Schwarzer Schwan
1. Dezember 2017

Nur noch 30 Millionen

Eine besinnliche Rückschau auf unsere Besten.

Die besinnliche Zeit ist traditionell die Zeit der Jahresrückblicke. Es ist die Zeit, in sich zu gehen, das Jahr noch einmal Revue passieren zu lassen und sich mit wirklich wichtigen Dingen zu befassen: Wer konnte dieses Jahr ganz viel beiseiteschaffen? 
Mit etwas Erleichterung dürfte der Unternehmer Anton Schlecker in seiner Ehinger Villa die Adventszeit genießen. Zwar wies seine Tochter die Journaille nach der Pleite der Drogeriekette mit dem Satz zurecht: „Ich glaube, Sie haben das nicht verstanden. Es ist nichts mehr da.“ Ganz so schlimm war es dann aber offenbar doch nicht. Kurz vor der Urteilsverkündung des Prozesse, bei dem es vor allem um die Frage ging, wie viele Millionen die Schleckers in den Monaten vor der Pleite beiseitegeschafft hatten, war Schlecker flüssig genug, mit der Überweisung von vier Millionen Euro an den Insolvenzverwalter zur Schadenswiedergutmachung echte Reue heucheln zu können. Anton Schlecker selbst entging einer Haftstrafe. Risikoadjustiert betrachtet: alles richtig gemacht. Allerdings musste der frühere Drogeriekönig beim Verlassen des Gerichts einen kleinen Umweg in Kauf nehmen und per Taxi zu seinem Porsche chauffiert werden, den er aus Imagegründen wohlweislich etwas entfernt geparkt hatte.
Erfolgreichere Unternehmer als Schlecker scheinen türkische Minister zu sein. In den nächsten Tagen oder Wochen dürfte von einem Kronzeugen vor einem US-Gericht zu erfahren sein, wie türkische Minister halfen, Sanktionen gegen den Iran zu umgehen. Laut der Süddeutschen Zeitung wird vermutet, dass Teheran Gas und Öl in die Türkei lieferte, während der Kronzeuge die Rechnung mit Devisen und Gold beglich. Die verbotenen Geschäfte wurden als Lebensmittellieferungen deklariert. Um die Deals abwickeln zu können, habe der Kronzeuge den früheren türkischen Wirtschaftsminister Mehmet Çağlayan mit sieben Millionen Dollar bestochen, anschließend habe der Minister 50 Prozent der Profite bekommen – insgesamt 45 bis 50 Millionen Euro. Eine Management Fee von sieben Millionen plus Performance Fee von sagenhaften 50 Prozent – und zwar ohne Hurdle Rate: nicht schlecht. 2013 flog das Geschäft jedoch auf. Bald darauf kursierten Telefonmitschnitte im Internet, in denen Staatspräsident Erdoğan angeblich seinen Sohn Bilal anwies, Geld beiseite zu schaffen. „Es darf nichts mehr da sein, bring alles aus dem Haus“, zitiert die „Taz“ den Senior. Als der Präsident seinen Sohn im vierten Telefonat am Nachmittag des 17. Dezember fragte, ob er nun alles beiseite geschafft habe, entgegnete dieser laut „Taz“: „Ja, fast, nur noch 30 Millionen Euro sind übrig.“
Wer kann das noch toppen? Nur die Fifa. Mit den immer weiter steigenden Einnahmen aus  Fernsehrechten und dem genauso steigenden Interesse von nicht über alle rechtsstaatlichen Zweifel erhabenen Interessenten, wie Katar und Russland, haben die Fifa-Granden zum Beispiel in Lateinamerika das große Los gezogen. Derzeit wird vor Gericht festgestellt, wer wie viel beiseite geschafft haben könnte. Hintergründe zu erfahren ist aber für den Richter nicht einfach, da zwei Zeugen auf Grund tragischer Unfälle nicht mehr lebend vor Gericht erscheinen konnten. In dieses Bild passt, dass ein Fifa-Vizepräsident Deals auch damit besiegelte, dass die Geschäftspartner seinen goldenen Ring küssen mussten. Vielleicht sollte man bei der heutigen Auslosung der WM-Gruppenspiele auch einmal das Geschäftsgebaren der Fifa würdigen. 
Autoren:

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert