7. Dezember 2015

Nur Fliegen ist regulierter

Der Regulator verlangt institutionellen­ Anlegern und allen anderen Marktteilnehmern Enormes ab: Eine neue Regulierung jagt die nächste. Einen Überblick über diesen regulatorischen Kraftakt und Ideen, wie dieser zu stemmen ist, gab das portfolio institutionell masters.

„Das einzig Gefährliche am Fliegen ist die Erde.“ Mit diesem ­Wissen machte sich Wilbur Wright mit seinem Bruder Orville vor 112 Jahren zum ersten kontrollierten Motorflug auf. Fliegen bedeutete damals grenzenlose Freiheit – zum Preis minimaler Sicherheit. Heute hat sich die Welt einmal komplett gedreht. Eine starke Regulierung begrenzt den Himmel, sorgt zugleich aber für maximale Sicherheit. Die Evolution der Luftfahrt erinnert Christian Altmeyer, Leiter der Rechtsabteilung bei BNY Mellon in Deutschland und passionierter Flieger, an die Finanzbranche. Diese kommt seit der Finanzkrise 2008 weg von einer Selbstregulierung und hin zu einer stark regulierten Aufsichtswelt: „In der Luftfahrt gibt es den Single European Sky. Das heißt, die EU hat sich vorgenommen, den europäischen Himmel zu vereinheitlichen und zu regulieren. Dies geschieht – wie in der Finanz­branche auch – durch den Eingriff in nationale Gesetzgebung. Wir sind also nicht allein!“
Für den BNY-Rechtsanwalt sind viele Fragen der Aufsichtsbehörden berechtigt. Es gebe aber auch weniger sinnvolle Entwicklungen, wie die Segregierung in den Regelwerken AIFMD und Ucits V. Dass Verwahrstellen die Vermögensgegenstände von AIF, Publikumsfonds, normalen Kunden und Eigenbeständen trennen, sei sinnvoll. „Auf Level-zwei-Ebene kam jedoch der Satz ‚mutatus mutandis‘ hinein“, erläutert Altmeyer. Dahinter steckt: Auf der Ebene der Unter­verwahrer muss ebenfalls eine Segregierung erfolgen. Die Aufsichtsbehörde Esma hat hierfür fünf Optionen zur Disposition gestellt, wobei die präferierte Option derzeit ist, dass es zu keiner Vermischung von Fondsbeständen mit anderen Kundenpapieren auf der Unter­verwahrerebene kommen darf und der Unterverwahrer pro Verwahrstelle ein eigenes Konto führt.
Darin sieht Altmeyer ein Problem, da ein Unterverwahrer nicht nur eine, sondern hundert Verwahrstellen hat und somit tausende Fondskonten auf seiner Ebene hätte: „Das kann er technisch abbilden, aber eine solche Segregierung führt zu weiteren Risiken. Sie haben beispielsweise Settlement-Risiken, wenn Sie zwischen den einzelnen Kundenbeständen umbuchen müssen. Das müssen Sie über den Markt machen. Außerdem wird es teurer, da man an die Portfoliomanager neue Settlement-Instruktionen geben muss. Dieser muss pro Konto und nicht mehr auf einem BNY-Mellon-Omnibus-­Account bei dem Unterverwahrer instruiert werden.“
Diesem Mehraufwand sieht Altmeyer keinen Nutzen gegenüberstehen. „Das Argument lautet immer ‚Madoff und Lehman‘, doch das hätte man damit auch nicht verhindert.“ Kunden-Assets seien in fast allen Regionen bevorzugt. Die Klassifizierung als Kunden-Asset reiche, um in der Insolvenz getrennt behandelt zu werden. Problematisch sei eine­ strikte Trennung von Kundenpapieren auf verschiedenen Konten auch im Hinblick auf das Collateral Management: „Destroyed Party Collateral Management funktioniert nicht, wenn Sie Kundenpapiere auf verschiedenen Konten halten. Die Industrie müsste zurück zur ­bilateralen Leihe und Besicherung und zu bilateralen OTC-Geschäften, was wiederum zu erhöhtem Settlement-Risiko führt.“

(portfolio masters 2015: Hier gelangen Sie zur Bildergalerie dieser Veranstaltung.) 

Der BNY-Mellon-Rechtsexperte bevorzugt die dritte Option, die die Esma in Aussicht gestellt hat. In dieser wird zwischen Kunden- und Eigenbestand getrennt, aber die AIF und andere Kundenpapiere ­können in Omnibuskonten gehalten werden. Ob er mit seiner ­Petition Erfolg haben wird, lässt sich derzeit nicht absehen. Die Konsultation läuft bereits seit einem Jahr, und das Verwahrstellen-Rundschreiben der Bafin, das Mitte Oktober veröffentlicht wurde, lässt diesen Aspekt offen. Eine eindeutige Klarstellung sei jedoch dringend geboten, da unter Ucits V eine nicht ordnungsgemäße Segregierung mit Strafzahlungen bis zu fünf Millionen Euro belegt wird. Geklärt werden müsse auch die Behandlung der Zentralverwahrer. „Die Esma sagt, Zentralverwahrer sind wie Unterverwahrer zu sehen, was auch immer das dann heißt. Allerdings sind Zentralverwahrer eigentlich Marktinfrastruktur und nicht frei wählbar.“ Trotz dieser und noch einiger anderer offener Fragen ist der Rechtsanwalt und Freizeitpilot durchaus ­optimistisch für die Zukunft der Bankenwelt: „Die Luftfahrtindustrie wächst seit 112 Jahren und wird immer innovativer. Das wird die Bankenwelt auch machen. Es wird immer Banken geben, aber sie werden sich wandeln müssen.“
     
Komplexität reduzieren
Wieder auf dem Boden der Tatsachen angekommen, lauschten die Teilnehmer der masters einem nicht minder spannenden und ­vielschichtigen Thema. Diesmal vorgetragen von Christian Wutz, ­Geschäftsführer der Société Générale Securities Services (SGSS), im Rahmen seines Workshops „Die Umsetzung von Kundenanforderungen zur Datenkonsolidierung unter regulatorischen und Risikoaspekten“. Mit einem gewissen Schuss Ironie betonte er, dass sowohl institutionellen Investoren als auch allen anderen am Kapitalanlage­prozess beteiligten Parteien heute vom Regulator Enormes abverlangt werde.
Das gelte nicht nur für Reformkonzepte wie Solvency II oder AIFMD, sondern die Akteure müssen sich darüber hinaus auch mit dem neuen Verwahrstellen-Rundschreiben befassen. Die Krux: „Kaum hat man eine regulatorische Vorgabe umgesetzt, kommt die nächste, die dann wiederum einiges, was Sie gerade umgesetzt haben, obsolet macht“, monierte Wutz. In den Startlöchern des „regulatorischen ­Marathonlaufs“ stehe beispielsweise die fünfte Auflage der Ucits-Richt­linie für europaweit harmonisierte Publikumsfonds; hier sei ­abzusehen, dass sich dadurch wieder Änderungen auf das Verwahrstellen-Rundschreiben ergeben werden. Damit dürfte der Marathonlauf aber noch nicht zu Ende sein.

Gleichzeitig gelte es für Dienstleister wie die SGSS, die Kundenanforderungen zu erfüllen. Sie ergeben sich nicht nur aus den bereits skizzierten rechtlichen Vorgaben, vielmehr spielen hier operative Ziele eine Rolle. Die geschäftlichen Aktivitäten der SGSS werden heute nur noch zu etwa 20 Prozent aus eigenem Antrieb bestimmt. IVielmehr resultierten 80 Prozent aus Anforderungen der Kunden, die man gemeinsam bewältige.

Herausforderungen ergeben sich im ­Asset Management und der Kapitalanlage, aber auch im Hinblick auf interne Reportings. Weniger bekannt ist, dass die buchhalterischen Anforderungen für Kunden ebenfalls eine wachsende Belastung darstellen, der man als Dienstleister begegnen müsse – zumal die Teams bei den Investoren nicht größer würden. Auch die Belieferung interner Systeme mit Daten spiele eine immer größere Rolle, erläuterte Wutz im Hinblick auf die Dienstleistungen der SGSS. Traditionelle Dienstleistungen rund um Buchhaltung, Reporting und Middleoffice seien zwar schon ­komplex genug, das Geschäft entwickle sich aber weiter in Richtung zu einem Datenlieferanten. Man müsse heute in der Lage sein, externe Schnittstellen für Kunden anzusteuern. Man müsse SAP-­Erfahrung haben und wissen, wie die verschiedenen Systeme der ­Investoren bei ­Solvency II funktionieren. „Wenn Sie das nicht mehr können, dann haben Sie fast keinen Mehrwert mehr für die Kundschaft von heute“, warnte Wutz die Anbieterseite.

Daten in geeigneter Form
Mit Verweis auf dieses komplexe Anforderungsprofil zog er das Fazit, dass die steigenden Kundenanforderungen sowie das regulatorische Umfeld weiterhin Treiber einer stetigen Weiterentwicklung im Bereich der Datenkonsolidierung, -bereinigung und -verarbeitung sind. Und das über alle Asset-Klassen hinweg. Mit anderen Worten: Die Unternehmen erwarten eine Bereitstellung der Daten in „geeigneter Form“, um sie analysieren zu können. Die Entscheider wollen die Assets auf einen Blick sehen, ganz gleich, ob es sich um liquide­ oder illiquide Anlagegegenstände handelt. Es bedürfe einer einheit­lichen Datenbasis für Bestandshaltung, Performance-Messung, Performance-Attribution, Risikoanalyse sowie für das aufsichtsrechtliche Berichtswesen, wie Wutz ausführte.

Das oft zitierte regulatorische Umfeld erfasst mit der im KAGB umgesetzten AIFM-Direktive auch Immobilien. Einen tiefen Einblick in die Feinheiten dieses Gesetzes in der Praxis gab der Vortrag „KAGB-Anforderungen für geschlossene (Immobilien-)Publikums-AIF mit externer KVG“ von Avana Invest und dem Immobilienmanager Fair AM. Wie Götz Kirchhoff von Avana Invest ausführte, benötigen Initiatoren­ geschlossener Fonds gemäß Paragraf 154 KAGB eine externe AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaft. Vorgesehen ist, dass die AIF-KVG die kollektive Vermögensverwaltung mit Portfoliomanagement und Risikomanagement, administrativen Tätigkeiten, Vertrieb und Aufgaben im Zusammenhang mit den Vermögensgegenständen des AIF übernimmt. In diesem Praxisfall lagert Avana Invest das Port­foliomanagement jedoch – genehmigungspflichtig – an Fair AM aus. Fair AM, auf dem Workshop vertreten durch Heinrich Wohlfart, muss damit neben dem KAGB die von der KVG vorgegebenen Weisungen, Anlageziele sowie Anlage- und Risikogrenzen beachten. Weiter gehört zu den Pflichten des externen Portfoliomanagers­ vor allem der An- und Verkauf von Immobilien einschließlich der Durchführung entsprechender Due Diligence und die Pflege eines  angemessenen Risikocontrollings.
Die Liste der standardisierten Vorlagen für den Kauf und Verkauf von Immobilien ist dabei genauso lang wie die beizufügenden­ Unterlagen. Zu den Vorlagen zählen neben dem Kaufpreis und Verkehrswert gemäß Gutachten Informationen zur Liqui­dität, grundbuchliche Einschränkungen, Altlasten,­ rückständige ­Mieten, vorgesehene Investitionskosten, Angaben zum Objekt­zustand und die Erläuterung möglicher Auswirkungen von Investitionen auf den Verkehrswert und auf die Vermietungsfläche sowie auf die Miete. Zu den beizufügenden Unterlagen zählen beispielsweise der Kaufvertrag, der Grundbuchauszug, das Verkehrswertgutachten, die Mieterlisten, der Energiepass und die Zustimmung des Beirats. Liegt dies alles­ vor, ist die Kapitalverwaltungsgellschaft mit einer Stellungnahme – Zustimmung oder Ablehnung – am Zug, die wiederum standard­gerecht zu dokumentieren ist.

Parallelen zur Wertpapierwelt

Das Risikomanagement weist ebenfalls Parallelen zu ­Wertpapieren auf. Gefragt sind angemessene Risikomanagementsysteme, die Erfassung, Messung, Steuerung und Überwachung der mit den einzelnen Anlagepositionen verbundenen Risiken sowie deren jeweilige Wirkung auf das Gesamtrisikoprofil des AIF. Hinzu kommt die Gewährleistung, dass die Risikoprofile des AIF der Größe, Zusammen­setzung sowie den Anlagestrategien und Anlagezielen entsprechen, wie sie in den Anlagebedingungen, im Verkaufsprospekt und sonstigen Verkaufs­unterlagen festgelegt sind. Die Voraussetzung für die Aus­lagerung des Risikomanagements entspricht dabei denjenigen für die Auslagerung des Portfoliomanagements. Hinzu kommen die Erstellung eines Risikomanagement-Handbuchs, Meldewesen und Dokumentation. Der Nutzen dieser Vorgaben dürfte vor allem von den ­personellen Ressourcen des Anlegers abhängen, was auch in der anschließenden­ Gesprächsrunde bestätigt wurde. (portfolio masters 2015: Hier gelangen Sie zur Bildergalerie dieser Veranstaltung.) 
Von Kerstin Bendix, Tobias Bürger und Patrick Eisele


portfolio institutionell, Ausgabe 11/2015

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