Immobilien
8. April 2024

Preisfindung am Wohnimmobilienmarkt dauert an

Anzeichen für eine Stabilisierung im Core-Segment. Spitzenrenditen zwischen 3,6 und 4,5 Prozent, weiter steigende Mieten erwartet.

Aktuelle Zahlen zum deutschen Wohninvestmentmarkt deuten darauf hin, dass die Preisfindung für Wohnimmobilien abgesehen vom Core-Segment, wo sich eine allmähliche Stabilisierung abzeichnet  noch nicht abgeschlossen ist. Daten unterschiedlicher Immobilien-Investment- und Beratungshäuser zum Transaktionsmarkt gehen zudem weit auseinander. So meldet Colliers mit weniger Portfoliodeals im ersten Quartal ein Transaktionsvolumen von 1,6 Milliarden Euro (sechs Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum), Jones Lang Lasalle (JLL) eines von nur 820 Millionen Euro. Hier bezieht sich der genannte Wert auf den Verkauf von Wohnungspaketen und Studentenheimen mit mindestens zehn Wohneinheiten und 75 Prozent Wohnnutzung sowie den Verkauf von Unternehmensanteilen mit Übernahme einer Kontrollmehrheit ohne Börsengänge.

Vermehrt kleinere Deals mit mehr Eigenkapital

Savills errechnet eine Transaktionsvolumen von nur 755 Millionen Euro (Transaktionen ab 50 Wohnungen) und damit ein um 60 Prozent gesunkenes Volumen im Vergleich zum Quartalsdurchschnitt des vergangenen Jahres und 86 Prozent weniger als im Quartalsmittel der vergangenen fünf Jahre. Festzustellen ist laut JLL, dass der Markt kleinteiliger geworden ist: So entfielen zwei von drei Transaktionen im ersten Quartal 2024 auf die Größenordnung kleiner als zehn Millionen Euro; die durchschnittliche Deal-Größe lag demnach mit 18 Millionen Euro rund 34 Millionen Euro unter dem langjährigen Durchschnitt. „In der aktuell unsicheren Marktphase werden großvolumige Einzelinvestments eher gemieden, zumal sich auch die Fremdkapitalbeschaffung für Großdeals deutlich schwerer gestaltet“, erläutert Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. Derzeit würden weiterhin eigenkapitalstarke Käufergruppen über Asset- und Fondsmanager das Marktgeschehen dominieren. „Investoren aus diesem Segment agieren häufig mit höherem Eigenkapitaleinsatz und weisen damit auch kleinere Zielgrößen beim Ankauf auf. Dies trägt insgesamt auch dazu bei, dass kleinteilige Produkte zuletzt marktgängiger waren“, ergänzt Scheunemann.

Auch Colliers zufolge ist das niedrige Transaktionsvolumen dem Fehlen von großen Portfolios geschuldet. So konstatiert Felix von Saucken, Head of Residential Germany bei Colliers, einen verhaltenen Jahresauftakt. Er erwartet große Portfolio-transaktionen erst im Jahresverlauf 2024 auf dem Markt. „Die Spitzenrenditen von 3,85 Prozent für Bestandsobjekte in den A-Städten und 4,50 Prozent an anderen Standorten haben sich auch zum Jahresbeginn bestätigt und stellen das neue Renditeniveau nach der Preiskorrektur dar“, so von Saucken.

Tiefpunkt bei den Preisen noch nicht erreicht

Bei Savills beobachtet man derweil eine erhöhte Nachfrage nach Wohninvestments seitens der institutionellen Investoren. Karsten Nemecek, Managing Director Corporate Finance Valuation bei Savills Germany, berichtet: „Hinsichtlich der Nachfrage hat die MIPIM bestätigt, dass Wohnen bei vielen institutionellen Investoren sehr weit oben auf der Ankaufsliste und Deutschland als größter Wohnungsmarkt Europas oft im Fokus steht. Bislang trifft diese Nachfrage auf insgesamt sehr wenig Angebot, weil viele Bestandshalter angesichts gestiegener Mieteinnahmen und überwiegend konservativer Finanzierungen keinen Verkaufsdruck haben. Dadurch ist die Verkaufsbereitschaft insgesamt gering. Außerdem rechnen angesichts der weiter zunehmenden Knappheit am Mietwohnungsmarkt viele Eigentümer mit einer Erholung der Kapitalwerte und sehen von Verkäufen vorerst ab. Auf Investorenseite beobachten wir, dass insbesondere die Kapitalquellen derzeit noch unsicher sind, ob der Tiefpunkt bei den Preisen schon erreicht ist.“

Spitzenrenditen für Core-Objekte pendeln sich ein

Wie mehrere Quellen belegen, zeichnet sich im Prime-Segment bereits eine Stabilisierung der Renditen und damit auch der Preise für Wohnimmobilien ab. So ist die mittlere Spitzenrendite JLL zufolge in den sieben Metropolen im ersten Quartal 2024 im Vergleich zum Schlussquartal 2023 unverändert geblieben. Im Vergleich zum Vorjahresquartal sei dagegen ein deutlicher Anstieg von rund 65 Basispunkten auf 3,71 Prozent zu verzeichnen. Damit habe die seit dem zweiten Quartal 2022 anhaltende Dekompression der Spitzenrenditen erstmals eine Bodenbildung erreicht.

Allerdings dürfte das Ende des Renditeanpassungsprozesses weniger den Markt in Gänze, sondern nur einen Teil des Marktes betreffen, schätzt JLL. Sowohl das Missverhältnis zwischen den angebotenen Produkten und dem gesamten Transaktionsvolumen als auch die recht deutlichen Verzerrungen im Transaktionsgeschehen nach bestimmten Objektqualitäten und Risikoklassen deuteten darauf hin, dass „die Renditeanpassung am Wohninvestmentmarkt mit Ausnahme des Prime-Segments in weiten Teilen noch nicht abgeschlossen sein dürfte.“

Private-Equity-Investoren sondieren den Markt

Colliers verzeichnet für Neubauprojekte in A-Städten stabile Renditen von 3,80 Prozent und an anderen Standorten von vier Prozent. Savills zufolge pendeln sich die Kaufpreisfaktoren für hochwertige Core-Objekte nun seit einigen Monaten beim 22,5-Fachen bis 25-Fachen ein. Die Spitzenrendite für Mehrfamilienhäuser lag demnach zum Ende des ersten Quartals 2024 bei 3,6 Prozent und blieb damit im zweiten Quartal in Folge stabil.

Zudem beobachtet Savills neue Käufergruppen am Immobilienmarkt: „Seit Beginn der Zinswende gibt es deutlich mehr Kapital für Value-Add-Strategien und zahlreiche Private-Equity-Investoren sondieren den deutschen Markt. Die Zahl großvolumiger Transaktionen in dieser Risikoklasse ist jedoch bisher gering. Das liegt vor allem daran, dass die Kaufpreisvorstellungen der Bieter noch zu weit von den Forderungen der meisten Eigentümer entfernt liegen. Ob es dieses Jahr zum erfolgreichen Ankauf dieser Investorengruppe in größerem Maße kommt oder sich das Zeitfenster schon wieder geschlossen hat, bleibt abzuwarten.“ In der Praxis würden daher überwiegend kleinere Value-Add-Pakete geschnürt oder einzelne Wohnanlagen veräußert. Häufig träten regionale und mit dem Markt vertraute Akteure als Käufer auf.

Mieten bei 16 Euro pro Quadratmeter

Rückenwind bekommen die Preise weiterhin von den aus Sicht von Eigentümern und Investoren sehr guten Fundamentaldaten am Mietmarkt. Savills geht davon aus, dass die Leerstände sinken und die Mieten steigen. Die durchschnittlichen Angebotsmieten für Bestandswohnungen lagen demnach im Durchschnitt der dreißig größten Universitätsstädte Mitte Februar 2024 um zwölf Prozent höher als zwölf Monate zuvor. Gegenüber dem Jahresende 2023 stiegen die Angebotsmieten bereits um 1,5 Prozent.

Neubau: Düsseldorf mit Stagnation, Stuttgart mit Rückgang

Auch Colliers zufolge hat sich das starke Mietwachstum der vergangenen Jahre 2024 fortgesetzt. In den A-Städten stiegen die Angebotsmieten im Bestands- sowie Neubausegment im bisherigen Jahresverlauf demzufolge bereits jeweils um rund drei Prozent. Im Bestandssegment liege die Durchschnittsmiete aller A-Städte aktuell bei fast 16,00 Euro pro Quadratmeter, wobei Berlin mit fast fünf Prozent das größte Plus aufweise. Im Neubausegment seit das größte Plus mit vier Prozent in Hamburg zu beobachten, während die Mieten in Düsseldorf stagnierten und in Stuttgart mit minus fünf Prozent sogar rückläufig waren. Aufgrund des zu erwartenden massiven Rückgangs des Wohnungsneubaus – die zu Jahresbeginn wieder gesunkenen Genehmigungszahlen bestätigen dies jüngst – und der daraus resultierenden Angebotsknappheit, erwartet Colliers auch 2024 deutlich steigende Mieten in allen Segmenten.

Autoren:

Schlagworte: | |

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert