Ontario Income Plan
Die ewige Frage für institutionelle Investoren lautet: Make or buy? Meist liegt die Antwort irgendwo dazwischen. Wenn es am Kleingeld nicht mangelt, bietet sich der Kauf ganzer Unternehmen an.
Aufmerksame Leser von portfolio-institutionell.de haben den „Schwarzen Schwan der Woche“ vom 28. Oktober bestimmt noch in Erinnerung: Wir beschäftigten uns in der Glosse mit dem Pensionsplan für die Lehrer in der kanadischen Provinz Ontario, dem Ontario Teachers‘ Pension Plan, kurz: OTPP, und wie er es mit zweistelligen Renditen schafft, die Passform seines umgerechnet rund 118 Milliarden Euro schweren Sparstrumpfs immer weiter zu vergrößern.
Zu jenem Zeitpunkt hatte der vollständig ausfinanzierte, leistungsorientierte Pensionsplan gerade erst 700 Millionen Euro für den kanadischen Ableger des Getränkefabrikanten Constellation Brands auf den Tresen gelegt. Begründung: Der Marktführer im heimischen Weinmarkt habe ausgezeichnetes Potenzial für Wachstum und Wertschöpfung. Mit Investments wie diesem hat OTPP als globaler Großanleger von der Metropole Toronto sowie von London und Hongkong aus seit Beginn seiner Selbstständigkeit im Jahr 1990 eine durchschnittliche Rendite von 10,3 Prozent per annum erzielt; 2015 brachte es der Pensionsplan sogar auf runde 13 Prozent Rendite. Und die Benchmark? Wurde mit stolzen 2,9 Prozentpunkten übertroffen.
Die Konzeption des OTPP ist in jeder Hinsicht ambitioniert und selbstbewusst. Dazu passt, dass der Pensionsplan für die Lehrer in der Provinz Ontario beachtliche 80 Prozent seiner breit diversifizierten Anlagen in Eigenregie verwaltet. Ein kurzer Blick auf die Transaktionen der jüngeren Geschichte zeigt, was möglich ist, wenn es am nötigen Kleingeld, an regulatorischem Freiraum und einem Netzwerk Gleichgesinnter nicht mangelt: Denn wenige Wochen später nach dem Constellation-Brands-Deal wurde der nächste Coup publik. Wieder ist es der Kauf eines kompletten Unternehmens und nicht nur eine schnöde Beteiligung. Zugegeben, ganz allein waren sie diesmal nicht, die kanadischen Pauker.
Vielmehr haben sie sich gemeinsam mit der Pensionseinrichtung für Universitäten in Großbritannien, dem Universities Superannuation Scheme, die britische Westerleigh Group geangelt. Dabei handelt es sich um „den führenden Entwickler und Betreiber von Krematorien in Großbritannien“ – und damit um ein Investment in soziale Infrastruktur. Verkäufer ist Antin Infrastructure Partners, eine Private-Equity-Gesellschaft. Sie hat den Krematorienbauer in den vergangenen Jahren auf seinem Wachstumspfad begleitet und dabei sicher auch ein paar Euro verdient.
Make or buy? Make!
Inzwischen betreibt die Westerleigh Group 22 Krematorien. Und sie will weiter aufstocken. Andrew Claerhout, Vize-Präsident im Bereich Infrastructure and Natural Resources beim Ontario Teachers‘ Pension Plan freut sich mit Blick auf die geglückte Transaktion nicht nur über das gemeinsame Investment mit den Uni-Kollegen, sondern auch über das Business Model von Westerleigh: „Es handelt sich um ein einzigartiges Geschäft, das sich eine starke Position in Großbritannien erarbeitet hat. Seine stabilen Umsätze und sein widerstandsfähiges Geschäftsmodell passen hervorragend zu unseren langfristigen Anlagebedürfnissen.“ Die Langlebigkeit ist für Krematorienbetreiber also kein Problem. Somit wird Asche in der OTPP-Bilanz zu Asche. Hauptsache ist: Die Rente der 316.000 aktiven und pensionierten Lehrer ist auf lange Sicht auskömmlich. Die Projektionen des OTPP reichen 70 Jahre in die Zukunft.
Entsprechend weitsichtig erstreckt sich das Portfolio nicht nur über die klassischen Anlageklassen wie Anleihen, Private Equity und börsennotierte Aktien, sondern umfasst auch einen Reigen an Sachwertanlagen/Infrastruktur. So ist der Pensionsplan unter anderem in Flughäfen und Eisenbahnen investiert. Daneben speisen sich die Renten aus Geschäften eigener Strom- und Gasversorger, Mautstraßen und Container Terminals. Nun also auch Wein und Krematorien. Was soll da bei der Versorgung der künftigen Ruheständler noch anbrennen?
Make or buy? Buy!
Auch Hochschullehrer gehen früher oder später in Rente und erwarten, dass sie auch dann noch über die Runden kommen. Wie gut, wenn man sich auf die finanzielle Schlagkraft und den Anlagefreiraum eines Betriebsrentensystems, wie dem Universities Superannuation Scheme, verlassen kann. Zum Stichtag 31. Dezember 2015 beliefen sich die Vermögenswerte dort auf 49 Milliarden Pfund – nach dem Auf und Ab der britischen Währung seit dem Brexit-Referendum sind das derzeit rund 58 Milliarden Euro. Damit spielt man in einer Liga mit dem deutschen Platzhirsch unter den Pensionseinrichtungen, der Bayerischen Versorgungskammer. In München ticken die Uhren freilich ein wenig anders als in Ontario oder beim USS in Liverpool. Letzterer orientiert sich übrigens an einer fiktiven Benchmark mit einer Aktienquote von satten 63 Prozent; das muss man in einer Baisse aber auch erst einmal aushalten. Die größte deutsche Pensionseinrichtung wiederum diversifiziert seit Jahren vorbildlich in für sie neue Anlageklassen.
Im Gegenzug ist der zuvor überwältigende Rentendirektbestand binnen eines Jahrzehnts um 20 Prozentpunkte abgeschmolzen. Die Umschichtungen zulasten des festverzinslichen Bestandes erfolgten überwiegend in einen breit gestreuten Masterfonds sowie in einem geringen Umfang in Immobilien, die die Bayerische Versorgungskammer im Direktbestand hält. Und ebenso wie ihre angelsächsischen Kollegen stehen auch die Süddeutschen immer vor der Entscheidung, die Leistungen entweder selbst zu erbringen oder sie von externer Seite einzukaufen.
Bei der BVK hat man sich bewusst für das Einkaufen entschieden. Bloomberg zitierte jüngst den für Kapitalanlagen zuständige Vorstand André Heimrich, der da sagte: „Wir werden mehr in Aktiva wie Hochzins, Schwellenland-Bonds und Infrastruktur investieren, wo wir uns auf externe Experten verlassen.“ Die Versorgungskammer will den Anteil dritter Fonds, die die Investments verwalten, in den nächsten drei Jahren von 45 auf 65 Prozent erhöhen.
Die Umgestaltungen bei der größten öffentlich-rechtlichen Versorgungsgruppe Deutschlands werden nicht ohne Folgen bleiben. „Die Veränderung bei unserem Investment-Mix wird zu mehr Volatilität bei unseren Erträgen führen“, warnt Heimrich. „Das könnte sehr gut bedeuten, dass wir die Ziele nicht in jedem Jahr erfüllen werden. Aber wir haben diese Flexibilität auf der Passivseite unserer Bilanz.“ Mit dieser Formulierung stapelt man weniger hoch im Vergleich mit den Paukern Ontarios: „We strive to be agile and innovative while developing strategies and building partnerships for the long term.”
Von Tobias Bürger
portfolio institutionell, Ausgabe 12/2016
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