattenbank gelten sollten. Sofern ein AIF aber Gesellschafterdarlehen an nachgeordnete Zweckgesellschaften innerhalb seiner Investitionsstruktur ausreicht, wäre auch ein solcher AIF dem Wortlaut der EBA-Leitlinie nach als Schattenbank qualifiziert. Denn er reicht Darlehen aus.
Einschränkende Auslegung wäre ratsam
Diese Betrachtungsweise würde indes dem Ziel der EBA-Leitlinie nicht folgen. Diese ist ausschließlich darauf ausgerichtet, systemische Finanzmarktrisiken zu kontrollieren. Daraus, dass eine fondsinterne Finanzierung nicht über Eigenkapital, sondern über Gesellschafterdarlehen gestaltet wird, lassen sich solche Finanzmarkt- oder sonstigen Risiken indes nicht herleiten, so dass Gesellschafterdarlehensstrukturen außerhalb der Betrachtung bleiben sollten. Ob die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) als deutsche Aufsichtsbehörde dies auch so sieht, nachdem der deutsche Gesetzgeber auch von AIF ausgereichte Gesellschafterdarlehen einer ausdrücklichen Regelung unterzogen hat, ist offen.
Auch im Hinblick auf Verbriefungsvehikel sollte eine einschränkende Auslegung erwogen werden. Der europäische Gesetzgeber hat insoweit in seiner Capital Requirements Regulation die EBA aufgefordert, eine etwaige Betroffenheit der Realwirtschaft zu berücksichtigen. So heißt es: „In developing those guidelines, EBA shall consider whether the introduction of additional limits would have a material detrimental impact on the risk profile of institutions established in the Union, on the provision of credit to the real economy or on the stability and orderly functioning of financial markets.”
Dies ist auch im Zusammenhang mit den jüngsten EU-Bemühungen einer Kapitalmarktunion zu sehen. Diese verfolgt unter anderem das Ziel, bei Anlegern angehäufte Liquidität wieder dem Markt zuzuführen.
Berücksichtigung bei Investitionen in Schattenbankvehikel
Die EBA-Leitlinie enthält keine direkten Vorgaben für Schattenbanken. Vielmehr soll der regulierte Finanzsektor durch die Schaffung von internen Management- und Überwachungsprozessen sowie die Einführung von spezifischen Obergrenzen gegenüber Schattenbanken in seinen Aktivitäten mit dem Schattenbanksektor eingeschränkt werden. Angesprochen ist insoweit also die Investorenseite. Die Leitlinie fordert eine intensive Befassung der Institute mit der Identifizierung, Steuerung und Überwachung von Engagements gegenüber Schattenbanken. Dazu werden insbesondere qualitative Anforderungen an die internen Prozesse und erforderlichen Kontrollmechanismen gestellt. Das Management sollte hierbei aktiv eingebunden sein.
Bestimmung von Limiten
Nach dem Principal Approach sollen Institute neben einem Gesamtlimit gegenüber sämtlichen Schattenbanken auch individuelle Einzellimite festlegen. Ausgewählte Informationen zur einzelnen Schattenbank sollen die Höhe des jeweiligen Einzellimits bestimmen, darunter der Beaufsichtigungsgrad der Schattenbank, Finanzinformationen, die Finanzsituation, das Portfolio, die Anfälligkeit bezüglich Asset-Price- und die Kreditvolatität. Das Festlegen der Einzellimite verlangt von den beteiligten Schattenbanken und Instituten einen entsprechend hohen Transparenzlevel.
Sollte der Principal Approach nicht auf alle Forderungen anwendbar sein, zum Beispiel weil die im Principal Approach geforderten Informationen nicht vorliegen, sieht die Leitlinie mit dem Fallback Approach eine Auffangmöglichkeit vor. Sofern die grundsätzlichen Anforderungen an die internen Prozesse erfüllt werden, sind alle intransparenten Schattenbank-Exposures einem fiktiven Sammelkreditnehmer mit einem bestimmten Gesamtlimit der anrechenbaren Eigenmittel zuzuordnen. Da sich der Fallback Approach gegenüber dem Principal Approach nachteilig auf die möglichen Gesamtinvestments in Schattenbanken-Exposures auswirken kann, wird Druck auf die Schattenbanken ausgeübt, transparenter zu werden.
Konsequenz: sorgfältige Behutsamkeit in der Auslegung
Bei Beteiligungen an Investments, die als Schattenbanken qualifizieren könnten, gilt es, die EBA-Leitlinien und ihre organisatorischen Anforderungen insbesondere in ihrer Auslegung des Anwendungsbereiches mit sorgfältiger Behutsamkeit und unter Berücksichtigung bereits bestehender Regularien zu leben und die entsprechenden Investitionen hierauf zu prüfen. Die EBA-Leitlinie sollte auf diejenigen Vehikel fokussiert werden, die die von ihr zu Recht angemerkten Risiken beinhalten. Führt eine Investition zur Qualifizierung als Schattenbank, sind die entsprechenden organisatorischen Anforderungen an das Halten an einer solchen Beteiligung zu berücksichtigen. Das Schattenbankvehikel muss die daraus resultierenden Reporting-Anforderungen erfüllen.
portfolio institutionell, Ausgabe 10/2016
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