Raus aus der Kohle
Die Dekarbonisierung haben sich nicht nur die Staats- und Regierungschefs der sieben wichtigsten Industrienationen auf die Fahnen geschrieben. Immer mehr institutionelle Investoren weltweit befreien ihre Portfolios von Kohle.
Die G7-Länder haben dem Klimawandel den Kampf angesagt. Auf ihrem Gipfel auf Schloss Elmau Anfang Juni bekannten sich die sieben wichtigsten Industrienationen zur sogenannten Dekarbonisierung. Greenpeace lobte: Elmau hat geliefert. Das ist auch ein wichtiges Signal für die in wenigen Monaten stattfindende UN-Klimakonferenz in Paris. Es nährt die Hoffnung, dass dieser im Nachhinein nicht der Stempel „gescheitert“ aufgedrückt werden muss – anders als der Vorgängerkonferenz in Lima 2014. Die Teilnehmer verhedderten sich damals im Klein-Klein, statt die zentralen Fragen über die genaue Gestaltung der Klimaschutzbemühungen und Finanzhilfen für Entwicklungsländer zu klären.
Als Gastgeberland der diesjährigen UN-Klimakonferenz will Frankreich offenbar mit gutem Beispiel vorangehen. Die französische Regierung hat jüngst einen Vorstoß in Sachen Klimaschutz unternommen. Und zwar will sie laut dem Nachrichtenportal „Pensions & Investments“ institutionelle Investoren dazu verpflichten, ihre Portfolien auf klimaschädliche Investments abzuklopfen und regelmäßig darüber zu berichten. In einer Rede sagte der französische Finanzminister Michel Sapin: „Das gesamte Finanzsystem muss Klimarisiken berücksichtigen.“ Konkret geht es für Investoren darum, das Exposure ihrer Portfolios im Hinblick auf Klimarisiken zu kennen und eine Strategie zu implementieren, um bestehende Emissionen zu reduzieren. Eine solche Strategie könnte mit Desinvestitionen in bestimmten Sektoren einhergehen, sprich: dem Verkauf von Aktien jener Unternehmen, die mit ihren Emissionen den Klimawandel antreiben. Denkbar ist aber auch, den Dialog mit kritischen Unternehmen zu suchen.
Kohlenstoffreduktion als fiduziarische Pflicht
In der französischen Pensionsfondsbranche stößt der Regierungsvorstoß auf offene Ohren. Für Philippe Desfossés, CEO des 23 Milliarden Euro schweren Pensionsfonds für den öffentlichen Sektor (ERAFP), stellt Kohlenstoff ein Risiko dar: „Wenn man als Pensionsfonds dieses Risiko trägt, ist es aus unserer Sicht nachvollziehbar, dass damit eine fiduziarische Pflicht einhergeht. Das heißt, man sollte dieses Risiko beurteilen und abschwächen.“ Und das tut der ERAFP. Im vergangenen Jahr unterzeichnete er die im September 2014 ins Leben gerufene Initiative „Montreal Carbon Pledge“ und verpflichtet sich mit seiner Unterschrift, den CO2-Verbrauch seiner Portfoliounternehmen anzugeben. In der ersten CO2-Bilanz lag die Kohlenstoffintensität des Aktienportfolios bei 19 Prozent. Das Ziel für 2015 ist auf 16 Prozent festgesetzt. Um dies zu erreichen, wurde laut Desfossés verstärkt in Unternehmen aus Amerika investiert. Darüber hinaus hat der Pensionsfonds Ende Mai dieses Jahres ein 400 Millionen Euro schweres Mandat für Aktien aus dem asiatisch-pazifischen Raum an Comgest und Robeco SAM vergeben, dessen Investmentansatz auf einem integrierten ESG-Ansatz basiert. „Wir haben uns für Comgest entschieden, weil das Team eine disziplinierte Investmentphilosophie verfolgt und über einen erfolgreichen, langfristigen Track Record verfügt, der eine starke Performance mit einer umfangreichen ESG-Strategie vereint“, kommentierte Desfossés die Mandatsvergabe. Auch bei hochverzinslichen Unternehmensanleihen setzt die französische Altersvorsorgeeinrichtung auf Nachhaltigkeit. Mit einem entsprechenden Mandat für ein aktiv gemanagtes ESG-High-Yield-Portfolio wurde kürzlich Axa Investment Managers betraut.
Während die französische Regierung bisher nur laut darüber nachdenkt, den Klimaschutz durch entsprechende Verpflichtungen von institutionellen Investoren aus dem eigenen Land voranzubringen, ist man in Norwegen schon einen Schritt weiter. Im Mai dieses Jahres beschloss der Finanzausschuss des Parlaments in Oslo einstimmig, dass der norwegische Staatsfonds seine Anteile an Energie- und Bergbauunternehmen verkaufen soll, bei denen das Kohlegeschäft mehr als 30 Prozent am Geschäft ausmacht. Für den Fonds bedeutet diese Vorgabe, dass er sich wohl aus 50 bis 75 Unternehmen zurückziehen muss. Der Wert dieser Beteiligungen soll zwischen vier und fünf Milliarden Euro liegen.
Auch Deutschland hat sich in Elmau auf dem G7-Gipfel zur Dekarbonisierung bekannt. Pläne wie die der französischen und norwegischen Regierung sind hierzulande aber nicht spruchreif. Das hindert deutsche Institutionelle wiederum nicht daran, ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Die Allianz tätigt beispielsweise seit geraumer Zeit Klimaschutzinvestments in Schwellenländern, wie das Projekt „Rimba Raya“, das ein 640 Quadratkilometer großes Urwaldgebiet im Süden von Borneo vor der Abholzung durch die Palmölbranche schützt. Über einen Zeitraum von 30 Jahren soll der Ausstoß von 90 Millionen Tonnen Kohlendioxid verhindert werden. Trotz derartiger Bemühungen hat der Münchner Versicherungskonzern – anders als der ERAFP und der norwegische Staatsfonds – die Montreal Carbon Pledge bislang nicht unterzeichnet. Unterzeichnet wurde bisher nur die von den Vereinten Nationen unterstützten Principles for Responsible Investment (PRI). Die Allianz ist damit in Deutschland einer von 17 Asset Ownern, die sich zur Unterzeichnung der fünf Prinzipien entschlossen haben. Das mag auf den ersten Blick mager erscheinen, insbesondere wenn man ins deutlich kleinere Nachbarland schaut. In den Niederlanden haben 36 Asset Owner die PRI unterzeichnet. Deutlich besser fällt der Vergleich mit den USA aus.
Edelmut im Stiftungszweck, aber nicht in der Kapitalanlage
Die Weltmacht zählt fast viermal so viele Einwohner wie Deutschland, hat aber nur 22 Großinvestoren, die sich bis dato zu den UN PRI bekennen. Darunter finden sich einige namhafte institutionelle Adressen, wie Calpers, Calstrs und die Pensionsfonds der Bundesstaaten New York, Maryland und Connecticut. US-Stiftungen sucht man auf der Liste der PRI-Signatoren dagegen fast vergebens. Nur Harvard und die Nathan Cummings Foundation haben unterzeichnet. Dass sich die in New York ansässige private Stiftung von Nathan Cummings, die mit einem Vermögen von rund 444 Millionen US-Dollar ausgestattet ist, zu diesem Schritt entschlossen hat, überrascht beim Blick auf die „Mission“ der Stiftung nicht. Dort heißt es: „Wir wollen eine sozial und ökologisch gerechte Gesellschaft schaffen, die die Natur achtet und die ökologische Balance für künftige Generationen schützt.“ Dementsprechend scheint es nur folgerichtig, dass sich auch die Investments der Stiftung an diesen Werten orientieren.
Doch müsste das nicht auch für andere Stiftungen gelten, die ebenfalls solch edelmütige Missionen haben? Zweifellos. Ob ein Land und dessen Investoren besonders nachhaltig sind, sollte aber nicht allein an der Anzahl der PRI-Signatoren festgemacht werden. Das sieht man gut an Deutschland. Hierzulande gibt es zahlreiche institutionelle Anleger, die Nachhaltigkeitskriterien in ihren Kapitalanlagen berücksichtigen, aber nicht PRI-Signatoren sind. Verschiedene kirchliche Einrichtungen, wie die Ruhegehaltskasse in Darmstadt oder die Bank für Kirche und Caritas, sowie eine Reihe von Stiftungen, wie die Stiftung EVZ und das Evangelische Johannesstift, sind hier beispielhaft zu nennen. In Dänemark verließen sogar sechs finanzstarke Pensionseinrichtungen die private Organisation, die sich hinter den UN PRI verbirgt, wieder. Der Grund für den Ausstieg Ende 2013 war nicht etwa, dass ATP, Industriens Pension, Pension Danmark, PFA Pension, PKA und Sampension die Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren nicht mehr einhalten wollen. Das tun sie auch weiterhin. Sie wollen der Organisation nur so lange fern bleiben, „bis sie sich wieder zu den grundsätzlichen Anforderungen guter Unternehmensführung bekennt“. Konkret bemängeln die abtrünnigen Investoren die Demokratie im eigenen Haus. Bis heute sind sie nicht zurückgekehrt.
Ein zweiter, genauerer Blick auf die Stiftungslandschaft in den USA ist also angebracht. Und dabei zeigt sich: Es sind nicht nur zwei Stiftungen, die sich zur Nachhaltigkeit bekennen. Ein Beispiel ist die Stiftung der Georgetown University. Anfang Juni dieses Jahres hat das Board of Directors eine Resolution verabschiedet, laut der die 1,5 Milliarden Dollar schwere Stiftung keine direkten Investments in Unternehmen mehr tätigt, deren Geschäft auf dem Kohleabbau basiert. Außerdem wird die Universitätsstiftung ihre externen Investmentmanager dazu anhalten, Investments in entsprechende Unternehmen zu vermeiden. „Die Aufgabe, die Herausforderungen des Klimawandels zu verstehen und darauf zu antworten, ist dringend und komplex. Es bedarf unserer allergrößten Aufmerksamkeit“, kommentierte John DeGioia, Präsident der Georgetown University, die Entscheidung. Derzeit wird das Portfolio überprüft.
Mit ihrer Anti-Kohle-Strategie, die im Übrigen durch die Studentenbewegung „Georgetown Fossil Free“ initiiert wurde, steht die Universität in Washington nicht allein da. In Stanford hat man bereits im Frühjahr vergangenen Jahres – ebenfalls auf Druck der eigenen Studenten – bekanntgegeben, die 21,4 Milliarden Dollar schwere Universitätsstiftung von Kohle zu befreien und sämtliche Investments im Bereich der fossilen Brennstoffe abzustoßen. Es sind also längst nicht nur zwei US-Stiftungen, die sich dem Thema Nachhaltigkeit widmen. Das bestätigt auch eine im Mai veröffentlichte Studie vom Commonfund Institute, für die 200 US-Stiftungen mit einem Vermögen von insgesamt 88,8 Milliarden US-Dollar befragt wurden. Ein Viertel der Befragten – 53 Stiftungen – gab an, einen nachhaltigen Investmentansatz verabschiedet zu haben. Demgegenüber stehen allerdings 147 Stiftungen, die in ihren Investmentgrundsätzen keinerlei Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren niedergeschrieben haben. Es gibt also noch viel Luft nach oben.
Von Kerstin Bendix
portfolio institutionell, Augabe 06/2015
Autoren: Kerstin Bendix In Verbindung stehende Artikel:
Schreiben Sie einen Kommentar