Stiftungen
12. Juli 2024

Real Estate for Future

Stiftungen in Deutschland halten teils erhebliche Immobilienbestände. Die Anforderungen an diese Asset-Klasse verschärfen sich im Zuge der Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Einig waren sich Stiftungsvertreter beim Deutschen Stiftungstag 2024: Entscheidend ist ein guter Plan, um inmitten der Veränderungen am Immobilienmarkt gut aufgestellt zu sein.

Regulatorisch herrscht derzeit viel Unsicherheit an den Immobilien­märkten: Nach dem politischen und medialen Wirbel um die Vorgaben durch das deutsche „Heizungsgesetz“ ist das geänderte Gebäudeenergiegesetz (GEG 2024) nun seit Anfang des Jahres in Kraft. Zudem ist auf europäischer Ebene die überarbeitete Richtlinie über die Gesamteffizienz von Gebäuden (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD) am 28. Mai 2024 in Kraft getreten. Doch es gibt Diskrepanzen: Denn das „Heizungsgesetz“ sieht zum Beispiel ein Ende aller fossilen Heizungen bis Ende 2044 vor, die EPBD legt nun aber fest, dass für fossile Heizungen europaweit bereits ab 2040 Schluss ist.

Dies ist nur ein Beispiel für die aktuellen Widersprüche und offenen Fragen zur Dekarbonisierung des Immobilienbestands. Es handelt sich aktuell in vielerlei Hinsicht um ein „Wirrwarr“ an Regulierungsvorschriften im Immobilienbereich, wie auch Dieter Lehmann, Leiter der Vermögensanlage der Volkswagen-Stiftung und Leiter des Arbeitskreises Stiftungsvermögen und Immobilien im Bundesverband Deutscher Stiftungen, in seiner Einführung für ein spannendes Panel auf dem Deutschen Stiftungstag 2024 Mitte Mai in Hannover betonte. „Die Vielzahl an Detailvorgaben und Ausnahmeregelungen führt bei vielen Stiftungen, den großen wie den kleineren, zu einer zunehmenden Verunsicherung: Welche Maßnahmen sind zwingend notwendig, was lässt sich jetzt finanzieren und welche Maßnahmen lassen sich später besser umsetzen? Und welche Vorgaben sind vielleicht in einigen Jahren schon gar nicht mehr relevant?“, beschrieb Lehmann in der Einführung der Diskussionsrunde das Spannungsfeld, in dem sich Stiftungen als Immobilieninvestoren aktuell bewegen. Mitgebracht hatte er den Consultant Michael Brand, der als Bauingenieur mit seiner Stuttgarter Firma Bau Immobilien Consult Licht ins regulatorische Dickicht bringen sollte. Der Titel des Vortrags mit anschließender Diskussionsrunde von Stiftungsvertretern der Hamburger Körber-Stiftung und SOS-Kinderdorf-Stiftung lautete: „Energetische und wirtschaftliche Anforderungen an Bau- und Sanierungsmaßnahmen: Was kommt auf Immobilienbesitzende zu?“ Brand stimmte sein Publikum auf die kommenden Herausforderungen für die Immobilienwirtschaft mit folgendem Satz ein: „Wir leben in einer neuen Zeit, in der regulatorisch massiv in das Immobiliengeschäft eingegriffen wird.“

Kein Sanierungszwang ( – noch nicht)

Aktuell komme dem Thema Klimaschutz ein Hauptaugenmerk zu. Aufgrund der Net-Zero-Verpflichtungen der EU und Deutschlands dürften die Dekarbonisierungs-Bestrebungen seitens Politik und Wirtschaft hierzulande in den kommenden Jahren noch stark an Fahrt aufnehmen, erwartet auch Brand. Die Herausforderungen durch die Sanierung des Bestands seien zudem hochkomplex. „Aber wir wollen das Thema auch als Chance sehen, durch energetische Maßnahmen langfristige Betriebskosteneinsparung zu erreichen.“ Mitunter sei in diesem Feld nicht unbedingt derjenige der Gewinner, „der als erstes losrennt“. Denn die (künftige) Regulierung zur Dekarbonisierung ist noch unsicher, ist noch jung und wird vorerst ein Moving Target bleiben.

So legt zum Beispiel die EPBD nach dem Willen der EU-Mitgliedstaaten statt verbindlichen Mindeststandards für Wohngebäude für den Wohnimmobiliensektor Gesamt-Einsparziele fest. Demnach muss der durchschnittliche Primärenergieverbrauch von Wohngebäuden von 2020 bis 2030 im Schnitt um 16 Prozent und bis 2035 um 20 bis 22 Prozent reduziert werden. Zudem sollen Energieausweise zwischen den Mitgliedstaaten vereinheitlicht werden. Diese Punkte erläuterte auch Michael Brand in seinem Vortrag und machte auch deutlich, dass man als Stiftungsinvestor mit Immobilienbestand an diesem Thema nicht vorbeikommt. Aktuell sinke die Sanierungsquote in Deutschland auf ein beunruhigendes Maß. „Momentan reden alle davon, dass kein Sanierungszwang besteht. Aber was steht Immobilienbesitzern bevor, sollten die Dekarbonisierungs-Ziele für Deutschland verfehlt werden?“, stellte Brand als offene Frage in den Raum. Umso wichtiger sei es, eine Strategie für den eigenen Immobilienbestand zu entwickeln, darüber waren sich alle Diskutanten auf dem Podium einig.

Bei den drei sich präsentierenden Stiftungen spielt die Immobilienanlage eine teils erhebliche Rolle in ihrer Asset Allocation. So zum Beispiel für die Vermögensanlage der Körber-Stiftung aus Hamburg. Hauptvermögensgegenstand der Stiftung ist die Unternehmensbeteiligung an der Körber AG mit über 50 Prozent der Vermögensanlage, daneben steckt das vormals in Wertpapieren angelegte Vermögen ausschließlich in Immobilien, was insgesamt aktuell 35 Prozent der Asset Allocation entspricht (Stand: Ende 2023). Oke Petersen, Leiter des Bereichs Vermögen, Verwaltung und IT bei der Körber-Stiftung, begründete diesen Wechsel: „Wir hatten uns damals 2010/2011 in Folge der Eurokrise die Frage gestellt, ob liquide Wertpapiere für uns noch die richtige Anlageklasse sind. Wir haben die Märkte damals nicht mehr verstanden und sind dann zur Überzeugung gelangt, dass die Immobilie auf sehr lange Sicht sehr gute Chancen auf Werterhalt bietet“, erklärte Petersen dem Publikum. Weil sie begann, in größerem Stil in ­Immobilien zu investieren, seien der Körber-Stiftung in der Folge vermehrt auch große Beteiligungen angeboten worden und man habe auch in Projektentwicklungen mit investiert. „Damals lagen die uns angebotenen Objekte in einer Größenordnung zwischen 40 und 70 Millionen Euro“, erklärt Petersen im Gespräch mit portfolio institutionell.

Zum überwiegenden Teil investiert die Körber-Stiftung in Büroimmobilien (75 Prozent), zu etwa 20 Prozent in Wohnimmobilien und die restlichen fünf Prozent in Mischformen aus Wohnen, Gastronomie und vereinzelt gewerblichen Nutzungen. Man habe bereits 2019 angefangen, Daten für die ESG-Thematik zu erheben, zunächst den CO₂-Abdruck zu ermitteln und zu kompensieren. „Wir haben dann einen Asset Manager beauftragt, der uns systematisiert Daten liefert“, erklärt Petersen. „In den Folgejahren haben wir damit begonnen, in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Unternehmen Atmosgrad (das in der Agradblue GmbH aufgegangen ist) einen Dekarbonisierungspfad für unsere Immobilien zu entwickeln. Die vergangenen zwei Jahre waren sehr aufregend und wir können jetzt sagen: Wir haben eine ESG-Strategie“, so Petersen. Auch öffentlich verfügbare Tools wie den Carbon Risk Real Estate Monitor (CRREM) nutzt die Körber-Stiftung bereits. Auch habe man kleinere Energieeffizienz-Maßnahmen schon umgesetzt: „Die LED-Umrüstung zum Beispiel ist schon erfolgt“, so Petersen. „Mittendrin“ sei man inzwischen mit den Planungen größerer Maßnahmen wie einem Austausch von Fenstern oder der Fassadendämmung. Zu- und Verkäufe kommen für den Buy-and-Hold-Investor, der in seinen Objekten auf Fernwärme setzt, nicht in Frage. Petersen betont zudem, man halte ausschließlich Renditeimmobilien und habe selbstgenutzte Gebäude angemietet.

Trutz Rendtorff, Vorstand Vermögen der Karg-Stiftung aus Frankfurt am Main, sitzt an diesem Tag im Mai im Publikum. Er sieht sich in Bezug auf die Immobilienanlage nach wie vor als Buy-and-Hold-Investor und sieht neben den Limitationen durch die Mietpreisbremse viele Themen, die es nicht nur Stiftungen derzeit erschweren, weiter in Immobilien zu investieren, gibt er im Gespräch mit portfolio institutionell an. „Schlimmer als die Mietpreisbremse sind die hohen Baukosten, die langen und komplizierten Genehmigungsverfahren, die Sanierungskosten im Bestand, die Leerstände bei Büros und die hohen Zinsen“, fasst er zusammen. „Gemessen an den erlaubten Mieten und vor allem den regulatorischen Risiken sind Immobilien immer noch zu teuer“, findet Rendtorff.

Mieter mitnehmen

Ebenfalls Investorin auf dem Panel ist Petra Träg. Die Geschäftsführerin der SOS-Kinderdorf-Stiftung betreut für die gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts auch die Vermögensanlage. Die SOS-Kinderdorf-Stiftung hat etwa ein Drittel ihrer Asset Allocation in Wohnimmobilien angelegt, diversifiziert über ganz Deutschland. „Wir halten insgesamt 111 Einheiten, wobei die Bandbreite vom Mehrfamilienhaus über Ein- und Zweifamilienhäuser bis zur einzelnen Eigentumswohnung reicht.“ Dieses Spektrum ergibt sich auch durch den Umstand, dass der Stiftung oftmals Immobilien per Erbschaft oder Schenkung zufließen. Gemeinnützige Organisationen wie die SOS-Kinderdorf-Stiftung könnten zudem nicht alle energetischen Maßnahmen auf einmal anschieben. Es brauche einen Fahrplan und vieles müsse Schritt für Schritt in guter Kommunikation mit Mietern beziehungsweise den anderen Eigentümern erfolgen. Wichtig ist aus Sicht von Träg, diese bei den Dekarbonisierungsvorhaben immer mitzunehmen. Denn „Wohnen ist ein Grundbedürfnis“, wie die Stiftungsgeschäftsführerin in ihrem Vortrag immer wieder betont.

Auch Alternativen zur Wärmepumpe seien zu prüfen, wie zum B­eispiel die Möglichkeit, Bioheizöl beizumischen und den CO₂-Ausstoß dadurch zu verringern. Träg hält viel davon, den Wohn­immobilienbestand strategisch und fortlaufend auf gutem Niveau zu halten, denn „unter Druck müssen sie andere Entscheidungen treffen, als wenn sie Maßnahmen vorausschauend planen“. Zudem könnten auch kleine Maßnahmen zunächst schon helfen: „Statt gleich die ganze Heizungsanlage gegen zum Beispiel eine Wärmepumpe auszutauschen, die sich auch nicht überall problemlos einbauen lässt, bringen zunächst kleinere Verbesserungen, zum Beispiel bei der Energieeffizienz eines Gebäudes, schon Vorteile“, weiß Träg. Als Beispiel nennt sie im Gespräch mit portfolio institutionell den hydraulischen Abgleich. „Dieser verbessert die Wärmeleistung für die Mieter schon merklich und insgesamt wird Energie eingespart.“ Außerdem lässt sich an vielen Immobilien-Standorten heute noch nicht sagen, was dort in der Zukunft an Heiztechnologie verfügbar sein wird: „Die ‚Heizungsfrage‘ ist noch nicht abschließend geklärt: Wo wird es in der Zukunft einen ­Fernwärmeanschluss geben, wo kommt gar ein Wasserstoffnetz zum Tragen?“, fragt Träg.

Die neue Gesetzgebung sieht zwar grundsätzlich einen Anteil von mindestens 65 Prozent Erneuerbaren Energien am Heizungsmix vor. Doch viele künftige Alternativen zu fossilen Brennstoffen sind heute noch nicht verfügbar. So soll Fernwärme in der Zukunft klimaneutral werden. Auch ist die Fernwärme­planung vieler Kommunen noch im Entstehen. Die Kommunale Wärmeplanung, die die Fernwärme-Pläne der Kommunen regelt, soll spätestens bis 30. Juni 2028 abgeschlossen sein. Großstädte haben dafür nur bis Mitte 2026 Zeit.

Auch wer einen Vertrag mit einem Fernwärmeversorger schließt, für den gibt es in der Regel relativ lange Übergangsfristen. „Wenn die eingebaute Heizungsanlage noch läuft, muss ein solcher Vertrag in der Regel innerhalb von zehn Jahren nach dem Vertragsabschluss realisiert werden“, weiß Träg. Sie schaue sich im Moment jeden Standort einzeln an, denn: „Kein Standort ist gleich dem anderen, sie müssen jedes Objekt einzeln betrachten.“ Für eine Stiftung können energetische Maßnahmen auch mit hohen Kosten verbunden sein. Wenn Sanierungsposten als Aufwand verbucht werden müssen, schmälert das die Ausschüttungen, die eine Stiftung gemäß ihrem Satzungszweck für Förderprojekte zur Verfügung hat. Die SOS-Kinderdorf-Stiftung geht einen anderen Weg.  „Sofern es sich um werterhöhende Maßnahmen handelt, aktivieren wir diese in der Bilanz, was bedeutet, dass sich die Buchwerte entsprechend erhöhen.“ So vermeide man die Problematik, durch einen höheren Aufwand nur geringere Fördermittel ausschütten zu können.

Auch Zu- und Verkäufe können eine Strategie sein, den Bestand zu modernisieren. Dazu berichtet Dieter Lehmann von der Volkswagen-Stiftung: „Die Finanzierungskrise der vergangenen Jahre haben wir auch dazu genutzt, das ein oder andere Objekt aus ehemaligen Projektentwicklungen heraus zu erwerben. Diese Objekte sind energetisch alle auf dem neuesten Stand. Zudem haben wir die Hochphase der Immobilienpreise auch dazu genutzt, einige unrentable Objekte zu verkaufen.“

Die Volkswagen-Stiftung hält einen beträchtlichen Teil ihrer Asset Allocation in Immobilien, circa elf Prozent des Gesamtportfolios, das über drei Tochtergesellschaften hauptsächlich in den Segmenten Büro und Wohnen investiert ist, erläutert Vermögensleiter Lehmann weiter. Für den Bestand der Volkswagen-Stiftung betont Lehmann, dass man die Objekte schrittweise an die modernen ESG-Erfordernisse durch gezielte Sanierungsmaßnahmen heranführen wolle. Als Grundlage diene hierfür zunächst eine aussagekräftige Zustandsanalyse. Doch es sei aktuell sehr schwierig, Energieberater für diese Aufgabe zu gewinnen. Dennoch dränge die Zeit, denn: „Im Bürosegment ist es auch durchaus so, dass bestimmte Mieterschaften aufgrund eigener ESG-Ziele unsanierte Alt-Immobilien meiden. Das ist jetzt schon spürbar und wird sich in der Zukunft noch verschärfen, wenn diese nicht den aktuellen Nachhaltigkeitsanforderungen entsprechen“, weiß Lehmann als Investor mit Büroimmobilien, auch im internationalen Bereich. Klar scheint bei aller regulatorischen Unsicherheit: Die Dekarbonisierung des Immobiliensektors wird auch institutionellen Immobilieninvestoren viel abverlangen.

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