Stiftungen
18. Januar 2016

Niedrigzins bedroht deutsche Stiftungen

Immer mehr Stiftungen nehmen reale Vermögensverluste in Kauf. In der Stiftungslandschaft geht eine Existenzangst um. Wie eine neue Studie zeigt, wird mancher Stiftung nur die Abwicklung bleiben.

Die deutsche Stiftungslandschaft wird sich merklich verändern. Mancher Stiftung wird wohl nur die Abwicklung bleiben. Schuld ist das Niedrigzinsumfeld, das den Stiftungen hierzulande mehr zu schaffen macht als die Finanzkrise 2009. Das ist eine wesentliche Erkenntnis einer neuen Studie des Beratungsunternehmens PwC, für die im Herbst vergangenen Jahres 208 der vermögensstärksten Stiftungen in Deutschland befragt wurden. Demnach ist die Mehrheit überzeugt, dass es künftig häufiger zu Abwicklungen oder Zusammenlegungen von Stiftungen kommen wird und neue Stiftungslösungen angestrebt werden.
„Es ist bemerkenswert, wie viel spürbarer die Stiftungen unter den niedrigen Zinsen leiden, als sie 2009 unter dem Börsensturz gelitten haben“, bemerkt Professor Dr. Norbert Winkeljohann, Sprecher des Vorstands von PwC in Deutschland. Vom Zinstief betroffen bezeichnen sich 38 Prozent der befragten Stiftungen, elf Prozent sogar als „stark“ oder „ausgesprochen stark“ betroffen. Zum Vergleich: Lediglich sechs Prozent gaben bei einer PwC-Umfrage im Krisenjahr 2009 an, die Folgen des Finanz-und Wirtschaftskrachs zu fühlen. Dies dürfte vornehmlich an der konservativen Anlagestrategie liegen, die Stiftungen traditionell verfolgen.
Das Anlageportfolio besteht der Untersuchung zufolge derzeit im Durchschnitt aus 35 Prozent festverzinslichen Wertpapieren, 26 Prozent Bargeld und Termingelder sowie 21 Prozent Sachwerte, wie Immobilien. „Die Aktienquoten sind derweil relativ gering. Von der Hausse am Aktienmarkt profitieren die Stiftungen in Deutschland also kaum“, erklärt Berthold Theuffel-Werhahn, Leiter des PwC-Bereiches Stiftungsberatung, in einem auf der PwC-Homepage veröffentlichtenInterview zur Studie. Allerdings muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass finanziell besser situierte Stiftungen wesentlich stärker diversifizieren als Stiftungen, deren Finanzsituation negativer eingeschätzt wird. Laut PwC-Studie verteilen sie ihre Investitionen durchschnittlich über 2,9 der in der Befragung vorgegebenen sieben Anlageklassen, bei den Stiftungen in weniger guter Finanzlage sind es nur 2,3. 
Von real zu nominal
Mit ihrer bisherigen Anlagepolitik, die vornehmlich auf mündelsichere Anlagen setzt, kommen Stiftungen auf Dauer und mit Anhalten der Niedrigzinsphase nicht weit. Bereits in den vergangenen drei Jahren konnte nur jede fünfte Stiftung eine Durchschnittsrendite von fünf Prozent oder mehr erzielen. Zwar haben die meisten Stiftungen (90 Prozent) trotz der Finanzkrise den Nennwert ihres Stiftungskapitals erhalten können und immerhin 60 Prozent streben nach wie vor den realen Kapitalerhalt an. Doch nur bei einem Bruchteil dieser Stiftungen – nämlich ein Viertel – sind sich die Verantwortlichen „sicher“, dass sie dieses Ziel auch längerfristig erreichen können. Jeder dritte Stiftungsverantwortliche räumt in der Befragung ein, das Stiftungskapital nur noch nominal sichern zu wollen. Daraus schließen die Studienautoren von PwC, „de facto werden (Real)-Vermögensverluste also von vornherein in Kauf genommen“.
Um trotz der niedrigen Zinsen ihr Vermögen real zu erhalten, müssen deutsche Stiftungen stärker ins Risiko gehen. „Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen lassen sich noch Freiräume für die Anlageoptimierung finden. Das darf zwar nicht so verstanden werden, dass Stiftungen unbeschränkt Risiken eingehen dürfen. Auf mündelsichere Wertpapiere sind Stiftungen aber längst nicht mehr beschränkt. Denn wie die rein spekulative Vermögensanlage ist auch die ertraglose verboten“, erklärt Norbert Winkeljohann. Wie die PwC-Studie zeigt, hat dies bereits eine Reihe von ihnen getan. Fast jede dritte Stiftung habe einen Teil ihres Vermögens in ertragreichere Assets umgeschichtet. Mehr als jeder zweite rechnet zudem damit, dass dieser Sektor in den kommenden vier bis fünf Jahren höhere Risiken in Kauf nehmen wird, um bei angestrebtem Vermögenserhalt gemeinnützige Zwecke in gewohntem Umfang zu erfüllen. Im Grundsatz halten die Stiftungen laut PwC jedoch an ihrer eher konservativen Anlagepolitik fest. Wer aufgrund seiner Stiftungssatzung nicht risikoreicher anlegen darf, dem legen die Studienautoren beispielhaft den Weg der Nobelstiftung nahe. Dieser gelang Ende der 80er Jahre durch eine Satzungsänderung eine Wende. Mit der Änderung wurden den Verantwortlichen der Nobelstiftung mehr Freiheiten eingeräumt, das Stiftungskapital auch in andere als festverzinsliche Anlageformen zu investieren.    
Um das Zinstief zumindest partiell zu kompensieren, verfolgen Stiftungen noch eine andere Strategie. Immer mehr setzen auf eine Verbreiterung der Einnahmebasis. So gaben immerhin 39 Prozent der Umfrageteilnehmer an, dass man sich stärker als bislang auf das Thema Fundraising konzentrieren wolle. „Zugleich bleiben allerdings Chancen ungenutzt“, merkt Theuffel-Werhahn an. Ein Beispiel seien die freien Rücklagen. Jährlich können bis zu einem Drittel des jährlichen Überschusses in die freie Rücklage gestellt werden. Von dieser Möglichkeit macht jedoch noch eine Minderheit – jede vierte Stiftung – Gebrauch. Diese Stiftungen stellen laut PwC mehr als 25 Prozent der Erträge in die freie Rücklage ein. Die Mehrzahl der Stiftungen führe der freien Rücklage aber allenfalls einstellige Ertragsanteile zu. Über die Gründe hierfür kann PwC nur mutmaßen. Es liege nahe, dass viele Stiftungen wegen der geringeren Einnahmen dazu tendieren, diese eher für ihre satzungsgemäßen gemeinnützigen Zwecke als für die Stärkung des Stiftungsvermögens zu verwenden. Womöglich hoffen sie auf bessere Zeiten mit höheren Einnahmen aufgrund steigender Zinsen.     
portfolio institutionell newsflash 18.01.2016/Kerstin Bendix

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