Sand im Getriebe des Single Resolution Mechanism
Wenn ausnahmslos alle Player ein Regulierungsprojekt gutheißen, ist dies verdächtig. Dies gilt auch für die Bankenabwicklung, die das Europäische Parlament seit 2009 fordert. Allseits für notwendig erachtet, sind die Beteiligten dennoch tief zerstritten.
Im direkten Schlagabtausch sind die konträren Positionen auf einer Konferenz zum Single Resolution Mechanism (SRM) im November in Berlin zutage getreten. Finanzstaatssekretär Thomas Steffen betonte die seiner Ansicht nach erheblichen rechtlichen Unsicherheiten eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus‘: „Lasst uns rechtlich absichern, dass das neue System nicht durch Klagen gestoppt wird.“ Mit der hierzu geforderten Änderung der Verträge der Europäischen Union wäre jedoch ein europäischer Regelungsrahmen auf die lange Bank geschoben. Der zugrundeliegende Streit geht insbesondere um die Finanzierung und um die Frage, wer künftig über die Abwicklung einer Bank entscheiden soll. Das Finanzministerium will dies nicht einem unabhängig entscheidenden, europäischen Gremium überlassen.
Deutschland steht allein
Deutschland ist in seiner Haltung isoliert, was auf der Konferenz klar ersichtlich wurde: Ramon Fernandez, Steffens Amtskollege im französischen Finanzministerium, teilte die rechtlichen Bedenken gegen einen SRM ausdrücklich nicht. Alle Juristen seien sich einig, dass die EU-Kommission eine ausreichende Rechtsbasis für ihr Vorhaben habe. Er befürwortete zudem, dass die EU-Kommission entscheiden soll, wie mit insolventen Banken umzugehen sei. Mario Nava, Abteilungsdirektor Financial Institutions bei der EU-Kommission, bekräftigte die hinreichende rechtliche Basis für einen SRM daraufhin sichtlich erfreut. Auch EZB-Direktor Jörg Asmussen hat keine Bedenken. In seiner Keynote bewertete er die bestehenden Rechtsgrundlagen im EU-Vertrag als mögliche rechtliche Basis. Und im Hinblick auf eine europäische Abwicklungsagentur sagte er, dass sie baldmöglichst eingerichtet werden sollte und schnell entscheiden können müsse. Deshalb könne man auch nicht eine Vertragsänderung abwarten, um eine neue Institution zu etablieren. Anders als Fernandez sieht Asmussen hingegen die EU-Kommission nicht als eine geeignete Instanz für Entscheidungen im Rahmen des SRM. Auch die Europäische Zentralbank solle diese Aufgabe nicht übernehmen, weil eine klare Arbeitsteilung zwischen Aufsicht und Abwicklung erforderlich sei, so Asmussen.
Pikant hierbei ist die Divergenz der Deutschen Bundesbank, die die Position von Finanzminister Schäuble unterstützt. So sagte Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger in Frankfurt, dass eine echte europäische Abwicklungsbehörde ein wasserfestes Fundament brauche, ergo der EU-Vertrag geändert werden müsse. Dies kam sicherlich nicht aus ganz uneigennützigen Motiven. Denn die Bundesregierung befürwortet ein System nationaler Abwicklungsbehörden, die sich in einem intergouvernementalen Netzwerk abstimmen. Hier käme der Bundesbank und, je nach Ausgestaltung, der Bundesregierung mehr Mitspracherecht zu. Nach Vorstellung der Bundesregierung würde ein Ausschuss nationaler Abwicklungsbehörden die Entscheidung vorbereiten, die dann formal vom Rat der Europäischen Union getroffen würde. Steffen räumte diesbezüglich in Berlin einen klaren Interessenkonflikt mit der EU-Kommission ein. Fernandez deutete einen Kompromiss dahingehend an, dass für Frankreich auch der Rat der EU als letzte Instanz vorstellbar wäre.
EU-Kommission als „letzte Instanz“
Ob in der von Deutschland favorisierten Konstellation eine effektive, unabhängige und schnelle Entscheidung im Krisenfall getroffen werden kann, darf stark bezweifelt werden. Zumindest tun dies die Grünen in einem Bundestagsantrag von Ende November. Dort heißt es: „Bei einem Netzwerk nationaler Behörden besteht die Gefahr, dass die beste Lösung für die Gemeinschaft in politischen Deals der Mitgliedsstaaten untergeht.“ In der Tat wäre im politischen Interessen- und Kompetenzgerangel der Abstimmungsbedarf viel zu hoch.
Der Vorschlag von Binnenmarktkommissar Michel Barnier sieht die EU-Kommission als letzte Entscheidungsinstanz vor. Allerdings ist auch hier entsprechend beabsichtigt, einen Abwicklungsausschuss („Resolution Board“) vorzuschalten. Dieser spricht Empfehlungen aus, ob eine notleidende Bank reanimiert oder abgewickelt werden soll. Die „letzte Instanz“ könnte sich sicherlich darüber hinwegsetzen, wahrscheinlicher ist jedoch, dass den Empfehlungen Folge geleistet wird, falls Gremium und Kompetenzen einmal institutionalisiert sind. Somit hängt viel von der Zusammensetzung und den Stimmrechten im Resolution Board ab. Diese sind im Vorfeld von Entscheidungen über die Bankenabwicklungsrichtlinie („Bank Recovery and Resolution Directive“, BRRD) sowie dem Single Resolution Mechanism ebenfalls höchst strittig. Stimmrechte und die Ausstattung einer Abwicklungsbehörde mit klaren Kompetenzen sowie Durchgriffsrechten sind denn auch eher der springende Punkt als die Frage, wer letztendlich Entscheidungen absegnet. Ob alle europäischen Banken in ein europäisches Resolution-Rahmenwerk einbezogen werden, ist noch in der Diskussion. Es zeichnet sich jedoch ab, dass dies zunächst nur für die Institute gelten wird, die von der EZB ab 2014 beaufsichtigt werden.
Bremsen oder gar aushebeln lässt sich das Projekt der Bankenunion auf vielfältige Weise: Laut BRRD-Entwurf ist das Bail-in-Instrument ab 2018 vorgesehen. Unabhängig von der derzeitigen Diskussion über ein Vorziehen von Bail-in sollen als erstes Eigentümer und Gläubiger bei einer Schieflage herangezogen werden. Bei Verabschiedung der Direktive muss diese zunächst auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Und es bestehen Spielräume, die Haftungskaskade aufzuweichen. Staaten können einzelne Gruppen von Kapitalgebern schonen. Ein Kommissionssprecher sagte laut „Die Welt“, dass es in den Richtlinien genügend Raum für Ausnahmen gebe, wenn es der Finanzstabilität diene oder es sich um eine Einzelfallentscheidung handle. EZB-Präsident Mario Draghi hatte sich bereits im Sommer für Ausnahmen bei der Gläubigerhaftung im Falle einer Rettung notleidender Banken ausgesprochen. Zudem bröckelt das Bail-in-Versprechen im Vorfeld auf anderer Seite: Mitte November einigten sich die Finanzminister, dass der ESM auch für die direkte Rekapitalisierung von Banken im Rahmen des EZB-Bilanzchecks genutzt werden kann. Hinzu kommt, dass die Einrichtung eines gemeinsamen europäischen Restrukturierungs- und Abwicklungsfonds aus nationalen Interessen blockiert wird.
Es ist Zufall, aber ein sehr passender: Einen Tag vor der Konferenz zum SRM in Berlin sagte Sheila Bair, Vorsitzende des US-amerikanischen Systemic Risk Council, auf einer Veranstaltung in Brüssel: „Bei der Gestaltung eines Abwicklungsrahmens ist es von größter Wichtigkeit, jedweden politischen Druck und Einflussnahme fernzuhalten. Ohne eine unabhängige und frei entscheidende Institution kann es keinen effektiven und integren Prozess geben.“ Dem kann sich der Autor nur anschließen.
portfolio institutionell, Ausgabe 12/2013
Autoren: Martin Aehling In Verbindung stehende Artikel:
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