Renewables: Volle Kraft voraus
Erneuerbare Energien erfreuen sich bei institutionellen Investoren nicht erst seit Fukushima großer Beliebtheit. Die Attraktivität dieser Investments liegt vor allem in deren langfristigen, stabilen Cashflows begründet. Aber Vorsicht: Die regulatorischen Risiken sind nicht zu unterschätzen, wie das Beispiel Spanien vor Augen geführt hat.
Atomkraft steht vor dem Aus. Ende Mai hat die schwarz-gelbe Koalition beschlossen, bis Ende 2022 endgültig aus der Atomenergie auszusteigen und alle Meiler abzuschalten. Die Regierung macht damit eine komplette Kehrtwende. Noch im Herbst vergangenen Jahres hatten FDP und Union die Laufzeit im Schnitt um zwölf Jahre verlängert. In der Bevölkerung findet Atomkraft spätestens seit der Katastrophe in Japan keine Zustimmung mehr. Getragen vom Fukushima-Effekt haben den Grünen Ende März knapp 25 Prozent gereicht, um in Baden-Württemberg den Ministerpräsidenten zu stellen und die CDU nach fast 60 Jahren von der Spitze der Landesregierung abzulösen. Die Bahn ist frei für Renewables. Die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen sieht deren Anteil im deutschen Strommix bis 2020 von 17 auf 47 Prozent steigen. In der Europäischen Union marschiert Deutschland mit diesen ambitionierten Plänen vorneweg. Der Anteil der erneuerbaren Energien am EU-Strommix soll im gleichen Zeitraum auf vergleichsweise geringe 35 Prozent steigen.
Nicht nur bei den Wählern erfreuen sich Renewables großer Beliebtheit, auch unter institutionellen Investoren. Mit einem Investmentportfolio von über einer Milliarde Euro und mehr als 30 Solar- und Windparks ist die Allianz einer der größten Finanzinvestoren in diesem Bereich. Das seit 2005 sukzessive aufgebaute Portfolio wird von einem eigenen, spezialisierten Team gemanagt. Von solchen Dimensionen ist man bei der Wüstenrot & Württembergischen (W&W) noch weit entfernt. Von den rund 26 Milliarden Euro under Management kann Armin Beerwart, Portfolio Manager Alternative Investments, für die Lebensversicherung und verschiedene kleine Gesellschaften des Konzerns etwa 200 Millionen Euro in Renewables anlegen. Das Augenmerk liegt dabei auf Investments, die sofort stabile Cashflows liefern. „Versicherungen brauchen gerade im aktuellen Umfeld möglichst von Anfang an Erträge, die auch in unseren Büchern ankommen. Deswegen das Ziel: Keine J-Curve wie im Private-Equity-Bereich, sondern Ertragsausschüttungen möglichst von Jahr eins an“, erläuterte er während der Podiumsdiskussion auf der Visions-Konferenz von Altira. Die ersten Investments erfolgten 2010. Dabei handelt es sich ausschließlich um Fondsanlagen. Für die Zukunft seien jedoch prinzipiell auch Direkt- und Co-Investments vorstellbar. Bis sich die W&W an diese Themen ernsthaft heranwagt, sollen jedoch erst ein paar Erfahrungen mit Renewables gesammelt werden. „Mir blutet immer das Herz, wenn ich in einen Fonds investieren und die hohen Gebühren zahlen muss. In gewissen Bereichen ist das aber einfach notwendig“, so Beerwart. „Bevor ich blauäugig in Direktinvestments hineinlaufe und mir eine blutige Nase hole, bin ich im ersten Schritt mit einer geringeren Rendite zufrieden, mache dafür aber keine Fehler“, fügte er hinzu.
_WPV geht den direkten Weg in Deutschland
Angst vor einer blutigen Nase hatte Dr. Hans Wilhelm Korfmacher, Geschäftsführer des Versorgungswerks der Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer (WPV), nicht, als er sich 2008 entschied, den Schritt in erneuerbare Energien zu wagen. Anstatt eines Fondsinvestments ging er direkt in eine Photovoltaik-Anlage nahe Leipzig. Für dieses Investment ist eine Internal Rate of Return (IRR) von 7,9 Prozent prospektiert. Die Fremdkapitalquote beträgt 80 Prozent, die auf die gesamte Laufzeit festgeschrieben ist. Bisher ist diese Anlage jedoch das einzige Direktinvestment des WPV. Dies lag nicht am fehlenden Interesse oder hohen Zeitaufwand, der damit verbunden ist. Letztendlich waren die Risiken, die mit solchen Investments verbunden sind, ausschlaggebend. Als Beispiel führte Korfmacher ein Investment in Süditalien an, das auf seinem Tisch lag. Die rechtlichen Risiken waren ihm zu hoch, weshalb er sich gegen dieses Investment entschied: „Aus Deutschland heraus gehe ich wegen der geminderten Rechtssicherheit nur über Fondsanlagen.“ Gesagt, getan. Neben dem Direktinvestment hat die WPV zwei indirekte Anlagen in erneuerbare Energien mit Länderschwerpunkt Spanien, Italien und Deutschland. Dabei handelt es sich um einen reinen Solarfonds und einen gemischten Fonds aus Photovoltaik und Onshore-Wind. Der Fremdkapitalhebel ist mit 50 Prozent im Vergleich zum Direktinvestment überraschend klein. „Es gibt Anbieter, die mit einem höheren Fremdkapital an die Sache herangehen. Wenn das über die gesamte Laufzeit gesichert ist, habe ich damit kein Problem“, erläuterte Korfmacher. „Wenn ich allerdings das Risiko tragen muss, dass in fünf oder sieben Jahren eine neue Finanzierung aufgebaut werden muss, dann gehe ich lieber auf Nummer sicher. Ich habe keine Lust, irgendwelche Zinsänderungsrisiken in diesem Investment drin zu haben“, führte er aus.
In Erneuerbare-Energien-Investments schlummern ohnehin genug andere Risiken. Nicht zu unterschätzen ist das Ressourcenrisiko. Denn die Sonne scheint und der Wind bläst nicht immer, zumindest nicht so stark wie prognostiziert. „Wir sind dabei, ein paar Direktinvestments, die schon drei, vier Jahre operativ am Netz sind, zu analysieren. Die Windgutachten, die erstellt wurden, als die Windkraftanlagen gebaut wurden, waren 20 bis 30 Prozent zu positiv“, berichtete Beerwart. Diese Erfahrung hat auch Geert Mellens vom niederländischen Pensionsfondsmanager APG gemacht: „Die Windgeschwindigkeiten in Westeuropa sind im Durchschnitt in den vergangenen Jahren niedriger ausgefallen als geplant. Die Windparks sind im Augenblick nicht die Star-Performer in unserem Portfolio. Wir wollen diese Art von Investments, aber zu verlässlichen Ressourcenrisiken.“
_Spanien sorgt für Realitätsschock
Als eines der größten Risiken bei erneuerbaren Energien entpuppte sich zuletzt die Rechtsunsicherheit. Mit seinen Kürzungen der Subventionen hat Spanien institutionellen Investoren vor Augen geführt, wie groß dieses Risiko tatsächlich ist. Mellens merkte während der Podiumsdiskussion an: „Uns machen die regulatorischen Entwicklungen, insbesondere in Spanien, die größten Sorgen. Die haben einen wirklichen Realitätsschock ausgelöst.“ Dass es zu weiteren Kürzungen kommt, ist nicht auszuschließen. Auch in der Novelle der neuen Energieverordnung in Deutschland sind Kürzungen bei Solar und Wind, zumindest für Onshore, vorgesehen. Gleichzeitig hat die Bundesregierung beschlossen, die Förderung für Offshore-Wind zu forcieren. Bei den institutionellen Investoren stößt diese Art der Energiegewinnung im Moment jedoch auf wenig Gegenliebe, zu hoch sind ihnen die technischen Risiken. „Offshore ist noch in einem frühen Stadium. Einige bewährte Onshore-Technologien wurden auf Offshore übertragen. Es ist aber noch im Test, ob sich die Zuverlässigkeit der Technologie bewährt“, erklärte Mellens. Zugleich sieht der Senior-Portfoliomanager von APG aber auch einen Vorteil: „Bezüglich der Subventionen und Unterstützung ist Offshore verlässlicher. Das ist eine Netzpriorität.“ Bevor Mellens in solche Windparks einsteigt, will er trotzdem noch eine Weile warten. In dieselbe Kerbe schlug auch der WPV-Geschäftsführer Korfmacher: „Offshore ist mir im Augenblick noch zu riskant.“
_Reife Märkte in Europa bevorzugt
Einig waren sich die institutionellen Investoren auf der Altira-Konferenz auch bezüglich der Länder, in die sie investieren. Der Fokus liegt auf den etablierten Märkten, vorrangig in Europa. Dass sich die Risiken in den Emerging Markets gar nicht so sehr von denen in Europa unterscheiden, davon ist Kai Buntrock von der DEG Invest, dem deutschen zur KfW-Gruppe gehörenden Entwicklungsfinanzierungsinstituts, überzeugt. Das Portfolio der DEG besteht aktuell aus 5,2 Milliarden Euro, die in gut 530 Unternehmen in 85 verschiedenen Schwellen- und Entwicklungsländer investiert sind. „In unseren Ländern haben wir es häufig mit Märkten zu tun, die eine echte Stromlücke haben, wo insbesondere Onshore-Wind und teilweise auch Solar je nach Lösung und Inselnetzthematik kompetitive Strompreise liefern, und das über Jahre hinaus“, erklärte Buntrock. „Die unterschiedlichen Risiken kennt man, die begleiten einen auch im europäischen Kontext“, fügte er hinzu. Um seine These zu stützen, verwies er auf die Ausfallquote im DEG-Portfolio, die aktuell bei null Prozent liegt. Das Geheimnis dieses Erfolges sieht Buntrock in dem rigiden und intensiven Auswahlprozess. Das Interesse der Investoren ist bislang jedoch sehr verhalten. „Wir haben in jüngster Zeit versucht, ein Produkt gemeinsam mit einer deutschen Großbank zu strukturieren, das eigentlich die Hemmschwelle hätte reduzieren sollen. Das ist leider bisher nicht zum Fliegen gekommen“, berichtete der DEG-Mann.
Ein möglicher Grund für die Zurückhaltung der Investoren ist das Währungsrisiko. Dies dürfte insbesondere für Investoren aus dem Euroraum eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. „Es gibt viele Länder, auch in anderen Asset-Klassen, in die ich unheimlich gern investieren würde. Die rechnen sich nur nicht mehr, wenn ich die Währung absichere“, erklärte Korfmacher. Als Investor, der seine Verpflichtungen in Euro erfüllen muss, ist für ihn das Währungsrisiko nicht vernachlässigbar. Trotz dieses Einwandes ist der Optimismus des DEG-Investment-Managers ungebrochen: „Ich bin guter Hoffnung und wage die Prognose, dass die Allokation steigen wird, je stärker der Druck von der entsprechenden Kundenseite ist.“
_Aufbau ja, aber ohne konkrete Zielvorgaben
Wie an den drei Beispielinvestoren deutlich wird, ist das Interesse an Renewables groß. Welcher Anteil diesen in Zukunft an der strategischen Asset Allocation zukommen wird, lässt sich jedoch schwer quantifizieren. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sie meist Teil des Infrastrukturportfolios sind. Im Moment hat die APG zum Beispiel von ihren 273 Milliarden Euro Assets under Management rund fünf Milliarden Euro in Infrastruktur investiert, darunter finden sich neben Flughäfen, Mautstraßen, Pipelines und Wasserunternehmen auch Erneuerbare-Energien-Investments. Der Anteil soll in den nächsten zwei bis drei Jahren auf rund zehn Milliarden Euro ausgebaut werden. Dabei werden sicher auch einige Investitionen in Renewables erfolgen. Allerdings: „Es gibt kein absolutes Ziel“, erklärte Mellens.
Einen genauen Prozentsatz möchte auch Korfmacher nicht nennen. Wie hoch dieser sein wird, hänge davon ab, welche Projekte überhaupt investierbar erscheinen und ob es sich dabei nicht nur um Möglichkeiten zu Commitments handelt. Aus diesem Grund schaut sich der WPV-Geschäftsführer vorrangig Angebote an, die mit einer Deal-Pipeline ausgestattet sind. Die Obergrenze für den gesamten Alternatives-Bereich setzt die WPV auf zehn Prozent. Der Ausbau wird dabei zulasten des Fixed-Income-Bereiches gehen, der mit rund 70 Prozent den Löwenanteil der Kapitalanlage ausmacht. „Wir haben einen riesigen Bondblock. Wir versuchen, diesen niedriger zu fahren“, so Korfmacher. Und weiter: „Wir werden im Hinblick auf unsere letzten ALM-Studien versuchen, Immobilien- und Alternative-Investments massiv zu verstärken.“
Auch bei der W&W würde der Ausbau der erneuerbaren Energien zulasten der Fixed-Income-Quote gehen. Bei der Lebensversicherung des Konzerns ist die aktuelle Allokation mit unter 0,5 Prozent jedoch so klein, dass davon kaum die Rede sein kann. „Selbst wenn wir entscheiden, dass wir in nächster Zeit mehr Gas geben, wird es nie über zwei, drei Prozent hinausgehen. Denn dann kommen sie bei uns schon in eine Größenordnung, wo sie eigentlich ein eigenes Team aufbauen müssen“, erklärte Beerwart. Das werde seines Erachtens bei der W&W nicht passieren. Bei ein paar der kleineren Gesellschaften des Konzerns beläuft sich hingegen die Allokation bereits heute schon auf fünf Prozent oder leicht darüber.
Die Freude an Investments in erneuerbare Energien könnte Versicherungen jedoch schon bald vergehen. Der Grund: Solvency II. Welche Konsequenzen dies für die Renewable-Investments der W&W tatsächlich haben wird, lässt sich laut Beerwart im Moment schwer abschätzen: „Bei den erneuerbaren Energien spricht eigentlich nichts dafür, diese mit 45 Prozent zu unterlegen, nur weil sie in einer deutschen Kommanditgesellschaft verpackt sind. Da spricht einfach vom Risikoprofil nichts dafür.“ Er hegt jedoch die Hoffnung, dass die W&W, die mit einem internen Modell arbeiten wird, in den nächsten Monaten in den Diskussionen mit der Bafin zu einer geringeren Unterlegung kommen wird. Bei der WPV ist man unterdessen froh darüber, dass Solvency II nicht auf Versorgungswerke angewendet wird. Bislang hat sich die Altersvorsorgeeinrichtung der Wirtschaftsprüfer zwar freiwillig alle Anforderungen, die auch große Versicherungen erfüllen müssen, auferlegt. Bei Solvency II wird Korfmacher jedoch davon absehen: „In den Jahresabschluss 2009 habe ich hineingeschrieben, dass wir perspektivisch alle Anforderungen von Solvency II erfüllen werden. Diesen Halbsatz habe ich in den Jahresabschluss 2010 nicht mehr hineingeschrieben.“ Korfmacher fügt hinzu: „Ich muss es glücklicherweise nicht, und da mache ich das auch nicht freiwillig.“
Autoren: Kerstin Bendix In Verbindung stehende Artikel:
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