Renditequelle Campus
Wer Geld verdienen möchte, muss zunächst welches in die Hand nehmen. Viel lässt sich angeblich mit der Hochschulforschung in Großbritannien verdienen – wie ein Pensionsfonds hofft, der dafür nun einen Teil seiner Ersparnisse einsetzt.
Institutionelle Investoren betrachten sich gern als Anlageprofis, die die besten Opportunitäten herausfiltern und damit langfristig besser abschneiden als ihre Benchmark oder eine selbst gesetzte Mindestrendite übertreffen. Doch, ob man als Kapitalsammelstelle wirklich professionell agiert, zeigt sich erst bei der Frage, inwieweit man in der Lage ist, antizyklisch und abseits der Masse zu agieren – und bei sich bietenden Bewertungslücken kurzerhand zuzugreifen.
Immer auf der Suche nach attraktiven Anlagen – auch fernab des Mainstreams – ist der britische Royal County of Berkshire Pension Fund. Bei der in der Ortschaft Maidenhead, eine halbe Autostunde westlich von London, residierenden Pensionseinrichtung mit gut 65.000 aktiven oder bereits pensionierten Mitgliedern handelt es sich um einen von insgesamt 99 regionalen britischen Pensionsfonds, die alle dem Local Government Pension Fund (LGPF) angehören. Mit rund 4,6 Millionen Beteiligten ist das eines der größten Rentensysteme in UK.
Das Anlagevolumen des Royal County of Berkshire Pension Fund beläuft sich auf rund 1,7 Milliarden Britische Pfund. Nicht sonderlich viel, aber das muss nichts heißen. Das vergleichsweise kleine Sparsäckel, es gibt dutzende weitaus größerer Pensionfonds auf den britischen Inseln, soll gar nicht mal das Thema sein. Vielmehr machte der Berkshire Pension Fund im Dezember 2016 mit einer ungewöhnlichen Anlageentscheidung auf sich aufmerksam: 15 Millionen Britische Pfund flossen in einen neuen Investmentfonds, der institutionelles Kapital bündeln und so in die Kommerzialisierung britischer Universitätsforschungsergebnisse investieren soll.
Der Royal County of Berkshire Pension Fund tritt dabei als Geldgeber der ersten Stunde auf und engagiert sich bei dem ebenso risikoreichen wie renditeträchtigen Vorhaben: die Frühphasenfinanzierung aussichtsreicher Geschäftsideen, entwickelt von den klügsten Köpfen des Königreichs. Immerhin peilt der Berkshire Pension Fund eine Jahresrendite von vier Prozent oberhalb der britischen Inflationsrate an.
Und dieses Ziel erreicht man nicht, indem man die Hände in den Schoß legt und britische Gilts mit Magerzins zeichnet. Allerdings: Bislang unbekannte Risiken einzugehen, ist das eine. Sich in die Frühphasenfinanzierung in Zeiten des Brexit zu stürzen, eine andere. Einige Beobachter machen sich ernsthaft Sorgen um die Finanzierungssituation aufstrebender Unternehmen im Vereinigten Königreich. Ein Investment abseits des Mainstreams? Das muss man sich erst einmal trauen!
Dominus illuminatio mea
Vorangetrieben wird die Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen aus den Denkfabriken in UK beispielsweise vom British Innovation Fund (BIF). Das Anlagevehikel nahm zum 1. Dezember 2016 seine Arbeit auf. Es soll in die besten Innovationen britischer Universitäten investieren und wird von der Londoner Future Planet Capital und Milltrust Agricultural Investments beraten. Laut dem Fachmagazin Investment & Pensions Europe (IPE) beabsichtigt der Geldgeber Berkshire Pension Fund, sein bestehendes Private-Equity-Portfolio völlig neu aufzuziehen.
Das Investment in die Kommerzialisierung von Universitäts-Research ist dabei nur einer von vielen Bausteinen, wenngleich der wohl interessanteste. „Wir haben eine ganze Reihe von Investmentmöglichkeiten unter die Lupe genommen“, sagt Nick Greenwood, Pension Fund Manager bei Royal Borough of Windsor & Maidenhead (RBWM), Administrator des Berkshire Pension Fund. Man habe, so Greenwood, in den Vereinigten Staaten Ausschau gehalten und selbst bis nach Südostasien die Fühler ausgestreckt, bevor man beschlossen habe, sich auf den heimischen Uni-Sektor zu konzentrieren.
Das Silicon Valley mit seiner Anziehungskraft für Akademiker, seinen optionsbasierten und nach oben unbegrenzten Vergütungsmodellen und einem Ruf wie Donnerhall war also keine Alternative für die Investorenseite. Glaubt man den Worten Greenwoods, dann ist vielmehr die Gelegenheit in UK günstig: „Wir haben es hier mit einer gigantischen und bislang noch unerschlossenen Gelegenheit zu tun“, frohlockt er und wird deutlicher: „Die Bewertungen in Großbritannien sind allemal attraktiver als im Silicon Valley. Hinzu kommt, dass die Investmentlandschaft rund um die universitäre Forschung weniger entwickelt ist.“ Laut Statistiken sammelten Start-ups im Greater Silicon Valley, das sich von San Francisco bis San Jose erstreckt, 2015 rund 30 Milliarden US-Dollar.
Dass es im ersten Quartal 2016 zu einem drastischen Rückgang der Risikoinvestitionen von fast 20 Prozent kam, ändert nichts an dem Stellenwert, den das Silicon Valley hat. Doch zurück nach Großbritannien und der Frage, wo der neue Forschungsfonds seine Millionen eigentlich investiert. Ein erstes Investment kam dem 2015 gegründeten Unternehmen Oxford Science Innovation im Rahmen einer Finanzierungsrunde zugute.
Auch wenn die Holding gerade erst aus der Taufe gehoben wurde, kann man Oxford Science keineswegs als blutjungen Anfänger abtun, zumal der Erfahrungsschatz der Hintermänner derzeit das wohl wichtigste Asset ist. Oxford Science stellt aufstrebenden Forschern mit Blick auf deren geistiges Eigentum sowohl Geld als auch Expertise zur Verfügung; im Visier sind die Forschungsfelder Mathematik, Physik, Life Sciences und Medical Sciences.
Die Universität Oxford ist nicht erst seit gestern erpicht darauf, gemeinsam mit ihrer Technologie-Kommerzialisierungsplattform – sie trägt den Namen Isis Innovation – Forschungsergebnisse zu kommerzialisieren und „Ideen in marktführende Unternehmen zu überführen“. Aber jetzt sei die Zeit, um die Vorhaben noch stärker auszurollen. Und die Basis dafür kann sich sehen lassen: Die Spitzenforschung an britischen Elite-Universitäten blickt auf einen sagenhaften Erfahrungsschatz zurück. Die Uni von Oxford beispielsweise ist nicht nur die älteste britische Hochschule, sondern auch die drittälteste Forschungsstätte Europas und folgt dem Motto: Dominus illuminatio mea (Der Herr ist mein Licht).
Laut der Online-Enzyklopädie Wikipedia datieren die ältesten Anzeichen einer Bildungsmaßnahme in Oxford auf das Jahr 1095. Mitarbeiter der Forschungsstätte haben insgesamt 32 Nobelpreise eingeheimst, etwa für Chemie, Physik und Medizin. Eine bessere Ausgangssituation für die Kommerzialisierung von Forschungs-Research, das am Ende womöglich die Rentenzahlungen von Millionen Briten speist, gibt es wohl kaum.
Staatsfonds auf der Schulbank
Wenn Pension Fund Manager Nick Greenwood jedoch anführt, dass die Investmentlandschaft rund um die universitäre Forschung in Großbritannien weniger entwickelt ist als im Silicon Valley, dann ist er nicht der einzige, der daraus clever Rückschlüsse zieht und Anlagemöglichkeiten sieht. Denn in einer Finanzierungsrunde sicherte sich Oxford Sciences Innovation gerade erst 230 Millionen Pfund; zur illustren Runde der Geldgeber zählen nicht nur der British Innovation Fund, sondern auch der 1974 gegründete Staatsfonds Temasek Holdings Private Limited aus Singapur. Junge wie alte Anleger verbindet das Ziel, britische Forschungsergebnisse zu kommerzialisieren und direkt in Start-up-Unternehmen zu investieren – die vor Wachstumsaussichten und Wertschöpfungsgelegenheiten nur so strotzen.
Vor diesem Hintergrund hat man dem British Innovation Fund eine juristische Struktur verpasst, die einen langfristigen Charakter in sich birgt: Der Fonds ist strukturiert als sogenanntes Irish Collective Asset Vehicle (ICAV). Er zeichnet sich damit durch eine Evergreen-Struktur aus, was ihn von traditionellen Venture-Capital-Modellen unterscheiden soll. „Ein Standard-Venture-Capital-Fonds hat eine fest vorgegebene Laufzeit. Er forciert ineffiziente Exits und den Verkauf von Anteilen an Unternehmen, die sich noch mitten in der Entwicklung befinden“, kritisiert Nick Greenwood und sagt, wie man es richtig macht: „Mit einer ICAV-Struktur haben wir die Möglichkeit, Investments angemessen wachsen zu lassen.“
Der frühe Vogel pickt Rosinen
Blicken wir nach Europa und hinterfragen im Hinblick auf die Hochschulforschung die Rolle von Förderbanken innerhalb der Start-up-Finanzierung. Denn laut Research der Deutschen Bank hat die Finanz- und Wirtschaftskrise Förderbanken wieder stärker ins Rampenlicht gerückt. „Sie werden als Teil des wirtschaftspolitischen Instrumentariums gesehen, um zyklische und strukturelle Schwierigkeiten in Volkswirtschaften zu überwinden, die Krisenfestigkeit zu erhöhen und die Funktionsfähigkeit von Finanzsystemen zu verbessern“, schreibt Deutsche-Bank-Autorin Patricia Wruuck. Besonders in Europa habe das Interesse an Förderbanken auch im Hinblick auf ihre Rolle zur Stärkung von Investitionen und Wachstum zugenommen, erläutert sie.
Die deutsche Förderbank KfW bedauert, dass mutige Gründungsvorhaben oft an mangelndem Kapital scheiterten. Um den Technologiestandort Deutschland zu fördern, unterstützt das mehrheitlich im Besitz der Bundesrepublik liegende Institut – ein Minderheitsanteil von 20 Prozent gehört den Bundesländern – innovative Start-ups, indem sie deren Eigenkapital stärkt. Dazu hat die Bank Förderprodukte initiiert. Sie richten sich an Technologieunternehmen in unterschiedlichen Entwicklungsphasen. In der frühen Phase beteiligt sich die KfW seit 2005 am High-Tech-Gründerfonds: Deutschlands größtem Frühphasenfinanzierer.
Seit April 2015 trägt die Bank auch dazu bei, die Angebotslücke bei Anschluss- und Wachstumsfinanzierungen von jungen innovativen Unternehmen zu schließen. Denn zur Weiterentwicklung benötigen Start-ups „viel Kapital“. Um sie dabei zu unterstützen, hat die KfW mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) das Förderinstrument ERP-Venture-Capital-Fondsinvestments lanciert. Damit beteiligt sie sich über ausgewählte Wagniskapital-Fonds aus Deutschland und Europa an jungen deutschen Technologieunternehmen. Um den hiesigen Venture-Capital-Markt zu stärken, haben KfW und BMWi im März 2016 auch den Co-Investitionsfonds Coparion gestartet – inzwischen einer der größten deutschen Venture-Capital-Fonds.
Von Tobias Bürger
portfolio institutionell, Ausgabe 01/2017
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