Pensionsfonds
16. Januar 2025

Resilienz und Rendite

Die als Fortschrittskoalition angetretene „Ampel“ hätte bei der staatlichen Rente mit dem Generationenkapital tatsächlich für einen Fortschritt gesorgt. Mit dem Abschalten der Ampel liegt das „Rentenpaket II“ jedoch auf Eis. Für einen neuen Anlauf bietet der kanadische Pensionsfonds CPP guten Anschauungsunterricht – für Governance, Alpha-Generierung und Personalmanagement.

Wie andere Länder hätte der Bund mit dem Generationenkapital die Chancen des Kapitalmarkts genutzt, um – so das Ziel – Sicherheit und Fairness für alle Generationen zu schaffen. Die Idee des Generationenkapitals trifft bei Finanzfachleuten auf Zustimmung, die geplante Umsetzung allerdings auf Kritik: „Zu spät, zu wenig“, so das Feedback von DVFA-Mitgliedern. Bestücken wollte man das Generationenkapital mit Aktien, was rückblickend eine sehr gute Idee gewesen wäre. Nun droht, dass weitere gute Aktienjahrgänge verpasst werden.

Anders in Kanada: Dort werden seit Jahrzehnten Milliarden für ­kanadische Rentner vor allem in Aktien und Alternatives angelegt. „Mitte der 90er Jahre erkannte Kanadas Finanzministerium, dass die Demographie zum Resilienzgedanken zwingt“, erklärte ­Maximilian Biagosch, bei CPP Investments Global Head of Real Assets & Head of Europe, im November auf dem Lupus Alpha ­Investment Fokus. Diese Erkenntnis führte zur Gründung des ­Canada Pension Plan. Hinter der Gründung steht der Grund­gedanke – vergleichbar zum norwegischen Ölfonds –, dass die Öl- und Gaseinnahmen des nordamerikanischen Landes nicht nur ­einer Generation, sondern auch künftigen Generationen gehören und dienen sollen.

Gemanagt von CPP Investments hat der Pensionsfonds seit seinem Start 1999 kumuliert umgerechnet mehr als 300 Milliarden Euro ­erwirtschaftet, das Anlagevolumen beläuft sich Ende September auf etwa 450 Milliarden Euro. Annualisiert beläuft sich der Return der vergangenen zehn Jahre auch dank einer 85:15-Allokation von Equity und Debt auf 9,1 Prozent. Zum Vergleich: Die Ampel-Pläne sahen vor, dass zunächst jährlich ein zweistelliger Milliardenbetrag investiert werden soll. Das Aktienrisiko des Generationenkapitals ist jedoch vergleichbar: Anja Mikus, CEO und CIO des Kenfo, der auch das Generationenkapital anlegen sollte, nannte eine mögliche Aktienquote von 80 Prozent.

Governance: Die Politik bleibt außen vor

Bei der Governance dürften sich jedoch große Unterschiede ­ergeben. „Wir sind ein privates Unternehmen ohne politischen ­Einfluss und decken keine staatlichen Finanzlücken. Unsere ­einzige Aufgabe ist es, zu akzeptablen Risiken Rendite zu ­erwirtschaften“, erklärte Maximilian Biagosch. Auch CPP selbst ­betont seine Unabhängigkeit von den Regierungen des Bundes und der Provinzen und dass man von einem unabhängigen, hochqualifizierten und professionellen Verwaltungsrat geleitet wird. Dieser hat elf Mitglieder. In das Kuratorium des Kenfo entsenden dagegen drei Bundesministerien und alle Fraktionen des Bundestags Vertreter. Mitsamt der Stellvertreter beläuft sich in ­dieser ­Legislaturperiode die Zahl der Kuratoriumsmitglieder auf 46. Hinzu kommt ein fünfköpfiger Anlagebeirat.

Erkennbar wird die politische Unabhängigkeit auch darin, dass CPP nur wenige kanadische Assets hält. Ein globales Team aus 2.125 Mitarbeitern investiert die Altersvorsorge kanadischer Bürger in 56 Staaten. Zwölf Prozent der Gelder sind in Kanada investiert, 44 Prozent in den USA, 20 Prozent in Asien, 19 Prozent in Europa und fünf Prozent in Lateinamerika. In Europa kauft CPP gerne ein. „An Europa gefällt uns die Innovationskraft und dass es gute ­Assets zu vernünftigen Preisen gibt“, erklärte Biagosch. Dabei sieht ­Biagosch die Komplexität in Europa überraschenderweise positiv. Diese zeigt sich in verschiedenen Rechtssystemen aber auch ­Kulturen. „Diese Komplexität senkt den Wettbewerb um Assets.“ Ein deutsches Asset ist beispielsweise Eon. An dem Energie­konzern hält CPP 2,99 Prozent.

„Unsere globale Aufstellung dient der Resilienz“, erläuterte Maximilian Biagosch, der damit auf der Veranstaltung zu einem ­Vorredner auf dem Event von Lupus Alpha, Dr. Markus Brunnermeier, Bezug nahm. Der an der Princeton University lehrende VWL-Professor erläuterte, ­warum Risikomanagement zum ­Resilienzmanagement werden müsse. „Transformation und ­künftige Schocks machen es ­unmöglich, Risiken zu minimieren. Resilienz ist die bessere ­Antwort.“ Während Risikomanagement hauptsächlich auf Korrelationen und Diversifikation basiere, steht im Resilienz­management der Reverting-to-the-Mean-Gedanke im Mittelpunkt. Marktver­werfungen sind also so lange auszuhalten, bis das Portfolio wieder zum strategischen Ausgangswert zurückkehrt. „Man investiert in die Anpassungsfähigkeit“, so Brunnermeier. Dafür brauche es vor allem Liquidität. Einen Hinweis für die Anlageseite gab Brunnermeier ebenfalls: „Die Green Transition wird zur Tech Transition.“

Sich vor Marktverwerfungen nicht abzusichern, sondern diese ­auszuhalten, können sich Kapitalsammelstellen wie CPP leisten, die keine Garantien ausgesprochen haben, sondern dank eines langfristigen Anlagehorizonts auf eine möglichst hohe Alterssicherung abzielen können. Biagosch: „Zur Renditeerzielung können wir, auch wenn Kanada kulturell eher risikoavers ist, Volatilität ­nehmen.“ Dies spiegelt sich in der erwähnten 85:15-Allokation. Diese bezeichnet Biagosch als „die fundamentale Manifestation unseres Risikobegriffs“. Hierzulande hat sich in Politik, bei G­ewerkschaften und auch in der breiten Bevölkerung bekanntlich ein etwas anderer Risikobegriff manifestiert.

Neben der Benchmark und Diversifikation dienen Leverage und ­aktives Management der Renditegenerierung. Wie der CPP-Homepage zu entnehmen ist, erhöht Leverage nicht nur die Größe des ­investierten Portfolios, sondern ermöglicht auch eine optimalere Diversifizierung des Marktrisikos. Die Entscheidungen bezüglich Marktrisiko, Leverage und Diversifikation haben alle einen großen Einfluss auf die Investmentperformance des Fonds, informieren die Kanadier.

Überzeugt von aktivem Management

Solche Entscheidungen zeugen auch von einem großen Enthusiasmus für aktives Management. 2006 sei der Fonds von passivem auf aktives Management umgestellt worden – trotz höherer Kosten. „Wir generieren Alpha, also ist aktives Management sein Geld wert“, so Biagosch. Dass dem so ist, müsse man dem kanadischen Bürger auch künftig beweisen. Aktive Strategien werden fast ­immer mit einem Partner gefahren. Dabei kommen auch Skalierungsvorteile zum Tragen. Bezüglich Privatmärkte sagt Biagosch: „Wir glauben nicht, dass wir besser als ein General Partner aus dem Top Quartile sind. Diese unterstützen wir bei der Fondsauflage und investieren dann die Hälfte über den Fonds und die andere Hälfte als Co-Investment.“ So könne man das übliche 2+20-Modell vor ­allem wegen der Mischkalkulation aus direkten und indirekten ­Investments auf beispielsweise 0,6+8 drücken. Solche größen­bedingten Skalierungsmöglichkeiten bezeichnet Maximilian Biagosch als ­strukturellen Vorteil. Als weitere strukturelle Vorteile nennt er die globale Relevanz, Planungssicherheit, Unabhängigkeit und Anpassungsmöglichkeiten.

Nachhaltigkeit auch ohne ESG-Ansatz

Einen expliziten ESG-Ansatz gibt es nicht: „Wir haben ein Investment- und kein ESG-Mandat. Wir wollen die Flexibilität haben, die besten Opportunitäten für langfristige Wertsteigerungen nutzen zu können. Das sind dann aber typischerweise Unternehmen, die sich mit Klimaresilienz-Themen beschäftigen.“ Biagosch ergänzt, dass man die eigenen Skalenvorteile nutzt, um Klimarisiken in den Assets zu finden. In diesem Fall werden die entsprechenden Assets von dem langfristig denkenden Anleger verkauft. „Beim Kauf von Assets versuchen wir, Klimarisiken zu meiden.“

Eine wichtige Ressource: die eigenen Mitarbeiter

Zur Generierung der strukturellen Vorteile braucht es neben viel Kapital noch eine weitere Ressource: Mitarbeiter. „Interne ­Expertise aufzubauen und zu halten ist harte Arbeit. Der Wettbewerb um ­gutes Personal ist groß“, erklärt Biagosch. Der studierte Jurist kam selbst übrigens 2015 zu CPP nach Toronto und war zuvor für ­Permira, Deutsche Bank und BNP Paribas tätig. Mit den Human Resources beschäftigt sich der Pensionsfonds interessanterweise insbesondere auch im Zusammenhang mit KI, denn schließlich habe diese das Potenzial, die Produktivität der Arbeitskräfte ­dramatisch zu steigern. Die Integration von KI und Human Capital sieht CPP sowohl als Business Opportunity als auch als Risiko, ­vergleichbar beispielsweise mit Geopolitik, Klimawandel oder ­Cybersicherheit. Apropos: In Toronto ­befassen sich fünf ­Mitarbeiter mit der Cyber Security der milliardenschweren Altersvorsorge­einrichtung, aber auch mit den entsprechenden Portfoliounternehmen des Pensionsfonds.

Wichtig sei bei der Mitarbeiterakquise, dass diese sich mit dieser öffentlichen Aufgabe identifizieren. Pull-Faktor sei nicht unbedingt das Gehalt, sondern eher die eigene Unternehmenskultur. In ­dieser spiegele sich auch die kanadische Kultur, welche Biagosch mit ­Werten wie Höflichkeit, Bescheidenheit, Diversität aber auch mit Zielorientierung beschreibt. Letzteres zeige sich beispielsweise ­darin, dass man kein Problem damit hat, auch andere um Hilfe zu ersuchen. Die Alpha-Männer und -Frauen von CPP sind also keine Alphamännchen und -weibchen.

Autoren:

Schlagworte: | | |

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert