Versicherungen
19. Oktober 2011

Niedrigzins kostet Versicherer 1,5 Milliarden Euro im Jahr

Trotz des Niedrigzinsumfeldes werden deutsche Lebensversicherer 2011 ihren Rechnungszins schaffen. Dies stellte GDV-Mann Tim Ockenga auf der Simcorp-Tagung für Versicherungen klar.

Wie viel die Niedrigzinspolitik die deutschen Versicherungen kostet, darüber sprach Tim Ockenga vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) auf der Simcorp Fachtagung für Versicherungen am 13. Oktober in Köln. „Seit Herbst 2008 sind die Zinsen wegen der expansiven Geldpolitik durchschnittlich um einen Prozentpunkt gesunken. Für Lebensversicherungen bedeutet dies bei 150 Milliarden Euro Neu- und Wiederanlage pro Jahr rechnerisch einen jährlichen Zinsverlust von 1,5 Milliarden Euro“, so Ockenga.
Der Garantiezins, der durchschnittlich bei etwa 3,4 Prozent liegt, lasse sich damit nur schwer erzielen. Wie dramatisch das Bild ist, zeigt Ockenga anhand eines Vergleichs zwischen dem Rechnungszins und den Zinsen für zehnjährige Bundesanleihen. Diese belaufen sich aktuell um die zwei Prozent. Der GDV-Mann relativiert dieses Bild allerdings etwas: „Versicherungen investieren nicht nur in zehnjährige Bundesanleihen. Für das laufende Jahr ist die Erzielung des Rechnungszinses auch in der Neuauflage trotz des Niedrigzinsumfeldes gesichert.“ Ungeachtet dessen ist Ockenga überzeugt, dass Versicherer aus der derzeitigen Kapitalmarktsituation Konsequenzen für ihre Kapitalanlage ziehen müssen. Eine wichtige Lektion der vergangenen Jahre sei, dass man Cluster-Risiken wegbekommen und stärker diversifizieren muss. Insbesondere eine stärkere Diversifizierung weg von Banken müsse geprüft werden. Das dürfte sich allerdings schwierig gestalten, da es den Versicherungen an Anlagealternativen mangelt. Dies ist auch Ockenga bewusst, deshalb erwartet er: „Es wird nicht unbedingt eine Entwicklung weg von Banken geben, sondern die Exposures werden sich verändern. Die Exposures gegenüber kleinen Instituten könnten abgebaut werden zugunsten größerer Banken.“ 
_Regelung zu stillen Reserven setzt Fehlanreiz in der Kapitalanlage
Der Niedrigzins sorgt allerdings nicht nur auf der Anlageseite für Herausforderungen. „Die Bewertungsreserven bei Rentenpapieren sind drastisch gestiegen“, so Ockenga. Für die Lebensversicherer entstehen hieraus zusätzliche Belastungen, nämlich in der Form, dass Zinszusatzreserven gebildet und Versicherungsnehmer an den Bewertungsreserven beteiligt werden müssen. Das sorge wiederum für Fehlanreize in der Kapitalanlage. „Die derzeitigen Regelungen führen dazu, dass dringend benötigte Anlagen mit hohem Kupon aufgelöst werden“, sagte Ockenga. Die Brisanz dieses Themas ist längst erkannt. Bereits seit ihrer Einführung Anfang 2008 kämpfen die Lebensversicherer dagegen an. Und nun scheint endlich Bewegung in die Sache zu kommen. Der GDV, die Finanzaufsicht Bafin und das Bundesfinanzministerium arbeiten an einem Kompromiss. Ockenga wollte auf der Simcorp-Tagung keine konkrete Aussage über den Stand der Dinge machen. Er sei allerdings vorsichtig optimistisch. Dass es für deutsche Lebensversicherer offenbar tatsächlich Grund zum Optimismus gibt, zeigt indes ein Bericht der Börsen-Zeitung vom Freitag. Laut diesem sagte Susanne Rosenbaum, Regierungsdirektorin im Finanzministerium, auf einer Bafin-Tagung, dass derzeit geprüft werde, ob und wie die Beteiligung der Versicherungsnehmer an den stillen Reserven angepasst werden kann. 
_Italien kommt bei Investoren zu schlecht weg
Zu guter Letzt kam Ockenga in seinem Vortrag noch auf Griechenland zu sprechen. Laut GDV-Zahlen sind deutsche Lebensversicherer mit 2,8 Milliarden Euro in hellenischen Staatsanleihen investiert. Das sind weniger als 0,3 Prozent der Kapitalanlage. An diesem geringen Engagement könne auch Solvency II und die politisch gewollten null Prozent Eigenkapitalunterlegung für europäische Staatsanleihen nichts ändern. „Es ist absolut klar, dass Solvency II selbst mit den bisher für europäische Staatsanleihen vorgesehenen Eigenkapitalanforderungen von null Prozent nicht dazu führen wird, dass Versicherungen verstärkt in Staatsanleihen von Griechenland investieren“, ist sich Ockenga sicher. Dass Griechenland noch für viele Jahre vom Kapitalmarkt und den Investoren abgestraft werden und abgeschnitten sein wird, davon ist auch Andreas Rees überzeugt. Daran werde auch ein Schuldenschnitt nichts ändern, den der Chefvolkswirt von Unicredit schon sehr bald kommen sieht. „Mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir kurz vor einer Lösung stehen. Der Schuldenschnitt wird bald kommen“, so Rees. Und weiter: „Ich erwarte allerdings keine 60 Prozent, sondern 30 bis 50 Prozent.“ Viel Lob hat der Chefvolkswirt in seinem Vortrag auf der Simcorp-Tagung für Irland übrig. Dort habe man lange über seine Verhältnisse gelebt, aber die Trendwende geschafft. Die Lohnstückkosten seien deutlich gesunken, auch wenn der Preis am Arbeitsmarkt dafür hoch gewesen ist. Die Arbeitslosenquote stieg von fünf auf 15 Prozent. Eine solche Trendwende sieht Rees in Italien indes nicht. Dort seien die Lohnstückkosten nach der Krise immer weiter gestiegen. Ungeachtet dessen ist der Chefvolkswirt überzeugt: „Italien kommt bei den Investoren zu schlecht weg. Das im Sommer verabschiedete Konsolidierungspaket ist sehr ehrgeizig, aber machbar. Der in den Zinsen eingepreiste Malus trifft nicht die fundamentale Realität.“ Um diese Behauptung zu untermauern, verweist er auf den Primärhaushalt von Italien, der ohne Zinszahlungen einen Überschuss aufweist. 
An eine Rezession weltweit und in Deutschland glaubt Rees nicht. Vielmehr stehe man vor einer starken Verlangsamung. Auch in den Schwellenländern lasse die Dynamik nach, was Rees in erster Linie den USA ankreidet. Der Unicredit-Mann hält die Wirtschaftspolitik der USA für unkontrolliert und dumm. Seine Kritik zielt vor allem auf QE 2 (Quantitative Easing) ab, das für steigende Rohstoffpreise sorgte und sich somit auch auf die Schwellenländer auswirkte. „Die Wirtschaftstruktur in den USA zieht nicht mehr. Ein Arbeitnehmer braucht 40 Wochen, um einen neuen Job zu finden“, machte Rees deutlich. Und weiter: „In den USA hatte man erst die Aktienblase, dann die Immobilienblase. Es fehlt nun an einer dritten Blase, auf die man aufspringen könnte.“ Der Volkswirt geht davon aus, dass es ein QE3 geben wird: „Das wir aber nichts bringen. Zusätzliche Impulse werden nicht eintreten.“   
portfolio institutionell newsflash 19.10.2011/kbe/gor
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