Immobilien
29. November 2021

Mehr Restrukturierungen von Immobilienfinanzierungen

Die im gewerblichen Immobiliensektor aufgestauten Probleme erreichen eine kritische Schwelle. Banken erwägen Restrukturierungen von Krediten.

Längst hat die Corona-Krise den Immobilienmarkt erreicht. Mehr und mehr belastet sie auch die kreditgebenden Banken. Zum Jahreswechsel stehen Restrukturierungen zahlreicher Kreditverträge an.

Dabei werden Immobilien für Großanleger als Einkommensquellen zunehmend wichtiger. Das zeigt eine Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, das Trendbarometer Immobilienanlagen der Assekuranz. Dafür befragten Experten in diesem Jahr 30 Versicherungen und Pensionskassen. Die Immobilienquote dieser Großanleger hat sich seit 2009 von sechs auf 11,5 Prozent fast verdoppelt.

Seit Beginn der Covid-19-Pandemie im ersten Quartal 2020 geht die Assekuranz aber sehr selektiv vor und kauft nun eher risikoarme, pandemiesichere Immobilien. Als „pandemiesicher“ gelten die Kategorien Wohnen und Logistik. Krisenverlierer sind Hotels, der Einzelhandel und zum Teil auch Bürogebäude. Das zeigt ein aktueller Blick auf den Markt für Immobilienfinanzierungen.

Das Ende des Aufschwungs

Immobilienprojekte und die Käufe von Bestandsimmobilien werden zu einem großen Teil fremdfinanziert. Immobilienkredite machen nach Angaben der Deutschen Bundesbank rund 70 Prozent der gesamten Kreditvergabe an inländische Unternehmen und Privatpersonen aus. Für den Großteil der 1.700 deutschen Kreditinstitute stellen Immobilienkredite eine tragende Säule ihres Geschäftsmodells dar.

Darlehensnehmer im gewerblichen Immobiliensektor sind beispielsweise Hotel-, Logistik- sowie Shopping-Center-Gruppen, die häufig institutionellen Investoren gehören. In den vergangenen Jahren hat die Bundesbank ein kräftiges Kreditwachstum und gleichzeitig starke Preisanstiege am Immobilienmarkt beobachtet. Der Markt befand sich bis Anfang 2020 über eine Dekade lang im Aufschwung. Laut dem Verband deutscher Pfandbriefbanken nahmen Bauinvestitionen und Transaktionsvolumina in dieser Zeit kontinuierlich zu.

Die Covid-19-Pandemie hat den Gewerbeimmobilienmarkt stark verändert. Der Markt und das Finanzierungsgeschäft sind nach Verbandsangaben vom Juni 2021 von einer „schweren externen Störung“ betroffen. Aktuell stehen viele Büros leer, weil die Angestellten von zu Hause arbeiten. Aufgrund der Unsicherheit über die weitere Entwicklung zögern beispielsweise „Büroflächennachfrager seit dem zweiten Quartal 2020 in ihren Umzugsentscheidungen“, berichtet der Pfandbriefbankenverband. Die Anmietung neuer Büroflächen werde verschoben. Mieten und Hauspreise bewegen sich deshalb aktuell eher seitwärts.

Corona-Krise mündet in Restrukturierungen

Die Situation am Markt für Einzelhandelsimmobilien ist eine andere. Schon länger beobachtet der Pfandbriefbankenverband eine Strukturverschiebung vom stationären Einzel- hin zum Onlinehandel. Und der Trend setzt sich fort: Viele kaufen Haushaltswaren, Elektronik, Bekleidung & Co. auch nach dem Ende der Lockdowns im Internet – statt in den wieder geöffneten Einkaufszentren. Dadurch geraten die Kapitalwerte der Einzelhandelsimmobilien unter Druck.

Die Folgen spüren neben den Eigenkapitalgebern auch Banken, die die Objekte finanzieren. Die traditionsreiche, aber eigenkapitalschwache Adler Modemärkte AG mit Sitz in Haibach bei Aschaffenburg meldete in diesem Jahr Insolvenz an. Das 1948 gegründete Unternehmen gehört zu den größten Textileinzelhändlern in Deutschland und führte im Jahr eins nach Beginn der Corona-Pandemie ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung durch und schließt nun viele seiner Filialen. Dadurch entfaltet sich die Krise neben den Eigen- und Fremdkapitalgebern auch auf die Vermieter – häufig institutionelle Investoren.

Laut der Beratungsgesellschaft Baker Tilly ist die Adler Modemärkte AG aufgrund ihres Umsatzes von 495 Millionen Euro Nummer 1 auf der Liste der Top-Insolvenzantragsverfahren des ersten Quartals 2021. In die Insolvenz rutschte im Auftaktquartal auch der Lebensmitteleinzelhändler Deutsche Confiserie Holding GmbH mit den Marken Arko, Eilles und Hussel.

Das erste Quartal fiel mit Blick auf das Insolvenzgeschehen aber vergleichsweise moderat aus. Laut Baker Tilly lag die Anzahl an Antragsverfahren bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 20 Millionen Euro und mehr als 100 Beschäftigten mit 16 sogar ungewöhnlich niedrig. Das lag vor allem an staatlichen Corona-Hilfsprogrammen, die auch schwer angeschlagene Unternehmen über Wasser halten. Im Vorjahreszeitraum, der noch weitgehend von Corona-Folgen verschont geblieben war, war die Anzahl der Insolvenzanträge mit 32 doppelt so groß.

Hotelsektor ist besonders betroffen

Der Hotelsektor ist von der Corona-Krise schwer gezeichnet. Infolge von Verlusten mussten etwa in Frankfurt am Main mehrere Einrichtungen schließen, darunter der renommierte „Hessische Hof“ nahe der Messe und Hotels der Fleming’s-Kette. Angesichts steigender Kosten rutschten im ersten Quartal 2021 die in der Altenpflege tätige Cura-Sana-Unternehmensgruppe in Limburg an der Lahn und die Senivita Social Estate AG (Bayreuth) in die Insolvenz. Weil in der Corona-Krise eine große Zahl von Operationen verschoben worden seien, sanken die Umsätze von Krankenhausbetreibern und trieben auch hier Unternehmen in die Krise.

Projektentwicklungen leiden unter steigenden Kosten

Große Probleme gibt es aktuell bei einigen Projektentwicklungen, wie Recherchen unserer Redaktion zeigen. Gründe sind Bauverzögerungen und Baukostensteigerungen. Wenn Kosten steigen, rentieren sich manche Projekte nicht mehr. Die Probleme verschärfen sich, wenn Finanzierungen verlängert werden müssen, die Finanzinstitute aber aus regulatorischen Gründen davor zurückschrecken.

Dann werden Finanzierungen zu Problemkrediten. Und aus werthaltigen Anleihen wird „Junk“, so wie aktuell bei der Eyemaxx Real Estate AG. Am 4. November hat der Projektentwickler und Bestandshalter aus Aschaffenburg seine Gläubiger mit der Ankündigung eines Sanierungsverfahrens geschockt. Nach Firmenangaben hatten „Investorengespräche keine kurzfristige Lösung erbracht“.

Die Krise hatte sich zuvor bereits abgezeichnet und die Kurse der ausstehenden Inhaberschuldverschreibungen einbrechen lassen. Im Oktober 2021 fehlten Eyemaxx Real Estate „die notwendigen Finanzmittel“ um eine fällige Zinszahlung einer Unternehmensanleihe fristgerecht zu leisten. „Ursächlich hierfür sind bisher nicht eingegangene Zahlungszuflüsse aus getätigten Projektverkäufen im mittleren einstelligen Millionenbereich sowie deren gescheiterte Refinanzierung“, teilte die Gesellschaft mit.

Kritische Schwelle erreicht

Bis dato hat die Covid-19-Pandemie keine Insolvenzwelle in Gang gesetzt. Doch die in den vergangenen Monaten im gewerblichen Immobiliensektor aufgestauten Probleme erreichen aktuell eine kritische Schwelle, warnt Mike Danielewsky. Der Spezialist für Restrukturierungen von Immobilienfinanzierungen ist Partner in der Restrukturierungsgruppe der Anwaltskanzlei DLA Piper in Frankfurt am Main. Die Corona-Krise zeige sich aktuell vor allem im Hotel- und Freizeitmarkt und im Einzelhandel.

Seit dem Ende der Sommerferien wachse das Interesse vorrangiger Kreditgeber – das sind in der Regel Banken –, Finanzierungen neu aufzustellen, zu restrukturieren. Ende dieses Jahres laufen viele Finanzierungen planmäßig aus und müssen verlängert werden. Wenn die eingebundenen Banken hier nicht mitspielen, müssen Darlehensnehmer sich nach neuen Geldgebern umsehen – oder geraten in die Insolvenz.

Anzeichen einer drohenden Firmenkrise

Gibt es Anzeichen, an denen man sich anbahnende Zahlungsausfälle erkennen kann? „Ja, die gibt es“, sagt Restrukturierungsexperte Mike Danielewsky am Beispiel von Einkaufszentren. „Wir raten unseren Mandaten auf der Bankenseite: ‚Seht Euch die Immobilien genau an, geht in die Shopping-Center. Prüft die vermieteten Flächen. Macht Euch ein Bild von der Stimmung der Mieter.‘“

Darlehensgeber müssten nach langer Zeit guter wirtschaftlicher Konjunktur und wenigen Problemfällen wieder lernen, eine Krise frühzeitig zu erkennen, zu verstehen und eine angemessene Antwort darauf zu finden, mahnt Danielewsky. Sein Rat: „Intensivieren Sie die Kommunikation mit allen Beteiligten. Überwachen Sie alle Optionen für eine Kündigung oder ein Insolvenzverfahren. Und verlieren Sie dabei die Belange und Interessen Ihres Unternehmens nicht aus den Augen.“

Diversifikation innerhalb einer Anlageklasse greift zu kurz

Institutionelle halten neben dem Direktbestand auch geschlossene und offene Immobilienfonds, Real-Estate-Debt-Fonds, Anteile an Immobilien-Private-Equity-Gesellschaften und Real Estate Investment Trusts. Probleme sieht Danielewsky aktuell bei Fonds, die auf eine Sub-Asset-Klasse ausgerichtet sind.

Anleger müssen infolge der Pandemie erkennen, dass selbst eine breite Diversifikation nicht vor Krisen schützt: Hotelfonds etwa, die ihre Investments gestreut haben – touristische Hotels, Konferenz- und Kongress-Hotels unterschiedlicher Größe und über Lagen hinweg –, können in die Krise geraten.

„Die Diversifikation war vor der Corona-Pandemie völlig in Ordnung und hat funktioniert. Aber das gesamte Segment war von Schließung betroffen. Das hat zu Problemen geführt, die man so früher nicht gesehen hat.“ Das heißt, die Dimension des Problems ist so umfangreich, dass selbst die bereits erforderliche Diversifikation in den Portfolien nicht mehr geholfen hat.

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